Universität Bremen
Fachbereich 11 / Studiengang Psychologie
Diplom - Arbeit
"Untersuchungen mit dem Sceno-Test zur Enkopresis im Kindes- und Jugendalter"
Kontakt :
Bremen, im Dezember 1995
Betreuer : Prof. Dr. phil. Frank Baumgärtel
Betreuerin : Dr. Kerime Faris
2. Zur Klassifikation psychologischer
Testverfahren
2.1 Die
Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren
2.1.1 Zur Problematik der
Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren
2.1.2 Der Gebrauchswert der
Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren
3.
Der Sceno-Test von Gerdhild von Staabs
3.1 Geschichtlicher Hintergrund
3.2 Die diagnostische Aufgabe des Sceno-Tests
3.4.2 Die theoretischen Ansätze zur
Interpretation des Sceno-Tests
3.4.5 Untersuchungen zur Ermittlung der
gesamten Persönlichkeit
3.4.6 Zur symbolischen Bedeutung der einzelnen
Sceno-Materialien
3.4.6.1 Die menschlichen Figuren
3.4.6.2 Die mythologischen Figuren
3.4.7 Die Auswertung des Formalen
3.4.8 Typische Gestaltungen bei bestimmten
Konflikten
3.5 Bisherige
Sceno-Test-Untersuchungen zur Enkopresis
4.
Die Enkopresis im Kindes- und Jugendalter
4.1.1 Geschichtlicher Überblick
4.1.4
Alters- und Geschlechtsverteilung
4.1.5 Erscheinungsweisen der Enkopresis
4.1.7
Diagnose und Differentialdiagnose
4.2
Zur Ätiologie der Enkopresis
4.2.3 Die Sauberkeitserziehung
4.2.4 Psychoanalytische
Vorstellungen
4.2.5 Lerntheoretische
Vorstellungen
4.2.6
Die Familie des enkopretischen Kindes
4.2.6.3 Die familiäre Situation
4.2.7 Systemtheoretische
Überlegungen
4.2.8 Persönlichkeit und Verhalten des Kindes
4.3
Die Therapie der Enkopresis
4.3.1 Organmedizinische
Behandlungsverfahren
4.3.2 Tiefenpsychologische
Behandlungsverfahren
4.3.3 Verhaltenstherapeutische
Ansätze
4.3.4 Familientherapeutische
Ansätze
4.4 Katamnestische Untersuchungen
4.5
Zur Prognose der Enkopresis
5.
Aufstellung der Arbeitshypothesen
6.
Darstellung der eigenen Untersuchung
6.2
Die Daten der 28 Enkopretiker
6.2.1
Alters- und Geschlechtsverteilung
6.3
Die Daten der Vergleichsgruppen
6.4 Überprüfung der aufgestellten Hypothesen
6.4.2 Strenge, rigide Sauberkeitserziehung
6.4.6 Physische und psychische Abwesenheit
des Vaters
6.4.7 Gestörtes familiäres und
soziales Umfeld
6.4.9 Depressive Verstimmungen
6.4.10 Trennung von der Mutter
6.5 Interpretation der Ergebnisse
6.6 Kritische Betrachtung, Ausblick
Anlage
A - Beobachtungbogen für den Sceno-Test
Anlage
B - Sceno-Testauswertungsprotokolle
Anlage
C - Berechnung des Chi-Quadratertes
Dem Symptomkomplex Enkopresis wird in der wissenschaftlichen Literatur nur eine marginale Bedeutung zugemessen. In den veröffentlichten Abhandlungen überwiegen in der Regel klinische Fallbeschreibungen, deren Ergebnisse oder Schlußfolgerungen aufgrund fehlender Vergleichsgruppen naturgemäß einen geringen Aussagewert besitzen. Untersuchungen mit Kontrollgruppen sind zu dieser Störung, mit Ausnahme einiger weniger Arbeiten (vgl. u.a. Bellman, 1966, Wille, 1984), ebenfalls rar gesät. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, daß testpsychologische Untersuchungen zur Enkopresis allenfalls im Rahmen klinischer Fallberichte beziehungsweise im Zusammenhang mit allgemeinen Untersuchungen über ein spezielles Testverfahren eine kurze Erwähnung finden. Detailliertere Angaben über die Testauswertung oder ihre Ergebnisse sucht man dagegen nahezu vergebens.
Im Rahmen meines Halbjahrespraktikums in einem Bremer Kinderkrankenhaus habe ich 25 Kinder im Alter von 3 bis 15 Jahren betreut. Insgesamt drei Kinder des vorgenannten Klientels litten an einer Enkopresis. Im Zuge der psychodiagnostischen Untersuchungen habe ich mit allen drei Enkopretikern den Sceno-Test von Gerdhild von Staabs durchgeführt und das Schlußbild im Foto festgehalten.
Mit Blick auf die untergeordnete Bedeutung der Enkopresis innerhalb der wissenschaftlichen Literatur sowie der geringen Anzahl von referierten testpsychologischen Untersuchungen zu diesem Symptom habe ich in der vorliegenden Arbeit den Versuch unternommen, mit Hilfe des Sceno-Testes festzustellen, ob bestimmte Szenenmerkmale oder -inhalte sich statistisch überzufällig häufig bei dieser Symptomgruppe nachweisen lassen. Da ich mit nur drei Enkopretikern zu keinerlei ausreichend gültigen Aussagen gekommen wäre, wurde die Stichprobe um die Testergebnisse weiterer 25 Enkopretiker ergänzt. Diese stammen aus abgeschlossenen Fällen regional ansässiger Erziehungsberatungsstellen, niedergelassener Kinder- und JugendtherapeutInnen sowie des vorgenannten Kinderkrankenhauses.
Bevor ich die Untersuchungsergebnisse referiere, möchte ich zunächst den Sceno-Test und seine theoretischen Grundlagen genauer vorstellen, sowie in einem weiteren Gliederungspunkt auf die Enkopresis im Kindes- und Jugendalter detailliert eingehen.
Wie schon Brickenkamp (1975) feststellt, ist es ungemein schwer, „zu einer allgemein akzeptablen inhaltlichen Klassifizierung zu kommen, die möglichst wenig Unstimmigkeiten aufweist, und praktikabel ist" (S. 12). Dabei muß eine optimale Klassifikation „primär inhaltlichen und sekundär formalen Kriterien folgen" (Brickenkamp, 1975, S. 12). Diesem Prinzip zufolge teilte Brickenkamp (1975) die psychologischen und pädagogischen Tests wie folgt ein :
|
1 |
Leistungstests |
|
11 |
Entwicklungstests |
|
12 |
Intelligenztests |
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13 |
Allgemeine Leistungstests |
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14 |
Schultests |
|
15 |
Spezielle Funktions- und Eignungstests |
|
2 |
Psychometrische Persönlichkeitstests |
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21 |
Persönlichkeits-struktur-Tests |
|
22 |
Einstellungs- und Interessentests |
|
23 |
Klinische Tests |
|
3 |
Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren |
|
31 |
Formdeute Verfahren |
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32 |
Verbal-thematische Verfahren |
|
33 |
Zeichnerische- und Gestaltungsverfahren |
Die Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren werden auch projektive Verfahren[1] genannt. Da der Projektionsbegriff, wie z.B. Hartmann et. al. (1984) und Fisseni (1990) feststellen, theoretisch unscharf und unterschiedlich interpretierbar ist, wird von einigen Autoren (vgl. u.a. Brickenkamp, 1975, Berk, 1992) vorgeschlagen, den Begriff "projektive Verfahren" durch Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren zu ersetzen. Im Gegensatz zu psychometrischen Testverfahren, deren Hauptmerkmal die quantitative Erfassung bestimmter Verhaltensmerkmale ist, gehen die Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren davon aus, „daß sich der Pb in die Deutungen und Gestaltungen, die er bei dem Test vorzunehmen hat, projiziert" (Dorsch, 1987, S. 508). „Das Testmaterial übernimmt dabei die Rolle eines Katalysators, der eine persönlichkeitsspezifische Reaktion provoziert und dem Probanden die Möglichkeit gibt, sich entsprechend der eigenen psychodynamischen Situation zu entfalten" (Rauchfleisch, 1992, S. 85). Der Diagnostiker erschließt dann aus den in die Testvorlagen projizierten Inhalten auf die Eigenschaften, Probleme, Bedürfnisse etc. des Probanden. Die Testantwort wird somit als Ausdruck der jeweiligen psychischen Situation der Testperson interpretiert.
Zu den Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren gehören die Formdeute-Verfahren (z.B. Rorschachtest, FHT, Dia-Z-Test), die verbal-thematischen Verfahren (z.B. TAT, PFT, WET) sowie die zeichnerischen und gestalterischen Verfahren (z.B. Familie in Tieren, Sceno-Test).
Nach Brickenkamp (1975) werden den Gestaltungsverfahren diejenigen Tests zugeordnet, „die den Pb auffordern, mit vorgegebenem Testmaterial bestimmte oder freie Themen darzustellen" (S. 16). Dabei kann das Testmaterial aus den verschiedensten Dingen bestehen. Entscheidend ist, daß keine Leistungs-, „sondern Gestaltungsabsichten im Vordergrund stehen, die dem Individuum persönliche Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen" (Brickenkamp, 1975, S. 16). Bei diesen Verfahren gilt - ebenso wie bei den zeichnerischen Verfahren - der Grundsatz, „daß nicht die Kunstfertigkeit bewertet wird, sondern der Ausdruck: das, was der Proband von sich in die Gestalten hineinprojizieren will" (Fisseni, 1990, S. 232).
Abschließend soll noch auf die Frage der Verwandtschaft der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren zur Psychoanalyse eingegangen werden. Wie Hartmann et. al. (1984) ausführen, ist einerseits aus der Tatsache, daß sich die Psychoanalyse für unbewußte Ausdrucksgehalte von „Assoziationen, (Wahl-)Reaktionen, Auffassungsweisen und - verbalen und nonverbalen - Gestaltungen zentral interessierte" (S. 108), sowie andererseits aus der nahen Verwandtschaft beziehungsweise der engen Verbundenheit der leiblichen Väter[2] dieser Verfahren zweifellos leicht ersichtlich, daß psychoanalytisches Gedankengut „wenn auch in unsystematischer, eklektischer, atheoretischer Weise" (S. 108) - direkt und indirekt - in die Testverfahren einfloß[3].
Bevor ich auf den Sceno-Test von Gerdhild von Staabs - ein bekanntes Gestaltungsverfahren - eingehen werde, möchte ich im nächsten Gliederungspunkt kurz die Problematik der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren, sowie deren Gebrauchswert für die psychodiagnostische Praxis skizzieren.
Wie Rauchfleisch (1992) nachvollziehbar formuliert, stellen sich bei den meisten Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren „vielfältige Probleme im Hinblick auf die Überprüfung der Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität" (S. 86) ein. Verfahren, die diese Gütekriterien nicht erfüllen, können nach Dorsch (1987) „im eigentlichen Sinne nicht als Test bezeichnet werden" (S. 681). Die Objektivität ist aufgrund des Aufforderungscharakters - der Anreiz (Klecks, Bild, Spielmaterial) bleibt mehrdeutig, ist „nicht wohldefiniert" (Fisseni, 1990, S. 223) - sowie mit Blick auf den Auswertungsprozeß, „der nur schwer zu einem intersubjektiven Konsens zu führen ist" (ebd.), ebenso wie die Reliabilität - durch die Schwierigkeit, fehlerhafte und wahre Anteile in den Äußerungen des Probanden zu bestimmen - und die Validität durch „den Interpretationsprozeß, der den Schluß vom Indikator auf das indizierte Merkmal betrifft" (ebd.), eingeschränkt.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, daß die Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren nicht einzelne Aspekte der Persönlichkeit, sondern deren Gesamtheit erfassen wollen. Da sie nach Dorsch (1987) „diesen Anspruch nicht aufrechterhalten können" (S. 508), kommt „Guilford z.B. zu dem Schluß, daß ihre Anwendung auf Bereiche begrenzt bleiben sollte, bei denen es um Persönlichkeitsbeschreibungen im psychoanalyt. Sinne geht" (ebd.).
In einer schriftlichen Umfrage[4] unter ErziehungsberaterInnen konnte ermittelt werden, „daß projektive Verfahren in der klinisch-psychologischen Praxis im Bereich der Erziehungsberatung nach wie vor eine große Rolle spielen" (Schober, 1977, S. 371)[5]. Mit Blick auf die soeben referierten Nachteile dieser Verfahren möchte ich vor diesem Hintergrund den Fokus auf die Vorteile und den Gebrauchswert dieser Verfahren legen.
Nach Rauchfleisch (1992) eignen sich diese Verfahren in erster Linie als Explorationshilfen zur Formulierung psychodynamischer Hypothesen. Fisseni (1990) hält sie in diesem Zusammenhang für äußerst dienliche Verfahren, da der Proband „kaum einschätzen kann, was projektive Verfahren diagnostisch erschließen sollen" (S. 224). In die gleiche Richtung argumentiert Allesch (1991), der den „Einsatz dieser Verfahren als heuristische Methoden befürwortet" (S. 93)[6]. Hartmann et. al. (1984) unterstützen diese Auffassung, machen aber deutlich, daß die so entwickelten Hypothesen durch andere Verfahren zu untermauern sind. Diese Autoren stellen an anderer Stelle noch einmal die sekundären Begleiterscheinungen - wie z.B. das Bewußtsein, daß der Diagnostiker kein bloßer Reaktionsautomat sein darf, daß Individualdiagnostik eine Kunst bleibt, die Erleichterung für den Probanden, Gefühle, Motive und Konflikte auszudrücken, und die Förderung der Empathie des Diagnostikers - bei der Anwendung positiv heraus. Deutlicher können sich zudem nach Fisseni (1990) „auch die Genese oder die situationalen Momente eines Problems abzeichnen" (S. 224), was insbesondere dadurch ermöglicht wird, daß die Probanden genötigt werden, etwas Kreatives zu tun[7].
Bei den gestalterischen Verfahren[8] muß neben ihrer möglichen "Eisbrecherfunktion" im diagnostischen Prozeß insbesondere auf deren "Fähigkeit" positiv hingewiesen werden, daß sie Probanden erlauben, spielerisch das auszudrücken, was diese mit Worten nicht hinlänglich genug verdeutlichen können. Weiterhin können sie, um mit Fisseni (1990) zu sprechen, „eingeschaltet zwischen unterschiedliche Verfahren, Entspannung ermöglichen" (S. 233).
Musiol (1970)[9] hat in diesem Zusammenhang im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit den Versuch unternommen, die Auswertungsobjektivität beim Sceno-Test zu untersuchen. Dabei erhielten unterschiedliche Begutachter, die zudem regional weit voneinander entfernt waren, fertige Sceno-Testaufnahmen nebst Protokoll, ohne daß diese Unterlagen durch zusätzliche Informationen (z.B. Biographie, gesunde oder psychisch auffällige Pbn.) ergänzt wurden. Als Ergebnis der Studie konnte die Autorin feststellen, daß bei den Begutachtern eine Tendenz zur übereinstimmenden Beurteilung vorhanden ist. Eine Beobachtung, die auch Ermert (1994) in einer erst kürzlich veröffentlichten Abhandlung zur Entwicklung und Erprobung eines Beobachtungssystemes zum Sceno-Test machen konnte. Ermert (1994) schreibt dazu, daß man „von einer zufriedenstellenden Zuverlässigkeit beziehungsweise Objektivität im Sinne der Beobachterübereinstimmung ausgehen" (S. 168) kann.
Im folgenden Kapitel werde ich mich mit dem von Gerdhild von Staabs entwickelten Sceno-Test genauer befassen und neben dem geschichtlichen Hintergrund auf die Zusammensetzung des Testmaterials, die symbolischen Bedeutungen sowie die Testauswertung im einzelnen detailliert eingehen.
Der Sceno-Test gehört - wie oben angesprochen - zu den zeichnerischen und gestalterischen Verfahren. Höhn (1964) subsumiert diesen Test unter die Gruppe der spielerischen Gestaltungsverfahren. Die erste Spieltechnik wurde von der Wiener Psychoanalytikerin Melanie Klein (1932, nach Höhn, 1964), einer Schülerin Sigmund Freuds, zur Untersuchung des Kleinkindes geschaffen[10]. In betonter Unabhängigkeit zur Psychoanalyse entwickelte Margaret Lowenfeld im Jahre 1929 (1939, nach Höhn, 1964) ihre Welt-Technik[11]. Dieses Verfahren wurde 1941 von Charlotte Bühler (1955, nach Gutzeit, 1961) zum Welt-Test ausgebaut. Anfang 1938 war es dann die Berliner Nervenärztin Gerdhild von Staabs, die den Sceno-Test als Beitrag zur Erfassung unbewußter Problematik[12] erarbeitete (vgl. von Staabs, 1951). Nach von Poten (1952) findet der Sceno-Test außerhalb Deutschlands in Schweden und Finnland die häufigste Verwendung. Die Nicht-Anwendung in den USA führt von Poten (1952) auf das Spielmaterial zurück, welches der Umgebung des amerikanischen Kindes nicht so gut entspricht.
Die diagnostische Aufgabe des Sceno-Tests ist es, „die mehr oder weniger subjektiv gefärbte Vorgeschichte zu erhellen, also die Tatbestandsdiagnostik zu erweitern, als auch zweitens zu ermitteln, wie der Patient bewußt und unbewußt seine Umgebung erlebt und innerlich zu ihr Stellung nimmt, um dadurch die Persönlichkeitsdiagnostik zu vertiefen" (v. Staabs, 1951, S. 10)[13]. Der Sceno-Test will Hinweise geben, wo im seelischen Bereich die Probleme und Schwierigkeiten zu suchen sind und in welcher Beziehung sie zu den Umweltfaktoren stehen[14]. Daneben soll das Verfahren nach Ansicht seiner Autorin in der Lage sein, „ein Bild der Gesamtstruktur der Versuchsperson" (v. Staabs, 1951, S. 13) zu vermitteln[15]. Dabei weisen von Harnack & Wallis (1954) nochmals eindrücklich darauf hin, daß das Scenoergebnis nur einen Teilaspekt darstellt, der durch weitere Beobachtungen beziehungsweise zusätzliche Tests erhärtet werden muß. Konflikte, die sich im Sceno zeigen, müssen ihrer Meinung nach nicht für eine psychogene Ursache des betreffenden Symptoms stehen.
Von Staabs (1951) Anliegen war es, dem Probanden mit Hilfe von Spielmaterial die Möglichkeit zu geben, Äußerungshemmungen am Spiel der häuslichen Umgebung zu überwinden und sich zudem vom eigenen Erleben stärker distanzieren zu können, damit „die innerseelischen Schwierigkeiten frei Gestalt gewinnen" (S. 15) können[16]. Den Hintergrund bildete dabei die Vorstellung, daß möglichst unmittelbar Unbewußtes des Probanden zur Darstellung gelangt. Über die stets gleiche Zusammensetzung des Spielmaterials[17] sei nach Meinung der Testautorin zudem ein Vergleich der Untersuchungsergebnisse möglich.
Neben der Anwendung des Sceno-Testes im Rahmen der psychologischen Diagnostik sieht von Staabs (1951) seine Einsatzmöglichkeit auch in der Einzel- und Gruppentherapie, sowie als kombiniertes Verfahren mit autogenem Training. Ebenso besteht nach von Staabs (1951) die Möglichkeit, dem Probanden ein bestimmtes Thema für die Szenendarstellung vorzugeben. Weitere Anwendungsmöglichkeiten bieten sich durch die Verknüpfung mit an Rollenspiel und Psychodrama orientierten Techniken zum Beispiel im Schul-Sceno Rollenspiel (vgl. Moosmann, 1978) oder dem Sceno-Drama (vgl. Zierl, 1959). Dold (1989) benutzt den Sceno-Test zudem im Rahmen familientherapeutischer Behandlungen. Dabei wird die Scenofamiliendarstellung „wie zu einer Handlungsanleitung, zu einem psychodramatischen Textbuch, anhand dessen die Familie ihr Drama zur Aufführung bringt" (Dold, 1989, S. 9).
Der Sceno-Test hat nach von Staabs (1955) gezeigt, „daß er vom dritten oder vierten Lebensjahr ab bis hinauf in höchstes Erwachsenenalter verwendbar ist" (S. 689). Als Spielfläche dient die Deckelkasteninnenseite, die bei neueren Ausführungen mit einer Metallplatte beschichtet ist, auf der die Puppenfiguren aufgrund aufgeklebter Magnetfüße problemloser drapiert werden können. Die Innenfläche wird mit ihrer Breitseite vor den Probanden gelegt, während die das Testmaterial bereithaltende Unterseite mit der schmalen Seite, auf der sich die Puppenfiguren befinden, rechts vom Probanden abgestellt wird.
Bei kleinen Kindern genügt nach von Staabs (1951) meist der Hinweis, auf der Spielfläche irgendetwas mit dem vorhandenen Material zu bauen. Schulkinder und Jugendliche werden dagegen aufgefordert, „wie ein Regisseur die Puppenfiguren auf einer Bühne in einer Art Scene - daher der Name Sceno-Test - unter Zuhilfenahme des Zusatzmaterials miteinander in Beziehung zu setzen" (S. 20). Die Probanden werden sodann noch darauf hingewiesen, von sich aus anzugeben, wann sie den Aufbau beendet haben. Während der Testdurchführung sollte sich der Untersucher jeglicher „Stellungnahmen und Suggestivfragen enthalten und auf keinen Fall ins Spielgeschehen eingreifen" (Brickenkamp, 1975, S. 557)[18]. Im Anschluß daran wird der Proband aufgefordert zu schildern, was er dargestellt hat. Nach Knehr (1961) ist dies einer der wichtigsten Bestandteile der Untersuchung, die regelmäßig folgende Fragen[19] enthalten sollte :
1. Wer hat es am besten ?
2. Wer hat es am schlechtesten ?
3. Welche Rolle (Mensch oder Tier) würdest Du übernehmen, wenn die Szene von lebenden Wesen in natürlicher Größe aufgeführt würde und man Dich zum Mitspielen aufgefordert hätte ?
Nach Untersuchungsende wird die Szene skizziert oder fotographiert und kurz protokolliert.
Von Staabs (1951) schreibt, daß der Versuchsleiter schon während der Durchführung sein Augenmerk darauf richten sollte,
ob sich die Vp. mehr mit Puppenfiguren, den Bausteinen oder dem übrigen Zusatzmaterial beschäftigt, ob sie nur Bausteine oder auch das übrige Material, insbesondere die Figuren, in das Spiel einbezieht, welche Puppen sie dann auswählt und wieder weglegt, wie sie sie zögernd oder entschlossen ergreift, wie sie sie anfaßt, betrachtet, zaghaft oder energisch biegt und hinstellt. Im weiteren Verlauf ist es aufschlußreich, welche Rollen die Vp. den einzelnen Puppenfiguren zuerteilt, welche Eigenschaften und Namen sie ihnen beilegt, wie sie sie im Spiel und Gegenspiel handeln läßt und in Beziehung zueinander setzt (S. 22).
Zudem sind Haltung und Gebärde der Puppenfiguren wichtig und auch die Art und Weise ihrer Charakterisierung durch die Beziehung zu anderen Figuren beziehungsweise des Zusatzmaterials. Weiteren Aufschluß geben darüberhinaus die eigenen Erläuterungen der Vp. zur Spielhandlung sowie insbesondere zu der von ihnen gewählten Identifikationsfigur[20]. Fragen zu Einzelheiten der dargestellten Szene - insbesondere daraufhin erfolgende Abänderungen - , die Art und Weise, wie sich das Kind mit den verschiedenen Puppen unterhält oder die Puppen zueinander sprechen läßt, und die Aufforderung, den einzelnen Figuren Namen beilegen zu lassen[21], können weitere Aufschlüsse über den Aufbau geben.
Seit der Testveröffentlichung entwickelten sich zwei theoretische Ansätze zur Interpretation dieses Verfahrens. Altmann-Herz (1990) unterscheidet dabei den Ansatz des szenischen Verstehens sowie den mechanistisch-analytischen Ansatz.
1. Zimmermann (1976) entwickelte den Ansatz des szenischen Verstehens[22], der davon ausgeht, daß jeder Ausdruck vieldeutig und verzerrt ist und daß weder analoge noch symbolische Bedeutungen feste Zuordnungen erlauben. Der in den einzelnen Szenen niedergeschlagene Bedeutungsgehalt kann somit nur unter Berücksichtigung der anamnestischen Situation und der Übertragungssituation individuell erschlossen werden. Die unbewußte Bedeutung einer bestimmten Figurenkombination und damit die jeder Einzelelemente kann nur dann verbindlich ermittelt werden, „wenn der Übertragungsgehalt der aktuellen Szene sichtbar geworden ist sowie der Bezug eines Scenoaufbaues zu ihr, wodurch dieser erst einer ausweisbaren Interpretation hinsichtlich seiner unbewußten Inhalte zugänglich wird" (Zimmermann, 1976, S. 179). Schon Gutzeit (1961) stellte fest, daß „die Auswertung des ScT mehr oder weniger ein intuitiv subjektives Erfassen durch den Vl " (S. 91) bedarf, der „das Projizierte selbst auf sich wirken läßt" (ebd.).
2. Der mechanistisch-analytische Ansatz[23] geht dagegen von der Annahme aus, daß die angenommene symbolische Bedeutung der einzelnen Spielelemente nicht nur zu deren Auswahl führte, sondern auch deren Interpretation bestimmt. Mit anderen Worten kommt es nach Krolewski (1984) „bei sich mit gleicher Symptomatik äußernden neurotischen Störungen zu einer Häufung gewisser Szenenmerkmale (formale Gestaltung) und -inhalte" (S. 12), die sich mit Hilfe statistischer Prüfverfahren „als statistisch signifikant typische Abweichungen darstellen lassen und Ausdruck eines dahinter verborgenen spezifischen psychodynamischen Konfliktmusters sind" (ebd.).
Die vorliegende Arbeit ist dem zuletzt vorgestellten Interpretationsansatz verpflichtet[24]. Einzelheiten zur Auswertung der Sceno-Testbefunde werde ich unter Pkt. 6.4 näher erläutern. Unter den beiden nächsten Gliederungspunkten werde ich auf Alters- und Geschlechtsunterschiede in den Sceno-Testgestaltungen eingehen, um somit nicht-interpretierbare überindividuelle Verhaltensweisen (vgl. von Harnack & Wallis, 1954) herauszuarbeiten.
Nach Ansicht von Höhn (1964) sind die Altersnormen im Sceno-Test am besten untersucht. Aufgrund ihrer Erkenntnis, daß die tiefenpsychologische Diagnostik die Berücksichtigung des Allgemeinen und Typischen vernachlässigt und auch dort noch den symbolischen Ausdruck individueller seelischer Inhalte sieht, „wo in Wahrheit normale überindividuelle Verhaltensweisen eines Typus, einer Alters- oder sonstigen Gruppe vorliegen", war sie die Erste, die sich mit der Aufstellung von Altersgruppen im Sceno-Test befaßte. Neben Höhn (1951) waren es insbesondere Jaide (1953, 1956) und Wunderlich (1958), die sich direkt mit der Erstellung von Altersnormen beschäftigten, während sich bei einer nicht geringen Anzahl weiterer Autoren wie Engels (1957), Kächele-Seegers (1969), Melamed-Hoppe (1969), Kühnen (1973) und von Salis (1975) entsprechende Hinweise darauf im Zusammenhang mit dem jeweiligen Schwerpunktthema finden. Auch von Staabs (1951) erkannte bereits, daß sich „typische Verhaltensweisen und spezifische Eigentümlichkeiten einzelner Entwicklungsstufen im Umgang mit dem Sceno-Testmaterial zeigen" (S. 34)[25].
In der folgenden Tabelle werde ich eine kurzen Überblick der Ergebnisse aus den Untersuchungen von Höhn (1951)[26], Jaide (1953[27], 1956[28]) und Wunderlich (1958)[29] geben.
|
Altersgruppe |
Höhn (1951) |
Jaide (1953) |
Wunderlich (1958) |
|
Die 3 - 5
jährigen (Höhn, 1951) Die 4 - 5
jährigen (Wunderlich, 1958) |
- Vorgehen fehlt jeder Plan und Stetigkeit; - reine Funktionslust - Verwendung von Bauklötzen ist typisch - eindimensionales Bauen der Kleinen - Reihen von Material gegen Ende der Phase - kaum inhaltliche Deutung bei den 3 - 4 jährigen
möglich |
|
- deutlich erkennbares Ordnungsprinzip in Form einfacher
Gestaltungen (z.B. Reihungen) - Beziehungsfiguren werden erkannt, bewertet,
benannt, unterschieden und in Beziehung zueinander gesetzt - emotionale Einstellung bestimmt erlebten Werthorizont |
|
Die 6 - 8
jährigen (Höhn, 1951 & Jaide, 1953) Die 6 - 9
jährigen (Wunderlich, 1958) |
- Reihungstendenz bildet Anfang jeder Spieltätigkeit - Puppen werden noch nicht abgebogen; keine Gesten - wilden Tieren wird meist hinterer Teil zugeordnet,
der deutlich zum vorderen abgegrenzt wird - noch keine geplante Gestaltung - Material wird jedoch zu kleinen Szenen kombiniert - Beziehungen werden oft erst nachträglich hergestellt - es stört das Kind nicht, zwei völlig heterogene
Szenen nebeneinander zu bauen |
- eher assoziativer Gestaltungstypus - Verwendung von mehr Material - Überschreitung der Spielfläche - geringere Gestaltung - Ansätze zu einer primitiven Spielhandlung mit
motorisch-funktionellem Spiel - häufigere Verwendung von Schneemann, Zwerg, Engel - geringere Nennung von Identifikationsfiguren |
- Wirkcharakter des Materials ist zwar noch dominierend,
es wird aber rational angegangen und individuell bewußt bewältigt |
|
Die 9 - 11
jährigen (Höhn, 1951) Die 8 - 10
jährigen (Jaide, 1953) Die über
10 jährigen (Wunderlich, 1958) |
- bewußte Gestaltung - fließender Übergang von Wildnis zur Realität - Puppen werden abgebogen - Fülle der Szene - Hausbauten: mit Fenstern und Türen ohne Dach |
- planvollere Gestaltung - Beachtung von Ausrichtung und Gestik der Puppen - Abnahme von Material |
- Bauen steht unter einem Oberbegriff und wird
planend, reflektierend vollzogen - das denkende, freitätig entscheidende Ich abstrahiert
sich vom Wirkcharakter der Objekte |
|
Altersgruppe |
Höhn (1951) |
Jaide (1953) |
Wunderlich (1958) |
|
Die 12 -
15 jährigen (Höhn, 1951); Die 13 -
16 jährigen (Jaide, 1956) |
- reservierte/ ablehnende Haltung - planvolle Gestaltung - leerer wirkende Szenen - oft wird das Wesentliche nur stilisierend
angedeutet - Nebeneinander von Einzelszenen hört auf |
- puberale Distanzierung - vernünftige Einsatzbereitschaft (planvoll, achtsam,
sinnvolle Gliederung) - seltenere Benutzung von Märchenfiguren,
Kinderspielzeug, Klo und Fell |
- s.h. die "über 10-jährigen" |
Neben diesen Autoren stellt Lüpnitz (1956)[30] fest, daß die 6-jährigen Kinder „die Ausdrucksmöglichkeiten, welche das Scenomaterial in sich birgt, nicht ausschöpfen" (S. 87). Bei den 8-jährigen ist dagegen eine differenziertere Haltung, d.h. ein zielbewußtes Lösen von Aufgaben unter Einschaltung von Aufmerksamkeit und willentlicher Steuerung zu beobachten. Melamed-Hoppe (1969), die die Schlüsselsituationen im Sceno-Test untersuchte, fand den höchsten Prozentsatz in der Altersgruppe der 9 - 11-jährigen. Kächele-Seegers (1969) ermittelte in ihrer Dissertation über Vulgärlösungen im Sceno-Test, „daß die 2 - 5-jährigen signifikant weniger VL[31] pro Spiel benutzten als die höheren Altersgruppen" (S. 83). Der höchste - jedoch nicht signifikante - Wert ergab sich in der Altersgruppe der 6 - 8-jährigen. Den - wiederum nicht signifikanten - Rückgang in der Altersgruppe der 12 - 15-jährigen bewertete Kächele-Seegers (1969) jedoch als interpretierbare Schwankung aufgrund von stärker stilisierenden Tendenzen und der Beobachtung, daß das Streben nach Wirklichkeitstreue aufgegeben wird. Die Untersuchung des Formalen im Sceno-Test durch Kühnen (1973) ergab bezogen auf typische Gestaltungen bestimmter Altersgruppen die in der folgenden Tabelle dargestellten Ergebnisse.
|
Die 3 - 5
jährigen (signif.[32] Unterschiede zur 2. Altersgruppe) |
- "formloses Spiel" häufiger (1 %) - "subjektnahes Spiel" häufiger (1 %) - "gesamte Spielfläche" in Kombination mit
formlosen Spiel häufiger (1,5 %) - "Rahmensprengung" häufiger (5 %)[33] |
|
Die 6 - 8
jährigen (signif. Unterschiede im Vgl zur 3. & 4.
Altersgruppe ) |
- "formloses Spiel"
häufiger (1 %) - "Rahmensprengung"
häufiger ( 1 %) - "gesamte
Spielfläche" häufiger (3 %) |
|
(signif. Unterschiede im Vgl. zur 1. & 2. Altersgruppe) |
- "Umgrenzungen" häufiger (1 %) - "Reihungen" seltener (keine Angabe)
zugunsten von "peripher" / "zentral" |
|
Die 9 - 11
jährigen[34] (signif. Unterschiede im Vgl. zur 1. & 2.
Altersgruppe) |
- "Eckenbetonung" häufiger ( unter 1 %) - "zentral" häufiger (1, 5 %) - "Insel" / "Gruppe" häufiger (1
%) |
|
Die 12 -
17 jährigen |
- kaum Unterschiede zur 3. Altersgruppe (9 - 11
jährige)[35] |
Bei folgenden Spielmerkmalen läßt sich eine absteigende Häufigkeit von der 1. Altersgruppe (3 - 5 Jahre) bis zur 4. Altersgruppe (12 - 17 Jahre) feststellen : "subjektnah", "gesamte Spielfläche", "Rahmensprengung", "Reihungen", "formloses Spiel" und "horizontale Spieltendenz". Einen umgekehrten Verlauf nehmen die Spielmerkmale "diagonal", "Flächenaufteilung", "rechts-links Betonung", "zentral", "Insel" / Gruppe" und "Ecken".
Von Salis (1975) kam bei seiner formalen Analyse des Sceno-Test-Schlußbildes zu folgenden Ergebnissen hinsichtlich des altersspezifischen Spielverhaltens im Sceno-Test :
|
1. |
Die Anzahl der verwendeten Gegenstände war bei den
Jüngeren höher als bei den Älteren. |
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2. |
Die 4 - 11 jährigen benutzten häufiger als erwartet Puppen
- umgekehrt verhält es sich bei den 12 - 18 jährigen; die 9 - 11 jährigen
benutzen relativ häufig keine Puppen, die 12 - 14 jährigen relativ selten
gar keine Puppen |
|
3. |
Das Spielmerkmal "Zentrierung" kommt mit
zunehmendem Alter häufiger vor |
|
4. |
Das Spielmerkmal "Randbetonung" kommt bei
über 11- jährigen nicht vor |
|
5. |
Das Spielmerkmal "Tiere / Puppen erhöht
plaziert" kommt in den unteren Jahrgängen häufiger vor |
Wie Altmann-Herz (1990) feststellt, liegen zu diesem Thema wenig verwertbare Ergebnisse vor. Außerdem, und da stimme ich mit der vorgenannten Autorin überein, „sind solche Unterschiede weit mehr sozialisations- und damit kontextabhängig und gesellschaftlichen Entwicklungen unterworfen als z.B. Altersunterschiede" (Altmann-Herz, 1990, S.38), so daß eine Interpretation diesbezüglicher Unterschiede nur mit entsprechender Zurückhaltung vorgenommen werden sollte. In der folgenden Tabelle gebe ich dennoch kurz einen Überblick über die von verschiedenen Autoren gewonnenen Ergebnisse.
|
Autoren |
Mädchen |
Jungen |
|
1. Höhn (1951) - 52 K. & 47 M. |
- 9 - 11 j. verwenden mehr Puppen |
- 9 - 11 j. verwenden mehr Tiere / Fahrzeuge |
|
2. Jaide (1953) - 22 K. & 26
M. |
- 6 - 8 j. haben häufiger die Spielfläche expansiv
überfüllt oder überschritten; oft einfachere Klötzebauten; Affe, Fell, Klo
und Litfaßsäule dominieren - geschickter im Umgang mit Puppen |
- 6 - 8 j. lassen öfter die Fläche leer; Puppen
werden häufig nicht benutzt |
|
3. Jaide (1956) - 23 K. & 17
M. |
- Tendenz zur selektiven sparsamen Verwendung setzt
sich weiter durch - häufiger Zusatzmaterial |
- Quantität variiert stärker - mehr Fahrzeuge und Tiere - bauen häufiger Teilszenen, die nichts miteinander
zu tun haben |
|
4. Melamed-Hoppe (1969) - 700 K. & 406 M.spiele |
- 30,82 % Schlüsselsituationen[36] |
- 18,4 % Schlüsselsituationen36 |
|
5. Engels (1957) - 18 K. & 18 M. |
- mehr phantastische Motivverarbeitung - weniger Gestaltungskraft und Geschick, etwas
Einheitliches zu bauen |
- Bevorzugung von Gegenständen der Technik |
|
6. Kächele-Seegers (1969) - 657 K. & 380 M. spiele[37] |
- durchschnittlich 4,35 VL pro Spiel[38] - VL 1 - 8 und 10 - 13 werden signifikant
(durchschnittl. 1 %) häufiger gespielt |
- durchschnittlich 3,55 VL pro Spiel38 - VL 16 - 18 und 21, 22 werden signifikant (1 %)
häufiger gespielt |
|
7. Kühnen (1973) - 701 K. & 431 M.spiele |
- "subjektnahes Spiel" bei den 12 - 17 j.
signifikant (1,5 %) häufiger - "Insel" / "Gruppe" bei den 9 -
11 j & 12 - 17 j. signifikant (1 %) häufiger |
- "vertikale Spieltendenz" signifikant ( 1 %) häufiger - "subjektnahes Spiel" signifikant (1 %) häufiger |
|
Autoren |
Mädchen |
Jungen |
|
8. von Salis (1975) - 87 K. & 39 M. |
- bei 4 - 8 j. signifikant seltener keine Puppen
(0,5 %) |
- bei 4 - 8 j. signifikant relativ häufig keine
Puppen (0,5 %) - signifikant häufiger vertikales Auftürmen (2,5 %) - signifikant häufigere Betonung des linken unteren
Quadranten (5 %) |
Engels (1957) hat in ihrer Untersuchung von 36 Sceno-Testspielen den Versuch unternommen, die gesamte Persönlichkeit zu ermitteln. Dabei konnte sie insgesamt vier typische Verhaltensweisen phänomenologisch voneinander unterscheiden. Bei ihrem Versuch, „die diesen Verhaltensweisen zugrunde liegende Struktur zu erhellen" (S. 52), konnte sie die ersten drei Charakterisierungen bestätigen, während die Gruppe des gehemmten Verhaltens aufgrund ihrer starken Hemmung „nur eine unsichere Diagnose auf die der gehemmten Verhaltensweise zugrunde liegende Grundstruktur möglich machte" (S. 78).
In der folgenden Tabelle habe ich die Charakteristika der von Engels (1957) beschriebenen vier Typen gegenübergestellt.
|
Typ |
Äußeres
Gebaren |
Einstellung
zum Spiel |
Verlauf
des Spiels |
|
sachlich - planend (antriebsstark vs. nüchtern[39]) |
- beherrschte Gesamtmotorik - Ausrichtung auf ein Ziel - Gesichtsausdruck ist gesammelt und konzentriert - Auftreten beweist selbständige Sicherheit - wenig suggestibel |
- Aufgabenlösung um ihrer selbst willen - Spiel wird als Werk oder Aufgabe aufgefaßt - inhaltlicher Sinnzusammenhang der Szenen - Aufmerksamkeit springt nicht von Objekt zu Objekt - Spiel und Außenwelt gegenüber halten sie eine
gewisse Distanz - Mitweltkontakt steht während des Spiels im
Hintergrund |
- erst nach längerem oder kürzerem Planen wird das
Spiel begonnen |
|
triebhaft-umtriebig |
- persönliches Tempo ist rasch und umtriebsam - sie sind ständig in impulsiver Bewegung - Greifbewegungen sind massiv und stabil, aber geschickt - starke Ausbreitungstendenz über den Rahmen hinaus - große Selbstsicherheit |
- extravertiert / spielabgewandt - das Kind bleibt nach außen orientiert - Aufgabenlösung um der Mitwelt willen - es besteht ein ständiges Austauschbedürfnis mit
der Umwelt - Zielerreichung erst nach Verarbeitung
vielfältiger anderer Eindrücke - ihr Subjekt steht im Mittelpunkt des Geschehens |
- sie setzen sich zwar ein Ziel, verfolgen es aber
weder direkt, noch verlieren sie sich in Teilziele - Beschäftigungsdauer ist an Materialanreiz gebunden |
|
spielerisch |
- die motorischen Bewegungen fließen aus dem
natürlichen Bewegungsdrang - Ruhe und Ausgeglichenheit unterbinden jedes
affektiv gespannte Benehmen |
- Beschäftigung mit dem Material steht ganz im Vordergrund - sie verlieren sich im Spielgeschehen - Genuß an einzelnen Dingen - Bevorzugung von Puppen - keine Festlegung durch einen Plan |
- Spiel ohne bestimmtes Ende - Teilziele werden erkannt und ausgeführt, aber
über einem neuen wieder vergessen - Zielvorstellung bleibt wandel- und formbar |
|
Typ |
Äußeres
Gebaren |
Einstellung
zum Spiel |
Verlauf
des Spiels |
|
gehemmt |
- alles scheint nach außen hin unausgebildet - wagen keine großzügig-sichere Bewegung - Aneignungstrieb ist nicht in normaler Stärke
ausgebildet - unglücklicher Gesichtsausdruck verstärkt sich zum
Schluß der Sitzung - Frage, ob es mit Bauen fertig sei, wirkt stark
suggestibel |
- starke Hemmung verhindert jeden warmen Kontakt mit
dem Material - ratloser Gesichtsausdruck - sie wirken, als wüßten sie nicht, was sie tun
sollen - aus eigener Kraft findet das Kind nicht den Weg
nach außen (es hängt unglücklich zwischen Spiel und Mitwelt) - Angst vor Fehlern und Tadel |
- Spielverlauf schleppt sich ohne Einfälle dahin - wissen nicht, mit was sie beginnen sollen - Betätigung erschöpft sich in probierendem
Hantieren, ziellosen Anfassen und Herausnehmen ohne anschließende
Gestaltung |
In der Schlußbetrachtung der Ausführungen von Engels (1957) schließe ich mich der Meinung von Gutzeit (1961) an, die in der kritischen Auseinandersetzung dieser Arbeit zu dem Schluß kommt, daß es fraglich ist, „ob zur Objektivierung eine Typisierung helfen wird. Erstens bleibt das Erfassen oder Feststellen eines solchen Typus dem VL und seiner subjektiven Meinung überlassen, und zweitens entsteht die Frage, ob damit nicht anstatt einer individuellen Differentialdiagnose nur eine schematische Klassifizierung geschieht" (S. 91).
Von Staabs (1953) wählte das Material ihres Sceno-Tests inhaltlich so aus, daß die Probanden animiert werden, „ihre affektiven Bezüge insbesondere zu den Menschen, aber auch zu den Dingen in der Welt darzustellen und sich im Rahmen einer Miniaturwelt damit auseinanderzusetzen" (S. 182). Den Kern des Spielmaterials, welches in einem tragbaren Kasten mit abnehmbaren Deckel, dessen Inneneinsatz ( 52 × 36 cm) zugleich als Spielfläche dient, untergebracht ist, bilden die 8 bis 15 cm großen, biegsamen Puppenfiguren[40].
Jeweils drei männliche Erwachsenenfiguren (Mann im Hausanzug, - im Straßenanzug, Arzt) und drei weibliche Erwachsenenfiguren (Frau im Hauskleid, - im Straßenkleid, - in Arbeitskleidung) werden durch eine typische Großvater-/ beziehungsweise Großmutterfigur ergänzt. Allerdings besteht bei keiner der beschriebenen Figuren eine unveränderliche, feste Zuordnung.
So kann beispielsweise die Großvaterfigur auch als Rektor, Priester, Lehrer etc. auftreten und so die von Knehr (1961) gemachte Beobachtung untermauern, daß diese Figur „als Autoritätsperson schlechthin verwendet wird" (S. 39). Die Großmutterfigur kann in entsprechenden Szenen nicht nur als die Familienangehörige auftreten, sondern das Bild der "magna mater" in seiner symbolischen Bedeutung verkörpern, im guten und im bösen Sinne. Die überhöhte Stellung, die sie in mehreren Szenen einnimmt, deutet nach Knehr (1961) „zusätzlich auf ihre beherrschende Stellung als Mutter-Imago hin" (S. 38). Die Arztfigur[41] kann in verschiedenen Aufbauten auch als Rennfahrer, Bäcker, Friseur oder als Therapeut verwendet werden. Am häufigsten aber wird sie nach Meinung von Knehr (1961) in ihrer ursprünglichen Bedeutung verwendet, als Arzt, „der bei Krankheit oder Unglücksfällen geholt wird" (S. 41). Es kommt ihm „nicht nur die Rolle des Helfers bei körperlichen Schäden zu, sondern die des Retters überhaupt, von dem auch Beistand in bezug auf den seelischen Konflikt erwartet wird" (Knehr, 1961, S 41). Von Staabs (1951) führt aus, daß die unterschiedliche Kleidung beider Mutterfiguren[42] die Wesensart dieser Figuren charakterisieren können, so wie sie vom Probanden erlebt wird. Die Frau in Arbeitskleidung kann als Hausangestellte ebenso auftreten wie als Kassiererin, Verkäuferin, etc.
Im Spielmaterial befinden sich weierhin eine Reihe von Kinderfiguren. Dazu gehören jeweils ein männliches und weibliches Schul- und Vorschulkind sowie ein Zwillingspärchen[43]. Ergänzt werden sie durch das Baby im Steckkissen und die Prinzessin im langen Festkleid.
Nach Knehr (1961) ist das Baby im Steckkissen meist Objekt zärtlicher Fürsorge, „es stellt das Hilflose, das zu Bemutternde, aber auch das von allen Geliebte und alles noch Versprechende schlechthin dar" (S. 40). In diesem Zusammenhang hat es nach Knehr (1961) eine noch allgemeinere Bedeutung als in Fällen „von Geschwisterrivalität, in denen es abseits, außerhalb des Aufbaus abgelegt oder gar in den Rachen des Krokodils gesteckt, der Vernichtung preisgegeben ist" (S. 40). Von Staabs (1951) hat die Prinzessinenfigur bewußt für das Material ausgewählt, damit dieser „eine besondere Rolle zuerteilt werden kann" (S. 17). Dies wird besonders deutlich in ihrer Verwendung als Königin, Geburtstagskind, Braut oder Tänzerin, die damit als die Gefeierte, Begehrte im Mittelpunkt der Bewunderung steht. Die Verwendung als Identifikationsfigur kann nach Knehr (1961) wichtige Aufschlüsse geben, da sie der Ansicht ist, daß die Egozentrischen und die in der Realität Zurückgesetzten diese Wahl gehäuft treffen.
Zu dieser Gruppe gehören der Schneemann, der nach von Staabs (1951) sowohl Winterfreuden als auch kühle Atmosphäre ausdrücken kann. „Geht die Kälte von einer bestimmten Person aus, wird der Schneemann häufig zu ihr in Beziehung gesetzt" (v. Staabs, 1951, S. 18). Der Zwerg kann als guter oder böser Heinzelmann gespielt werden, der Engel den Schutzengel oder die moralische Instanz verkörpern.
Das Krokodil mit seinem weit geöffneten Rachen, der zischende und bösartige Ganter mit seinem weit vorgestreckten Hals sowie der listig schleichende Fuchs sind nach von Staabs (1951) Symbole für Aggressionen. Nach Meinung von Knehr (1961)[44] bringt dabei der Fuchs eher das Heimliche eines Vorgehens zum Ausdruck, er kann aber auch für die Suche nach verborgenem Lustgewinn stehen. Die genannten Tiere können weiterhin eigene feindliche Haltungen der Welt gegenüber ausdrücken, verharmlost oder ungefährlich gespielt werden. Knehr (1961) ergänzt diese Ausführungen, in dem sie den aggressiven Charakter der Tiere auch als erlebte Bedrohung auffaßt.
Die Haustiere (Kuh, Huhn mit Kücken, Schwein mit Ferkel, Ganter) sind nach Knehr (1961) am häufigsten als die Gefütterten zu sehen. „Wird dieser Vorgang besonders betont durch Häufung entsprechender Einzelszenen oder durch die Anordnung der Gruppe im Zentrum des Bildes, dann ist zu vermuten, daß besondere Bedürfnisse im oralen Bereich vorliegen" (Knehr, 1961, S. 42). Die Kuh, die sich allein durch ihre Größe, ihre Beweglichkeit sowie der äußerlichen Attraktivität deutlich von den anderen Tieren abhebt, „verkörpert wie ein allmächtiges Mutterimago spendende Fülle, aber auch bedrückende Macht" (v. Staabs, 1951, S. 18). Nach Knehr (1961) ist es besonders aufschlußreich, wenn die vom Probanden gewählte Identifikationsfigur der Kuh gegenübergestellt wird, „weil uns dann ein Spiegelbild des unbewußten Mutter-Kind-Verhältnisses vor Augen steht" (S. 43).
Während von Staabs (1951) den Vogel nicht ausdrücklich erwähnt, findet sich bei Knehr (1961) der Hinweis, daß er durch seinen aufgesperrten Schnabel gern von Kindern an auffallender Stelle postiert wird, um die Tendenz des Verlangens zum Ausdruck zu bringen. Nach Knehr (1961) betrachten Kinder den Storch sehr lange, bevor sie ihn im Hintergrund an einer Stelle plazieren, wo ihm keine nachvollziehbare Rolle zufällt. Ihrer Ansicht nach deutet er darauf hin, „daß im Bereich der Aufklärung Fragen offen geblieben sind" (S. 42). Der Hund[45] deutet - bestimmten Personen zugeordnet - Zuwendung, Liebebedürfnis und Zärtlichkeitstendenzen an. Knehr (1961) sieht ihn ebenfalls in der Rolle als Kamerad isolierter Kinder oder „als Vertreter des Animalischen schlechthin" (S. 42). Der Affe tritt Beobachtungen Knehrs (1961) zufolge unter drei Aspekten - als Identifikationsfigur motorisch eingeschränkter Kinder, als Vertreter der Triebwelt oder als Teufelsersatz / Verführer - im Scenotestspiel auf.
Zu dieser Gruppe des Spielmaterials gehören je zwei Äpfel, Birnen und Bananen, zwei eckige Beete sowie ein ovales Beet, je drei große und kleine Blumen, ein Obstbaum, zwei Tannenbäume und je ein schlanker beziehungsweise großer Laubbaum. Für von Staabs (1951) stehen insbesondere die Blumen, Bäume und Beete „als Sinnbild der Fruchtbarkeit, als mütterlicher Urgrund der Geborgenheit im Wald oder als Sehnsucht nach Besinnlichkeit, Zärtlichkeit und Innigkeit im Idyll, aber auch als Flucht vor der Wirklichkeit" (S. 19). Knehr (1961) will aus der Ansprechbarkeit des Probanden diesem Material gegenüber etwas über das Gemüt des Betroffenen aussagen können, zumal sie in den Aufbauten erheblich gesperrter Kinder beobachten konnte, daß dieser Teil des Materials oft völlig fehlt. Die vorhandenen Früchte des Spielmaterials können orale Tendenzen verkörpern, wenn sie auf gedeckten Tischen stehen oder in Schalen drapiert werden (vgl. Krolewski, 1984).
Während Knehr (1961) die zum Scenomaterial gehörenden Autos nicht getrennt behandelt und eine bevorzugte Verwendung bei motorisch lebhaften Kindern verzeichnen konnte, differenziert von Staabs (1951) noch zwischen dem Stadtauto[46] - als Ausdruck von Passivität und gefahren werden wollen - und dem Rennauto - zur Betonung des Aktiven, Propulsiven. Im Zusammenstoß können sich „Aggressionen im allgemeinen, im besonderen, aber auch gewalttätig wirkendes Triebleben symbolisch darstellen" (von Staabs, 1951, S. 19). Knehr (1961) machte in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß die Ungesteuerten ihnen gerne die Funktion des Zerstörens[47] übertrugen. Bei der Eisenbahn, auf die von Staabs (1951) nicht im einzelnen eingeht, kann sich der Wunsch, sich „aus einer bedrückenden häuslichen Umgebung zu entfernen und gleichzeitig in eine geborgene Atmosphäre aufgenommen zu werden" (S. 44), dadurch zeigen, wenn ein Puppenkind in der Szene beispielsweise mit der Eisenbahn verreist. Zudem gehe hieraus hervor, „daß die Vp. passiv zu ihren Zielen getragen werden möchte, wenn auch schnell oder gar propulsiv" (von Staabs, 1951, S. 44).
In der Verwendung des Töpfchens sowie des Puppenklos kann sich die anale Problematik ausdrücken. Nach von Staabs (1951) sind aus dem Spielgeschehen und der Handhabung des Materials Rückschlüsse auf die Art und Weise, wie das Kind die Reinlichkeitserziehung erlebt hat „und welche Haltungen sich daraus zu entwickeln vermochten" (S. 19), möglich. Der Waschbottich bringt nach von Staabs (1951) häufig Reinlichkeitstendenzen zum Ausdruck. Ähnliches beobachtete auch Knehr (1961), die gespielte Waschszenen häufig bei den Kindern entdecken konnte, „bei denen die Tendenz zur symbolischen Reinigung durch ein strenges Über-Ich und die von ihm hervorgerufenen Schuldgefühle verursacht worden war" (S. 47). Daneben sieht man den Waschbottich noch in der Funktion als Futtertrog.
In den Armstuhl mögen nach von Staabs (1951) „Personen plaziert werden, denen gegenüber gebührende Achtung bezeigt werden soll. Es kann damit aber auch Geltungsstreben angedeutet werden" (S. 18). Durch die Verwendung des Liegestuhls kann Passivität noch zusätzlich unterstrichen werden. Das weiche Fell kann - bestimmten Personen zugeordnet - Zärtlichkeitstendenzen, Liebebedürfnis oder Zuwendung ausdrücken.
Der Teppichklopfer findet in adäquater oder in aggressiver Form im Scenospiel Verwendung. Als Schatz[48], Dachfenster, Kristallschale, Lagerfeuer oder besondere Kräfte ausstrahlende Lichtquelle wird der Karfunkelstein im Scenospiel beobachtet. Die Gebrauchsgegenstände wie die vier Becher, die Kanne sowie die Schüssel - ggf. unter zusätzlicher Verwendung der Decke - zeigen in ihrer Verwendung als Eßgeschirr unter Umständen orale Tendenzen an. Das Tablett ist nach von Staabs (1951) als Schale oder Tischplatte, aber auch als Verkehrsinsel einsetzbar.
Die Schultafel in einer bevorzugten Verwendung im Mittelpunkt der Szene kann ein Hinweis auf die große Belastung durch Schulprobleme sein.
Zum weiteren Material, auf das im einzelnen nicht näher eingegangen wird, gehören noch die Nuckelflasche , die Litfaßsäule sowie der Melkeimer.
Zum Inventar der Bausteine gehören Achtelquader, eckige kleine Säulen, ganze Quader, halbe Quader, Quader mit Loch, lange Viertelquader, runde große und kleine Säulen sowie Viertelquader. Während von Staabs (1951) die Hauptbedeutung der Bausteine noch darin sah, einer Spielhandlung den äußeren Rahmen zu geben, erkannte Knehr (1961) beispielsweise, daß an Zwängen Leidende außerordentlich quält, wenn das Farb- und Formensortiment nicht ausreicht, um eine vollständige Symmetrie herzustellen. Desweiteren machte sie die Beobachtung, daß Probanden, die mit den Bausteinen eine Szene zu gestalten beginnen, zu denjenigen gehören, „die einer neuen Situation zunächst mit dem Verstand begegnen und sie durch Planung und Einteilung zu bewältigen suchen, während die mit Tieren oder Pflanzen beginnenden sich primär vom Instinkt leiten lassen" (S. 46)[49]. Auf die mit Hilfe dieses Materials zustande kommenden formalen Spielmerkmale wie z.B. "Umgrenzungen", "Randbetonungen" werde ich im nächsten Gliederungspunkt genauer eingehen[50].
Wie von Staabs (1951, 1953, 1955) aber immer wieder selbst betont hat, sind das Wesentliche des Spielmaterials die Puppenfiguren. Denn, so schreibt sie, „bei allen seelischen Fehlhaltungen und bei jeder Problematik sind die mitmenschlichen Beziehungen das Wichtigste" (von Staabs, 1951, S. 20).
Dunkell (1954) war einer der ersten, der sich der Auswertung des Formalen im Sceno-Test widmete. Aufgrund seiner äußerst kleinen Stichprobe von nur 19 Patienten, die zudem noch auf unterschiedliche Symptomgruppen[51] verteilt waren, können seine Ergebnisse[52], wie Kühnen (1973) folgerichtig feststellt, als wenig beweiskräftig[53] angesehen werden.
Im folgenden beziehe ich mich auf die von Kühnen (1973) vorgenommene Untersuchung zur Auswertung des Formalen im Sceno-Test an 1123 Probanden. Ich werde in der folgenden Aufstellung die einzelnen Spielmerkmale vorstellen und ihre Bedeutung für die Auswertung referieren.
|
Spielmerkmal |
Bedeutung |
|
1. Peripher[54] |
- Kann Perseverationssyndrom darstellen oder
einem Sicherheitsbedürfnis des
Spielers gegen eine als feindlich erlebte Welt entsprechen |
|
2. Subjektnah - subjektfern |
- Das subjektnahe Spiel ist charakteristisch für das
Kleinkind |
|
3. Zentral |
- Nach Knehr (1961) ist in der Mitte der Platz für
das aktuell bedeutsame |
|
4. Eckenbetonung |
- Gemeinsam mit "Peripher" kann sie einem Absicherungsbedürfnis
entsprechen - Bei Betonung der gegenüberliegenden Ecken können
ambivalente Gefühle oder widerstreitende Tendenzen ausgedrückt werden |
|
5. Insel - / Gruppenbildungen |
- Werden sie allein aufgestellt, verkörpern sie die
Isolierung des Spielers - Sind die Gruppen durch zusätzliche Elemente
miteinander verbunden, so sind sie oft Ausdruck einer reichen sozialen
Erlebniswelt des Kindes |
|
6. Flächenaufteilung |
- Diagonale Spannung : konträre Themen und besonders different empfundene
Objekte werden oft in den gegenüberliegenden Ecken aufgebaut - Rechts - Links Gegensatz : Nach Knehr (1961) findet man links das Passiv-Weibliche,
rechts Männlich-Aktives in die Zukunft Führendes[55]; bei regressiven Tendenzen sei eine Linksbetonung
festzustellen |
|
7. Gesamte Spielfläche[56] |
- Ausfüllen aufgrund eines horror vacui[57] - Unter Umständen auch Ausdruck von Einfallsreichtum
und Phantasie - Nach von Staabs (1951) auch Urangst vor dem
Alleinsein in der Welt |
|
8. Rahmensprengung |
- Konstruktive = Außenraum wird in sinnvollen
Zusammenhang zur Spielszene auf dem Kastendeckel gebracht - Achtlose = die Spielfläche wird planlos
überschritten; nach von Staabs (1951) Hinweis auf asoziales Verhalten[58]; - Nach Knehr (1961) werden von bestimmten Probanden
diejenigen Dinge jenseits der Grenze gesetzt, die einen Bereich vertreten,
der im Bewußtsein nicht existieren darf[59] |
|
9. Reihungen |
- Perseverationssyndrom; im Kleinkindalter ein
Normverhalten |
|
10. Vertikale Spieltendenz[60] |
- Symbol des Phallischen - Türme in schwindelnder Höhe mit dem Element des
Absturzes , als Kompensation eines Minderwertigkeitsgefühles - Ausdruck einer Ehrgeizhaltung - Bei Depressiven weniger häufig |
|
Spielmerkmal |
Bedeutung |
|
11. Formloses Spiel |
- Für das Kleinkind ein Normverhalten |
|
12. Horizontale Spieltendenz |
- Bei Schizophrenen ein Versuch, den horror vacui zu
bewältigen - Steigerung = Legespiel, bei dem nur der
eindimensionale Raum genutzt wird |
|
13. Umgrenzungen |
- Hinweis auf Gehemmtheit und Ängste des Spielers[61] |
|
14. Symmetriebetonung |
- Offenbarung von innerer Unsicherheit und der Angst
vor der eigenen Impulsivität - nach Knehr (1961) soll etwas am Ausbruch gehindert
/ unterdrückt werden |
|
15. Quantitative Materialverwendung |
- 6 Gruppen: minimal (- 7), spärlich (8 - 17),
ausreichend (18 - 36), erfüllt (37 - 50), überfüllt (50 -), totale Spiele
(alle)[62] - Ein Spiel mit sehr wenigen, lediglich 1 - 2
Elementen erweckt nach Biermann & Biermann (1962) den Verdacht auf eine
spezielle symbolische Bedeutung - Bei einer Kontaktstörung werden häufiger als
erwartet viele, bei einer Leistungshemmung werden häufig wenig Gegenstände
benutzt (vgl. von Salis, 1975) |
Biermann & Biermann (1962) fanden bei einem Vergleich der formalen Spielmerkmale bei den Gruppen der Schizophrenen und Hirnorganikern eine charakteristische Spielstruktur, die als das organische Syndrom des Sceno-Testspiels bekannt wurde. Es wird durch die formalen Spielmerkmale "Reihungen", "Rahmensprengung", "Randbetonung" und "minimale beziehungsweise spärliche Materialverwendung" verkörpert[63]. Dieses Syndrom ist dabei zunächst nur Ausdruck einer funktionellen Störung, die zu einer vollständigen Heilung führen, aber auch Ausruck eines bleibenden hirnorganischen Defektes sein kann (vgl. Biermann & Biermann, 1962).
Den von anderen Autoren (Graf Wittgenstein, 1958[64], Biermann & Biermann, 1962, von Salis, 1975, Ermert, 1994) zusätzlich untersuchten formalen Spielmerkmalen möchte ich mich nun zuwenden[65]. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß nicht jedes Spielmerkmal eine tieferliegende symbolische Bedeutung verkörpert. Vielmehr haben die Autoren versucht, zu untersuchen, ob dieses Spielmerkmale überzufällig häufig von bestimmten Personenkreisen (Altersunterschiede, Geschlechtsunterschiede, psychische Auffälligkeiten, Diagnosegruppen etc.) verwendet werden oder nicht.
|
Spielmerkmal |
Bedeutung |
|
16. Betonung eines der vier Quadranten |
- im vorderen linken : Darstellung der
Ausgangssituation[66] - im hinteren linken : Zuschauerraum - im hinteren rechten : Zukunftsplanung - im vorderen rechten : akute Konfliktsituation |
|
17. Vulgärlösungen |
- Ihr Vorhandensein bestätigt, wie weit sich der
Spieler im sozialen Kontakt seiner Umwelt angepaßt hat |
|
18. Schlüsselsituationen |
- Sie decken in der Spielsituation unmittelbar den
persönlichen Konflikt auf[67] |
|
19. Leerlassen einer Fläche von der Ausdehnung
mindestens eines Quadranten |
- Bei Vorliegen einer neurotischen Störung lassen
die Probanden seltener eine Fläche von mindestens einem Quadranten leer |
|
20. Betonung der unteren Hälfte |
- Keine Erläuterungen oder Ergebnisse |
|
21. Betonung der oberen Hälfte |
- Keine Erläuterungen oder Ergebnisse |
|
22. Zentrierung[68] |
- Mit zunehmendem Alter häufiger (vgl. Pkt. 2.4.3) |
|
23. Puppen oder Tiere erhöht plaziert[69] |
- Keine Erläuterungen oder Ergebnisse |
|
24. Anzahl Puppen |
- Einteilung in drei Gruppen: keine, mittel (1- 7), viel
(über 7) - Die Kontaktgestörten verwenden häufiger Extreme
und seltener eine mittlere Anzahl von Puppen[70] |
|
25. Nur Bausteine |
- Hinweis auf Kontaktstörung[71] |
Ergänzend zu dem in der Tabelle aufgeführten Spielmerkmal "Vulgärlösung" ist zu sagen, daß zunächst Jaide (1953) die Vermutung anstellte, daß viele der Spiel- Figurenkombinationen „sehr viel simpler, konkreter, spielerischer, zufälliger entwickelt und verwendet werden, ohne daß sich darin eine tiefergehende unbewußte Problematik manifestiert" (S. 294), und in Umsetzung dieser Gedanken eine Liste der häufigsten Spielkombinationen erstellte. Harnack & Wallis (1954) gebrauchten sodann als erste den Terminus "Vulgärlösungen", bis Biermann (1956, zit. nach Kächele-Seegers, 1969) eine Liste von 24 Spielkombinationen vorschlug. Diese reduzierte der Autor in einem späteren Artikel auf 21 (vgl. Biermann & Biermann, 1962), wobei die ursprünglichen VL 2, 12, 16 und 24 gestrichen und die VL "Arzt und Kind" hinzugefügt wurde. Mit Blick auf die von Kächele - Seegers (1969) erzielten Ergebnisse an einer Enkopretiker-Stichprobe führe ich anschließen noch einmal die ursprüngliche Liste der 24 Kombinationen - ergänzt um die o.g. genannte Kombination - auf :
|
VL Nr. |
Inhalt |
VL Nr. |
Inhalt |
|
VL 1 |
Baby oder Kind auf Fell |
VL 14 |
Zwerg im Wald |
|
VL 2 |
Baby oder Kind auf Klosett |
VL 15 |
Engel auf Dach |
|
VL 3 |
Baby mit Flasche oder Töpfchen |
VL 16 |
Mauer, Säule |
|
VL 4 |
Liegestuhl und Fell mit Oma, Mutter/Kind, Baby |
VL 17 |
Auto und Garage |
|
VL 5 |
Dienstmädchen mit Haushaltsgerät |
VL 18 |
Auto auf Straße, Damm, Brücke |
|
VL 6 |
Mutter mit Kind |
VL 19 |
Fuchs im Wald |
|
VL 7 |
Eltern mit Kind |
VL 20 |
Fuchs und Gans |
|
VL 8 |
Dienstmädchen mit Kind |
VL 21 |
Affe auf Baum |
|
VL 9 |
Eltern |
VL 22 |
Storch auf Dach, Säule |
|
VL 10 |
Großeltern |
VL 23 |
Tiere im Gehege |
|
VL 11 |
Kindergruppe im Spiel |
VL 24 |
Kuh im Gehege |
|
VL 12 |
Engel bei Baby |
VL 25 |
Arzt und Kind |
|
VL 13 |
Tisch, Decke, Geschirr |
|
|
Zu dem Spielmerkmal "Schlüsselsituationen" ist hinzuzufügen, daß sich diese nach Ansicht von Harnack & Wallis (1954) relativ selten finden[72]. Sie kann „in der Scene offen zutage liegen" (Melamed-Hoppe, 1969, S. 2), oder aber „verschlüsselt, d.h. in verkleideter Form dargestellt und somit auf den ersten Blick nicht erkennbar sein" (ebd.). Nach Biermann (1953) kommt es in Form eines Geständniszwanges dazu, daß das Kind „die intensiv erlebte neurotisierende Situation wieder im Spiel darstellt und auf diese Weise eine Erleichterung des Verdrängungsdruckes erfährt" (S. 318). Spielen Kinder bei Wiederholungen des Sceno-Tests „in einem wie kopiert erscheinenden Darstellungsschema die gleiche Szene mit gleicher Haltung der Puppen" (Biermann, 1953, S. 319), kann „eine unter dem lastenden Verdrängungsdruck erstarrte innere Situation angenommen werden" (ebd.), die die Kinder in einem monotonen Wiederholungszwang zu einem bestimmten Scenenaufbau - aus dem Unbewußten heraus - zwingt.
Im Rahmen von Abhandlungen zur Auswertung des Sceno-Testes wird auch immer wieder auf typische Gestaltungen bei bestimmten Konflikten oder Problemen eingegangen (vgl. u.a. Knehr, 1961). Nachfolgend möchte ich kurz eine Übersicht aus den von von Staabs (1951), Knehr (1961) und Altmann-Herz (1990) referierten Beobachtungen geben, um damit das Kapitel der Testauswertung abzuschließen[73]. Dabei werde ich nur solche Beobachtungen mitteilen, die nicht schon in den vorangegangenen Abschnitten behandelt wurden.
|
Konfliktbereich |
von Staabs
(1951) |
Knehr
(1961) |
Altmann-Herz
(1990) |
|
Regressive Tendenzen |
k. z. A. |
- Kind im Arm der Mutter - Zwerg, der in einem Haus ohne Türen und Fenster wohnt - Bevorzugung von Puppen, die eine frühere Entwicklungsstufe
repräsentieren |
k. z. A. |
|
Beziehungsstörung |
k. z. A. |
k. z. A. |
- Beziehungsloses Nebeneinander der Puppen |
|
Ängste |
- Identifikation mit mächtigem Wesen |
k. z. A. |
- Verwendung von Elementen der Warnung und
Kontrolle |
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Hemmungen |
k. z. A. |
k. z. A. |
- zögerlicher Aufbau, mehrmaliges Umbauen - Verwendung nur eines Teils der Spielfläche |
|
Aggressionen |
k. z. A. |
k. z. A. |
- Agieren aggressiver Handlungen - Bevorzugung entsprechender Figuren |
|
Depressive Tendenzen |
k. z. A. |
- Bilder der Passivität - Müde, kranke Menschen |
k. z. A. |
k.z.A. = keine zusätzlichen Angaben
|
Konfliktbereich |
von Staabs
(1951) |
Knehr
(1961) |
Altmann-Herz
(1990) |
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Isolierung |
- Verwendung von nur einer Figur - Figuren werden ausdrücklich als Einzelgänger
bezeichnet |
k. z. A. |
k. z. A. |
|
Eifersucht |
- Rivale wird nicht beachtet - Rivale wird beseitigt |
k. z. A. |
k. z. A. |
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Inadäquate Mutter - Kind Beziehung |
- Mutter im Liegestuhl, während Kinder am Tisch
sitzen oder arbeiten |
k. z. A. |
k. z. A. |
|
Distanz zu Menschen als abnorm empfinden |
- Verwendung thronartiger Sessel (darin Figuren,
denen Respekt geboten werden muß) |
k. z. A. |
k. z. A. |
|
Sexualproblematiken |
k. z. A. |
- Spagatstellung bei Puppen |
k. z. A. |
|
Alleingelassene |
- Hund als Wächter - Hund als Kamerad einer einzelnen Figur |
k. z. A. |
k. z. A. |
k.z.A. = keine zusätzlichen Angaben
Im Rahmen klinischer Falldarstellungen über Enkopretiker werden hin und wieder auch Testergenisse aus Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren allgemein[74], aber auch des Sceno-Tests im speziellen referiert. Bemporad et. al. (1971) stellten mit Hilfe der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren dominierende aggressive Phantasien fest, während andererseits auch Hinweise auf orale Frustrationen - dargestellt durch Szenen mit viel Obst oder Fütterungsbilder - ausgemacht werden konnten. Loney (1971) kommt nach Auswertung der Ergebnisse aus seinem Test, dem "Loney Draw-a-car Test", zu folgendem Resumée: „encopretics show anal-compulsive defensiveness, vulnerability, and loss of control, along with anal-retentive pride" (S. 265). Tatzer & Schubert (1983) konnten bei etwa 80 % der Enkopretiker Hinweise auf eine problembehaftete, mangelnd gefestigte oder stark ambivalente Mutterbeziehung beziehungsweise eine familiäre Konfliktsituation ermitteln. Vogl (1983) sah im Test ihres Enkopretikers dessen starken Wunsch nach einer eigenen vollständigen Familie.
In Bezug auf Sceno-Testergebnisse von Enkopretikern wird in der Literatur folgendes referiert. Biermann (1951/52) stellte in den von ihm durchgeführten Sceno-Testuntersuchungen „kein für die Enkopresis spezifisches Verhalten dieser Kinder fest" (S. 620), während derselbe Autor allerdings in einem späteren Artikel von Aggressionsneigungen im Sceno-Test berichtet (vgl. Biermann, 1960). Schimon (1962) sieht ebenfalls im Sceno-Test ihres Einkoters aggressive Tendenzen einerseits sowie eine - mit Hilfe der Kuh symbolisch dargestellt - abseits plazierte Mutter. Wolff (1969) konnte in seiner Auswertung der Sceno-Testspiele eine große Zahl von Angstzeichen, die von Realängsten wie z.B. Angst vor dem Vater, Angst vor dem Verlust der Mutter bis hin zu angstmotivierten Aggressionen gegen die Eltern - im Sceno-Test durch Tötungen symbolisch dargestellt - reichten, feststellen. Daneben konnte Wolff (1969) allgemeine Macht- und Geltungsbedürfnisse sowie eine Tendenz, Konflikte zu leugnen - im Sceno-Test durch kontrastorische Darstellung idyllischer Szenen -, ausmachen. Weiterhin beobachtete Wolff (1969) Gefühle des Ausgeschlossenseins, des Bedrohtseins in der Familie sowie Wünsche nach einer harmonischen Familie. Berger (1974) beschreibt wie Herzka (1978) die im Sceno-Test ausgelebten Aggressionen der Enkopretiker.
Berger & Rennert (1956) waren die ersten, die sich ausschließlich mit der Auswertung von Sceno-Testspielen enkopretischer Kinder befaßten, ohne dabei allerdings methodisch fundiert vorzugehen. Neben einer fehlenden Kontrollgruppe vermißt man auch detaillierte Angaben zum Vorgehen der Auswertung der Sceno-Testspiele. Berger & Rennert (1956) konnten eine besondere Verwendung des Klos und des Fells bei den Mädchen feststellen. Während das Klo abseits gestellt oder nur verschämt benutzt wurde, wurden auf dem Fell mit Vorliebe die Kinder gebettet. Aufschlußreich fanden die Autoren auch, daß von insgesamt 20 Probanden immerhin 5 überhaupt keine menschlichen Figuren verwendeten. Von 20 Scenospielen wurden darüberhinaus 18 konfliktträchtige registriert. Dabei wurde die Kontaktstörung zu den Eltern offen - im Spiel zwischen den menschlichen Figuren - oder latent - in Form von Spielen zwischen menschlichen Figuren und Tieren oder Tieren untereinander - gespielt. Die Autoren gewannen den Eindruck, daß sich die Kontaktstörung in ihrer scharfen Form gern als Aggression (z.B. mittels heftiger Tierbeißereien), in der gemäßigten als Angst-Abwehr-Flucht (z.B. als Aufpassen der Erwachsenenfiguren auf die Kinderfiguren) und in der milden Form als Wunsch (z.B. Wunsch nach Umsorgtsein, Identifikation mit dem Baby, häufige Verwendung von Fell, Hund und Prinzessin) zu offenbaren pflegt.
Kächele-Seegers (1969) untersuchte in ihrer breit angelegten Dissertation über die Bedeutung der Vulgärlösungen[75] im Sceno-Test auch die Symptomgruppe der Enkopretiker und stellte dabei fest, daß die VL 2, 3, 15, 22 und 24 häufiger, die VL 4, 8, 19 und 20 dagegen seltener - im Vergleich mit den Ergebnissen acht anderer Krankheitsgruppen[76]- gespielt wurden. Nach Kächele-Seegers (1969) geben die VL 2 und 3 einen deutlichen Hinweis auf die anale Problematik, während bei der VL 15 im Einzelfall überprüft werden muß, ob eher die Schutzfunktion oder die Rolle der moralischen Instanz zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die VL 22 wird von der Autorin in Zusammenhang mit dem frühen Interesse dieser Kinder an sexuellen Dingen (vgl. Biermann, 1951/52) gesehen, bei der VL 24 ist es ihrer Meinung nach der Wunsch, die übermächtige Mutter in bestimmte Schranken zu weisen. Die Vernachlässigung der VL 4 sieht die Autorin als Hinweis auf eine besonders schwerwiegende Störung des Mutter-Kind Verhältnisses. Auf die Bedeutung der geringen Frequenz der VL 8 geht die Autorin nicht näher ein, während sie die Geringschätzung der VL 19 und 20 dadurch zu erklären versucht, daß der Enkopretiker durch seine schon im Symptom offen gezeigte aggressive Form des Protestes diesen nicht mehr auf den Fuchs zu projizieren braucht. Eine wenig Weitblick enthaltende Interpretation, zumal neben dem Fuchs insbesondere das Krokodil - in den Vulgärlösungen nicht enthalten - als das Symbol für Aggressionen im Sceno-Test steht.
Melamed-Hoppe (1969) fand heraus, daß die höchste Zahl an Schlüsselsituationen im Sceno-Test von den Enuretikern und den Enkopretikern, die zugleich an einer Enuresis leiden, dargestellt wurden (insgesamt 35,1 %).
Kühnen (1973) ermittelte in ihrer Analyse des Formalen im Sceno-Test bei der Symptomgruppe der Enkopretiker ein gehäuftes Auftreten der Spielmerkmale, die das organische Syndrom verkörpern (vgl hierzu Pkt. 5 dieser Arbeit), und deutete dies als Hinweis auf die von Biermann (1951/52) festgestellte Pseudodebilität dieser Kinder. Daneben konnte Kühnen (1973) gehäuft eine Symmetriebetonung und Flächenaufteilung feststellen, die sie als Versuch der Kinder wertete, die Unordnung, das Schmutzige beherrschen zu können, um somit ihre Triebhaftigkeit zu unterdrücken.
Krolewski (1984) war vorerst der Letzte, der der sich im Rahmen einer Dissertation mit den Sceno-Testgestaltungen der Enkopretiker befaßte. Augenscheinlich legte Krolewski (1984) dabei die gleichen Auswertungskriterien wie Engler (1972) an[77], der sich mit dem Sceno-Testspiel von Enuretikern befaßte. Die letzte Arbeit ist in der Literatur allerdings nicht kritiklos aufgenommen worden, schreibt doch Altmann-Herz (1990), daß diese Untersuchung ein Beispiel dafür sei, „wie man empirische Daten so theoretisch verzerrt darstellen kann, daß die Relevanz nicht mehr beurteilbar ist" (S. 39). Auch Kühnen (1973) beurteilt die analog zu Krolewski (1984) von Engler (1972) ausgesuchten Merkmale für Regressionstendenzen wie Schlaf- und Sitzszenen, Linksausrichtung der Szene, Verwendung von Engel, Zwerg und Hund kritisch, da nicht in jedem Fall geklärt sei ob sie das ihnen zugrunde gelegte Merkmal repräsentieren. Vor diesem Hintergrund sind die im folgenden dargestellten Ergebnisse dieser Arbeit zunächst einmal kritisch aufzunehmen und sicherlich durch zusätzliche Untersuchungen zu untermauern.
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1. |
Signifikant
mehr Essensszenen die als Ausdruck von Oralität gewertet werden |
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2. |
Subtile
Hinweise auf eine Verdrängungs- beziehungsweise Verleugnungshaltung gegenüber
Darstellungen der analen Thematik |
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3. |
Signifikant
weniger - auf eine (kompensierende) Ehrgeizhaltung verweisende - Turmbauten |
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4. |
Symbol
"Tafel" wird selten und dann vorwiegend in regressiver
Konstellation verwendet |
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5. |
Aggressionszeichen
werden gleich häufig gespielt, jedoch setzten Enkopretiker signifikant
häufiger das Krokodil und den Fuchs zielgerichtet auf Aggressionsobjekte an |
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6. |
Ein
deutlicher Zusammenhang zeigt sich bei der Verwendung von Aggressions-,
Angst- und Regressionszeichen - in allen Fällen mit abgegrenzten Szenenteilen
mit dargestellter Aggression drückten die Enkopretiker in anderen Szenteilen
deutliche Regressionswünsche aus |
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7. |
Der
Engel wurde häufiger neben eine Elternfigur plaziert, die gleichzeitig
Aggressionsobjekt war |
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8. |
Signifikant
mehrere Angsthinweise pro Szene |
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9. |
Signifikante
Mehrverwendung von Schlaf- und Sitzszenen |
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10. |
Trend,
weniger Szenen mit Puppen zu gestalten |
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11. |
Signifikant
häufigere Verwendung von Tierfiguren |
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12. |
Die
Kuh wurde kaum innerhalb einer Umgrenzung plaziert, sondern eher
uneingegrenzt, wo sie allerdings signifikant häufiger das Ziel aggressiver
Angriffe war |
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13. |
Mutterfiguren
wurden signifikant häufiger in fürsorglichem Kontakt mit Kindern dargestellt
- auf der anderen Seite aber auch signifikant häufiger isoliert |
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14. |
Vaterfiguren
wurden weniger häufig als beschützender Vater gespielt |
Das Symptom - dem in der wissenschaftlichen Literatur wenig Beachtung geschenkt wird (vgl. Wolters, 1971, Stegat, 1975) - wurde erstmals von Hennoch im Jahre 1881[78] beschrieben (nach Krisch, 1985). Der erste Klassifikationsversuch geht auf Ostheimer (1905, nach Wille, 1984) zurück. Pototzky (1924, nach Krisch, 1985) führte als erster im Jahre 1924 den Terminus "Enkopresis" in die Literatur ein, bis Weissenberg (1926, nach Krisch, 1985) den ersten Artikel mit der neuen Bezeichnung veröffentlichte. Nach Krisch (1985) setzte sich in den zwanziger und dreißiger Jahren die Einsicht durch, daß der Enkopresis oftmals eine Obstipation zugrunde liege (vgl. Thorling, 1923, nach Trott et. al, 1994), was schließlich eine Welle an organmedizinischen Behandlungsverfahren[79] nach sich zog. Nach und nach rückten auch die psychischen Ursachen der Enkopresis in den Mittelpunkt der Betrachtung. So berichtete beispielsweise Shirley (1938) anhand seiner 70 Enkopretiker, daß die Ursachen in einer Kombination verschiedener Faktoren zu suchen seien, als da wären „make-up, unhappy home environment, interpersonal conflicts, lack of training, social difficulties, and fears" (S. 373). Beeinflußt von den Ansichten Sigmund Freuds[80] berichtete Lehmann im Jahre 1944 (nach Krisch, 1985) als erster über die psychoanalytische Therapie der Enkopresis.
In den 50er Jahren begann die empirische Erforschung der Enkopresis mit vermehrten systematischen Beobachtungen, Erfahrungen an größeren Patientengruppen und anschließenden statistischen Auswertungen (vgl. u.a. Albrecht & Hoffmann, 1950, Eller, 1960). Kurze Zeit später brach die Ära der lerntheoretisch ausgerichteten Behandlungsverfahren zur Enkopresis mit dem von D.H. Neale (1963) veröfentlichten Artikel "Behaviour therapy and encopresis in children" an, die in den nächsten zwei Jahrzehnten ungebrochen fortgesetzt wurde (vgl. u.a. Gelber & Meyer, 1965, Young, 1973).
In den letzten Jahren wurden wiederum Akzente von den Vertretern der Organmedizin (vgl. Levine & Bakow, 1976, Berg et. al., 1983, Stern et. al., 1988) sowie ebenso von Psychoanalytikern (vgl. Edgcumbe, 1978, Binét, 1979) gesetzt. Aber auch die Anhänger eklektisch-integrativer Behandlungsmodelle (vgl. Artner & Castell, 1981, Trott et. al., 1994) sowie die Protagonisten der Familientherapie (vgl. Dreman, 1977, Andolfi, 1978, Fried, 1980) steuerten neue Erkenntnisse zur Enkopresis-Forschung bei. Die Verhaltenstherapeuten entwickelten in der neuen Disziplin der Verhaltensmedizin (vgl. Petermann, 1994) eine Verknüpfung operanter Techniken und medizinischer Verfahren.
Wie eine Durchsicht der einschlägigen Enkopresis-Literatur verdeutlicht, wird der Begriff Enkopresis nicht einheitlich verwendet[81]. In den einzelnen Definitionsansätzen kommt es zum Teil zu immensen Unstimmigkeiten in Bezug auf folgende Punkte: die Altersgrenze[82], die Unterscheidung von willkürlichem oder unwillkürlichem Einkoten, die ätiologischen Kriterien (organisch / psychisch), das Vorliegen einer Obstipation, die Subsumption Schwachsinniger unter den Begriff, die Menge und Konsistenz der Ausscheidungsprodukte[83] und die Dauer und Häufigkeit der Inkontinenz, von der ab von einer Enkopresis gesprochen werden sollte.
Auch die beiden gebräuchlichsten Klassifikationssysteme, das DSM-III-R (1989) sowie die "Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10)" (1991) definieren die Enkopresis leicht unterschiedlich, jedoch enthalten beide Ansätze meines Erachtens alle wichtigen Punkte einer zeitgemäßen Enkopresis-Definition. Im DSM-III-R (1989) finden sich folgende diagnostische Kriterien für das Vorliegen einer funktionellen Enkopresis (307.70) :
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1. |
Wiederholte, unwillkürliche
oder willkürliche Entleerung von Fäzes an nicht dafür vorgesehenen Stellen. |
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2. |
Die Störung muß mindestens
einmal monatlich über einen Zeitraum von sechs Monaten auftreten. |
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3. |
Das tatsächliche
beziehungsweise das Entwicklungsalter des Kindes muß mindestens vier Jahre
betragen. |
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4. |
Die Störung ist nicht durch
eine körperliche Störung bedingt. |
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5. |
War ein Kind noch nicht
länger als ein Jahr sauber, so spricht man von einer primären Enkopresis.
Handelt es sich um einen Rückfall bei einem Kind, das schon länger als ein
Jahr den Stuhlgang kontrollieren konnte, wird dies mit sekundärer Enkopresis
bezeichnet. |
|
6. |
Eine zusätzliche
Differenzierung kann je nach Vorhandensein einer retentiven beziehungsweise
nichtretentiven Ausgestaltung der Symptomatik erfolgen. |
Die "Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD 10)" (1991) definiert die Enkopresis (F 98.1) folgendermaßen :
Wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Faeces normaler oder fast normaler Konsistenz an Stellen, die im soziokulturellen Milieu des betroffenen Kindes dafür nicht vorgesehen sind. Die Störung kann eine abnorme Verlängerung der normalen infantilen Inkontinenz darstellen oder einen Kontinenzverlust, nachdem eine Darmkontrolle bereits vorhanden war, oder sie kann das absichtliche Absetzen von Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen trotz normaler physiologischer Darmkontrolle beinhalten. Die Störung kann als monosymptomatische Erkrankung auftreten, oder sie kann Teil einer umfassenderen Störung, besonders einer emotionalen Störung (F93) oder einer Störung des Sozialverhaltens (F91) sein (S. 300).
Zudem sollte eine Enkopresis erst dann verschlüsselt werden, wenn sie das dominierende Phänomen darstellt, und nicht, wenn sie weniger als einmal im Monat auftritt. In diesem Klassifikationssystem wird die Enkopresis noch von einem Einkoten infolge einer organischen Erkrankung (Q 43.1 & Q 05) sowie von einer Obstipation mit Stuhlblockade und nachfolgendem Überlaufeinkoten flüssigen oder halbflüssigen Stuhls (K 59.0) abgetrennt.
Die einzige Unstimmigkeit zwischen beiden Ansätzen betrifft das Vorliegen einer Obstipation einerseits und die Angaben zur Konsistenz der Ausscheidungsprodukte andererseits. Ich schlage deshalb - analog zu Krisch (1985) - vor, einkotende Kinder, die zudem obstipiert sind, unter den Terminus Enkopresis zu subsumieren, womit gleichzeitig das Problem der Konsistenz der Ausscheidungsprodukte gelöst wäre, da diese Kinder mit einer sogenannten "Überlaufenkopresis" (vgl. Granditzsch et. al., 1976) für gewöhnlich weichen, flüssigen Stuhl[84] in die Hose absetzen.
Von einer Enkopresis soll im Rahmen dieser Arbeit gesprochen werden, wenn ein Kind über vier Jahren ohne Vorliegen einer organischen Ursache willkürlich oder unwillkürlich Stuhl an dafür - gemessen an seinen soziokulturellen Gegebenheiten - ungeeigneten Orten deponiert. Eine Obstipation kann vorliegen oder auch nicht, die Größe, Menge und Konsistenz der Ausscheidungsprodukte spielt dabei keine Rolle. Es soll zudem erst dann von einer Enkopresis die Rede sein, wenn die Störung mindestens einmal monatlich über einen Zeitraum von sechs Monaten aufgetreten ist.
Zur Verbreitung der Enkopresis im Kindes- und Jugendalter liegen nur ungenaue Angaben vor, da epidemiologische Studien selten sind. Darüberhinaus sind sie mit dem Problem behaftet, daß einerseits die Eltern betroffener Kinder das Symptom gerne vertuschen, sowie andererseits von nicht immer übereinstimmenden Enkopresis-Definitionen[85] (vgl Pkt. 4.1.2) ausgegangen wird.
Bellman (1966) stellte 1963 in ihrer Inzidenz-Studie an 8.863 Kindern im Alter von 7 und 8 Jahren eine Häufigkeit von 1,5 % (= 137 Kinder) fest. Andere Autoren (Weissenberg, 1926, Shepherd et. al., 1973 ) kommen auf Werte von 0,4 beziehungsweise 0,8 %, während Largo et. al. (1978) unter 351 Schweizer Kindern zwischen 6 und 18 Jahren eine Häufigkeit von 2 - 4 % bei den Knaben und 1 - 2 % bei den Mädchen ausmachen konnten. Die Angaben zur Häufigkeit der Enkopresis in klinischen Stichproben sind ebenfalls uneinheitlich und liegen in der Regel naturgemäß etwas höher. So ermittelte Shirley (1938)[86] „an incidence of 2,91 per cent or 1 to every 34,36 patients" (S 369), während Olatawura (1975)[87] einen Prozentsatz von 5,7 % ausmachte, Rick & Riedrich (1978)[88] dagegen ermittelten einen Anteil von 7,5 %, Probst et. al. (1980)[89] kamen auf 3,2 %, und Krisch & Jahn (1981)[90] stellten schließlich einen Anteil von 4,5 % fest.
Bellman (1966) zeigte „a decline in the incidence of encopresis after the 8th birthday. None oft the children persisted with the symptom after 16 years of age" (S. 122). Anthony (1957) hatte unter seinen Patienten eine Altersstreuung von 4 bis 15 Jahren. Meyerhoff (1967) ermittelte einen Häufigkeitsgipfel bei 6 Jahren, wobei er das Erkrankungsalter zwischen 4 und 16 Jahren festlegte. Rick & Riedrich (1978) sahen den Häufigkeitsgipfel um das 7. beziehungsweise 8. Lebensjahr sowie einen zweiten um das 11. Lebensjahr. Strunk (1980) wiederum gibt einen Gipfel des Erkrankungsalters zwischen 7 und 9 Jahren an. Aus diesen Ergebnissen kann letzlich nur der Schluß gezogen werden, daß die Enkopresis nach dem Abklingen der Pubertät, - abgesehen von einigen Ausnahmefällen (vgl. Levowitz & Goldstein, 1979, Probst et. al, 1980)[91] - fast nicht mehr vorkommt.
Bei der Verteilung der Symptomatik auf die Geschlechter sind entgegen der vorgenannten Unstimmigkeiten größere Übereinstimmungen zu berichten. So sieht es Krisch (1985) als zweifellos erwiesen an, „daß es sich bei den Kindern, die einkoten, signifikant häufiger um Knaben als um Mädchen handelt" (S. 52). Bellman (1966) ermittelte ein Verhältnis von 3,4 : 1, Olatawura (1975) berichtet von einem ähnlichen Verhältnis (3,5 : 1). Dagegen sah Keilbach (1977) ein deutlich höheres Verhältnis von 7 : 1, und auch Strunk (1980) gibt Zahlen von 3 : 1 bis 10 : 1 an. Krisch (1985) mittelte schließlich die in der Literatur angegebenen Werte und kam auf eine Jungen/Mädchen Relation von ungefähr 3,5 : 1.
Die Enkopresis tritt in der Regel nur am Tage (Enkopresis diurna) auf. Vereinzelt werden von anderen Autoren (vgl. Vaughan & Cashmore, 1954, Eller, 1960, Bellman, 1966, Wolters, 1974) auch Fälle von nächtlicher Enkopresis (Enkopresis nocturna) berichtet. Krisch (1985) sieht die Ursachen für die Seltenheit des nächtlichen Einkotens vor allem physiologisch begründet, da zum einen die Darmmotilität deutlich herabgesetzt ist, und zum anderen die aktive Bauchpresse kaum während einer Ruhephase angewandt wird. Krisch (1985) stellt daher die Vermutung an, das Symptom könnte „noch vor dem Einschlafen oder in etwaigen Wachphasen während der Nacht produziert werden" (S. 55).
Über die Unterscheidung zwischen der primären und sekundären Form der Enkopresis liegen unterschiedliche Auffassungen vor. Während Anthony (1957) bei beiden Formen unterschiedliche Persönlichkeitseigenschaften ausmachte (vgl. Pkt. 4.2.7) und von Hoag et. al. (1971) die durchweg schwierigere Therapierbarkeit der primären Enkopretiker hervorgehoben wurde, konnten diese Ergebnisse in anderen Untersuchungen (vgl. Bellman, 1966, Bemporad et. al., 1971, Levine & Bakow, 1976) nicht verifiziert werden. Bellman (1966) fand keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen und behandelte sie dementsprechend „as a single group in this study" (S. 123). Eine Unterscheidung erscheint daher nur mit Blick auf die Tatsache angemessen, „daß man bei Kindern mit sekundärem Einkoten guten Gewissens die Beherrschung aller Komponenten eines angemessenen Toilette-Verhaltens - wie Hose-Herunterlassen, Klopapier-Benützen usw. - voraussetzen kann, bei Patienten mit primärem Einschmutzen hingegen aber nicht" (Krisch, 1985, S. 64).
Die Frequenz der Enkopresis variiert dagegen inter- und intrapersonell. Nach Bürgin (1993) reicht sie von „mehrmals täglich bis nur einmal monatlich" (S. 218). So verwundert es auch nicht, daß bei den verschiedenen Untersuchungen unterschiedliche Angaben über die Häufigkeit zu finden sind. Bellman (1966) stellt fest, daß „ten of the encopretic children passes faeces into their clothes once or several times a day, 32 once or several times a week and 33 once or several times a month" (S. 72). Bei Wolters (1974) koteten 12 Kinder dreimal und mehr pro Woche ein, 26 Kinder 1 bis 3 mal am Tag, 5 ein bis dreimal die Woche und 4 ein bis dreimal im Monat.
Wie Bürgin (1993) zutreffend feststellt, gestaltet sich die Symptomatik sehr variabel. „So beschmutzen manche Kinder ihre Unterwäsche nur leicht, während andere große Menge geformten Stuhls in die Hosen entleeren" (Bürgin, 1993, S. 218). Graham (1991) erweitert diese Palette, indem er feststellt, daß einige Kinder die Ausscheidungsprodukte dazu nutzen, „to smear walls and furniture, others deposit well-formed faeces in places likely to cause maximum distress - in glasses used for drinking, or in the parental bed" (S. 214). Dieses demonstrative Absetzen von Kot in aggressiv-demonstrativer Form an bevorzugt sichtbarer Stelle berichten auch andere Autoren (Biermann 1951/52, 1960, Eller, 1960). Nach Auffassung von Strunk (1980) und Steinhausen (1985) ist ein gleichzeitiges Kotschmieren - im Sinne von Beschmieren von Gegenständen etc. - als Indikator für eine schwere emotionale Störung anzusehen. Eine noch extremere Form als das Kotschmieren ist die sogenannte Koprophagie, das Kotessen, daß nach Krisch (1985) „zum Glück praktisch nur bei psychotischen und obendrein geistig schwer behinderten Patienten" (S. 60) auftritt.
Von Jekelius (1936, nach Eller, 1960) wird eine, von ihm als Klosettangst bezeichnete, ausgesprochene Ängstlichkeit im Zusammenhang mit der Defäkation berichtet, die zur Folge hat, daß die Toilette aus Angst vor dem Hereinfallen, vor Fabelwesen etc. nicht benutzt wird. Dies kann unter Umständen zur Folge haben, daß das Kind eine Obstipation entwickelt, bei der es die Kotmassen willkürlich zurückhalten muß. Weiterhin wird auf das bei einigen Kindern zu beobachtende (vgl. Glanzmann, 1934, Vaughan & Cashmore, 1954, Eller, 1960) Spiel mit der Fäkalsäule und dem damit verbundenen Lustempfinden im Zusammenhang mit der Enkopresis berichtet. Nach Bürgin (1993) ist die Enkopresis in diesen Fällen ein Ausrutscher, sie erfolgt „aktiv und passiv zugleich, da die entsprechenden Patienten im virtuosen Spiel mit ihren Omnipotenzgefühlen nicht defäzieren wollen, um sich dem autoerotischen Vergnügen möglichst lange hingeben zu können" (S. 215).
Während des Einkotens zeigen viele dieser Kinder ein typisches Verhaltensmuster. So schreibt Keilbach (1977), daß sich die Kinder beim Einkoten zurückziehen. „Das geschieht entweder buchstäblich vornehmlich in einer Ecke, wo sie dann unbemerkt bleiben, oder aber es kommt zu einem Kontaktabriß" (Keilbach, 1977, S. 126). Unvermittelt bekommen sie einen leeren Gesichtsausdruck und wirken „mit der insgesamt erschlaffenden Muskulatur (hängende Arme) wie verloren " (Keilbach, 1977, S. 126). Hat ein Kind eingekotet, meldet es sich in der Regel nicht. Viele Kinder berichten überaus häufig (vgl. Strunk, 1980, Wurst, 1982, Steinhausen, 1985), daß sie den Stuhldrang nicht wahrnehmen. Dieses Verhalten - dem Symptom quasi gleichgültig gegenüberzustehen (vgl. Schimon, 1962, Bemporad et. al. 1971, Keilbach, 1976) - mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, bei näherer Betrachtung jedoch mehrere unterschiedliche Gründe haben. Zum einen ist die Enkopresis ein krasses und peinliches Symptom, so daß hierauf ganz natürlich häufig mit Verleugnung reagiert wird[92], zum anderen kann es mit einem Lustgefühl (vgl. Wurst, 1982) verbunden sein[93], und schließlich kann es natürlich auch als sekundärer aggressiver Akt gegen die Mutter wirken (Keilbach, 1977, Graham, 1991). Häufig ist weiterhin zu beobachten, daß die Kinder die Kleidung, nachdem sie eingekotet haben, - teils aus Angst vor der Entdeckung, teils aus Scham oder Bosheit - an den zum Teil ungewöhnlichsten Orten verstecken, z.B. im Schultisch (vgl. Vaughan & Cashmore, 1954).
Das zweifellos häufigste Begleitsymptom der Enkopresis - die nur selten als isolierte Störung vorkommt[94] - ist die Enuresis. Aus den Fallberichten und Untersuchungen verschiedener Autoren (vgl. Bellman, 1966, Wolters, 1974, Wille, 1984) muß vermutet werden, daß fast jeder zweite Enkopretiker zusätzlich an einer Enuresis - in der Regel primärer Natur - leidet. An zusätzlichen gehäuft auftretenden Symptomen bei Enkopretikern werden darüberhinaus Eßprobleme (vgl. Shirley, 1938, Bellman, 1966, Katz, 1972, Keilbach, 1977), Zündeln (vgl. Hoag et. al., 1971, Krisch & Jahn, 1981), Diebstähle (vgl. Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Kettler, 1976, Fisher, 1979), Schlafstörungen (vgl. Wille, 1984, Bender & Branik, 1992), Nägelbeißen (vgl. Wolff, 1969, Bürgin, 1993), Daumenlutschen (vgl. Wolters, 1974, Bosch, 1988), Wutanfälle (McTaggart & Scott, 1959, Shane, 1967, Katz, 1972), allgemeine Ängste (vgl. Eller, 1960, Keilbach, 1977, Levine et. al., 1980), Lern- und Leistungsstörungen (vgl. Wolters, 1974, Keilbach, 1977, Wille, 1984, Bürgin, 1993) sowie Sprachstörungen (vgl. McTaggart & Scott, 1959, Wolters, 1974, Fisher, 1979) genannt. Insgesamt ist dies nur die Zusammenfassung der am häufigsten genannten Begleitsymptome, wobei die Liste noch um weitere Auffälligkeiten jederzeit ergänzt werden könnte, bemerkte doch schon Bellman (1966), daß „the number of nervous symptoms per child was greater in the encopretic group" (S. 124). Jedoch, und das muß an dieser Stelle ebenfalls berücksichtigt werden, ist beim derzeitigen Forschungsstand nicht zu entscheiden, ob die oben genannten Symptome primärer - also aufgrund einer Entwicklung von einer gemeinsamen pathogenen Basis - oder sekundärer - als Folgeerscheinungen der Enkopresis - Natur sind.
Nach Steinhausen (1985) bereitet die Diagnosestellung der Enkopresis in der Regel keine Schwierigkeiten. „Zur Aufdeckung des pathogenen Hintergrundes bedarf es meist ausführlicher Explorationen, die getrennt bei den Eltern durchgeführt werden sollten, um diesen eine unbefangere Stellungnahme zur familiären Situation zu ermöglichen" (Strunk, 1989, S. 257). Daneben ist eine körperliche und neurologische Untersuchung des Kindes[95] sowie die digitale Untersuchung des Analringes zur Prüfung des Analreflexes indiziert. Während Harbauer (1984) eine digitale Untersuchung des Muskeltonus für nicht ausreichend erachtet und vielmehr den Ausschluß eines idiopathischen Megakolons oder als Megacolon congenitum mit röntgenologischen Methoden fordert, sehen andere Autoren (vgl. Biermann, 1951/52, Steinhausen, 1985, 1988, Krisch, 1985, Strunk, 1989) diese Notwendigkeit nicht. Insbesondere mit Blick auf die enormen psychischen Belastungen sind Prozeduren wie z.B. der Röntgenkontrasteinlauf mit anschließenden Defäkogramm[96] bei dieser Symptomatik nicht angezeigt. Nach Willital et. al. (1977) lassen sich zudem mit den zuletzt genannten Verfahren von 90 % aller Funktionsstörungen nur 10 beziehungsweise 12 % manometrisch erfassen.
Bellman (1966) war die einzige Autorin, die in ihrer Untersuchung eine familiäre Häufung festgestellt hat. Bei den Eltern von 75 Patienten fand sie bei 15 % der Väter und bei 1,3 % der Mütter das Vorliegen einer kindlichen Enkopresis, die Geschwister der Enkopretiker waren in 8,7 % der Fälle - ausschließlich Jungen - davon betroffen oder betroffen gewesen. Andere Autoren (vgl. McTaggart & Scott, 1959, Niedermeyer & Parnitzke, 1963) konnten diese Ergebnisse nicht bestätigen, und so kann in Übereinstimmung mit mehreren Autoren (vgl. Steinhausen, 1985, 1988, Strunk, 1989) gesagt werden, daß es „derzeit keinerlei Hinweise auf eine ätiologische Bedeutsamkeit genetischer Faktoren" (Steinhausen, 1988, S. 179) gibt.
Von verschiedener Seite (vgl. Bemporad, 1978, Wurst, 1982, Graham, 1991) werden eine allgemeine Retardierung oder neurologische Unreife als mitverursachende Faktoren der Enkopresis ins Feld geführt. Nach Auffassung von Bemporad et. al. (1978) zeigen diese Kinder „evidence of an innate neurological defect manifested by language disorders, poor coordination and athletic abilities, and / or soft signs" (S. 473). Besondere Auswirkungen haben diese Reifungsverzögerungen nach Meinung der vorgenannten Autoren auf das Sauberkeitstraining, da die individuelle Bereitschaft für diesen Sozialisierungsschritt sich bei diesen Kindern erst relativ spät einstellt. In Zusammenhang mit einem frühen, rigiden Sauberkeitstraining, einer bestimmten Familienkonstellation[97] sowie einer durch Passivität, Negativismus und Abhängigkeit gekennzeichneten Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist der Weg, eine "chronic neurotic encopresis" (Bemporad et. al., 1978) zu entwickeln, geebnet. Niedermeyer & Parnitzke (1963) stellen fest, daß Enkopretiker hinsichtlich ihres Längenwachstums deutlich zurückgeblieben sind, Asperger (1980) weist ebenfalls auf Kinder mit rückständiger körperlicher und geistiger Entwicklung hin, Wille (1984) stellt im Vergleich zu Enuretikern fest, daß Enkopretiker „signifikant häufiger Entwicklungsverzögerungen, Sprachentwicklungsstörungen und motorische Störungen" (S. 81) aufweisen, und auch Graham (1991) sieht einen Entwicklungsrückstand als einen möglichen Faktor bei der Entstehung einer Enkopresis an. Gegen diese Auffassungen sprechen die Untersuchungen von Wolters & Wauters (1975) und Krisch & Jahn (1981), die - bezogen auf dieses Kriterium - keinerlei signifikante Unterschiede zu ihren jeweiligen Kontrollgruppen ausmachen konnten. Auch Largo et. al. (1978) sehen organische Ursachen nur ausnahmsweise als Ursache für die Enkopresis an, und auch für Steinhausen (1988) und Strunk (1989) sind sie von untergeordneter Bedeutung. Largo & Stutzle (1977) kommen in ihrer Untersuchung zur Entwicklung der Blasen- und Darmkontrolle zu dem Schluß, daß eine Entwicklungsverzögerung bei vollständiger Blasenkontrolle nicht vorliegen kann[98]. Hingegen sollte eine Reifungsverzögerung bei allen Kindern mit einer primären Enuresis nocturna „in Betracht gezogen werden, die spät sauber werden, spät tagsüber trocken werden oder es noch gar nicht sind, und die außerdem eine verzögerte somatische und psychomotorische Entwicklung aufweisen" (Largo et. al., 1978, S. 159).
Neben diesen Reifungsverzögerungen werden immer wieder sogenannte minimale cerebrale Dysfunktionen für das Auftreten der Enkopresis mitverantwortlich gemacht. Auf der einen Seite sind die Untersuchungen zu nennen, die auffällige EEG´s[99] bei den Enkopretikern ausamachen konnten. Hierzu zählen die Arbeiten von Arajärvi & Huttunen (1971), die bei 12 von 20 Enkopretikern (60 %), hingegen nur bei 7 von 24 Enuretikern (29 %) eine auffälliges EEG ermittelten; Olatawura (1973), der bei 32 Einkotern 6 mit auffälligem EEG fand und dies als eine „high proportion for this clinic" (S. 360) einstufte, Niedermeyer & Parnitzke (1963), die unter 30 pneumoencephalographischen Befunden von Enkopretikern 23 als abnorm bewerteten und unter insgesamt 42 EEG - Ableitungen 64,3 % mit Veränderungen in der Enkopretiker-Gruppe - bei nur 3,6 % in der Enuretiker-Gruppe - fanden, sowie Krisch & Jahn (1981), die von 21 Hirnstrombildern 11 (52,4 %) als pathologisch charakterisierten[100].
Auf der anderen Seite ist die Untersuchung von Bellman (1966) anzuführen, die zu dem Schluß kommt, daß „brain diseases and injuries were not more common than among the controls according to anamnestic data" (S. 79). Eller (1960) konnte nur in drei Fällen (von 30) auf eine Encephalopathie schließen, Meyerhoff (1967) fand bei 37 Enkopretikern ebenfalls nur drei mit einer Encephalopathie und schließlich Krisch (1979), der feststellte, daß abnorme EEG-Hirnstrombilder nicht häufiger vertreten waren als in der Kontrollgruppe. Wille (1984) ermittelte sogar deutlich weniger Probanden (rund 10 %) als Bellman (1966) mit auffälligem EEG[101]. So kann abschließend nur konstatiert werden, daß der Stellenwert cerebraler Dysfunktionen für die Entstehung der Enkopresis nach wie vor nicht vollständig geklärt ist, da sie zudem „nicht bei allen Kindern mit einer Enkopresis vorliegen" (Strunk, 1989, S. 179).
Besonders in der pädiatrischen Literatur (vgl. Asperger, 1980, Tinschmann, 1980) wird immer wieder darauf hingewiesen, daß rezidivierende oder chronische Darmerkrankungen, wie z.B. Diarrhö, Analfissuren etc. „den Darmbereich zu einem bevorzugten Ort der Entwicklung nervöser Symptome machen können" (Wille, 1984, S. 23). Auch Biermann (1960) beobachtete bei fünf von vierzehn Enkopretiker eine Symptomfixierung nach vorangegangener funktionell-organischer Darmerkrankung, und auch Wolters (1974) berichtet von deren bahnender Wirkung. Daneben verweisen einige Autoren (vgl. Eller, 1960, Granditzsch et. al., 1976)[102] auch noch auf die Bedeutung physiologischer Abnormitäten. Von Stern et. al. (1988) wird sogar die Auffassung vertreten, die Enkopresis werde in erster Linie durch physische Abnormitäten als durch psychische Störungen verursacht. Liebe (1949) sah einen gesteigerten Parasympathicustonus als primäre Ursache der Enkopresis an. Nissen et. al. (1991) stellen die These auf, daß die von ihnen gemachten Untersuchungen vermuten lassen, „daß bei der Enkopresis häufiger als bisher angenommen funktionelle oder organische Sphinkterstörungen (erhöhte oder erniedrigte Druckwerte, Koordinations- und Perzeptionsstörungen) vorliegen" (S. 173)[103]. Dagegen stehen die Ergebnisse von Bellman (1966), die nur bei den Analfissuren eine leichte Erhöhung bei den Enkopretikern ausmachen konnte, Olatawura (1973) und auch Wolters & Wauters (1975), die keinerlei Unterschiede ermittelten. So bleibt auch hier nur der Schluß, daß diese Faktoren nur im individuellen Einzelfalle bei der Entstehung der Enkopresis eine Rolle spielen, da sie „nicht bei allen Kindern mit einer Enkopresis vorliegen" (Steinhausen, 1988, S. 15).
Bei einer Vielzahl von Arbeiten wird dem Schwachsinn eine kausale Bedeutung bei der Verursachung der Enkopresis zugeschrieben.
Neben Hasselmann (1936) war es insbesondere Shirley (1938), der in seiner Untersuchungsreihe feststellte, daß „twenty-six of the 70 encopretic children were feebleminded. Twenty-one had intelligence quotients below 50 (idiots and imbeciles), and 5 had I.Q.´s between 50 and 70 (morons)" (S. 369), und somit diesem Faktor einen entscheidenden Beitrag in der Ätiologiediskussion der Enkopresis einräumte. In die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse von Meyerhoff (1967), Silber (1969), Olatawura (1973), Schwidder (1975) und Wurst (1982). Bierman (1951/52) allerdings führte die von ihm beobachtete - im übrigen mit Pseudoschwachsinn bezeichnete - geistige Stumpfheit der Enkopretiker lediglich auf die oft nachzuweisende chronische Milieuverwahrlosung mit entsprechend ungünstigen Voraussetzungen zur Entwicklung der Intelligenzleistungen zurück.
Eine Reihe von Untersuchungen konnten dagegen in keinster Weise Intelligenzdefizite als einen Faktor für die Entstehung einer Enkopresis ausmachen. Die umfangreichste und methodisch einwandfreieste Untersuchung von Bellman (1966) kommt zu folgendem Schluß : „The investigation thus showed that intelligence is of no specific importance for the genesis of encopresis" (S. 87). Dieses Ergebnis wird von der Mehrzahl der Autoren, die sich mit dem Thema Enkopresis beschäftigt haben, geteilt (vgl. Marfan, 1934 nach Glanzmann, 1934, Eller, 1960, Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Wolff, 1969, Wolters, 1971, Wolters, 1974, Artner & Castell, 1979, Krisch & Jahn, 1981, Tatzer & Schubert, 1983, Castell et. al., 1983, Wille, 1984). Keilbach (1977) beobachtete in ihrer Abhandlung über acht Enkopretiker sogar ausschließlich überdurchschnittliche Intelligenzleistungen.
Den Intelligenzdefiziten somit eine allein bedingende Funktion bei der Entstehung der Enkopresis zuzuweisen, kann nach Darstellung der Befunde nicht aufrechterhalten werden, man sollte allenfalls ihre bahnende Wirkung mitberücksichtigen (vgl. Steinhausen, 1985).
Verschiedene Autoren (vgl. Shirley, 1938, Huschka, 1942, Anthony, 1957, Gutezeit, 1983) sind der Ansicht, daß verfehlte Methoden in der Sauberkeitserziehung - insbesondere zu frühes und rigides Training - eine kausalgenetische Bedeutung für die Enkopresis besitzen[104]. Vom physiologischen Standpunkt aus betrachtet „wird die Beherrschung der Schließmuskeln hinwiederum möglich, sobald sich die Myelinisierung jener Nervenbahnen, die die Sphinkteren innervieren, in einem genügenden Maße eingestellt hat" (Krisch, 1985, S. 68). Und dieser Zeitpunkt liegt zwischen 12 und 30 Monaten (vgl. Huschka, 1942, Trombini, 1970, Largo & Stutzle, 1977, Gutezeit, 1983).
Als einer der ersten war es Shirley (1938), der nachlässige oder uneffiziente Trainingsmethoden als einen möglichen Faktor bei der Enkopresisentstehung identifizierte. Ihm folgten Huschka (1942)[105] - die das Training in zwanghaft eindringendes Training und pathologisches Zurückstellen beziehungsweise Vernachlässigen des Trainings einteilte - und insbesondere Anthony (1957), der zu dem Schluß kam, daß übereilte und repressive Maßnahmen in der weiteren Folge eine sekundäre Enkopresis, ein lasches oder fehlendes Training eine primäre Enkopresis bedingen können. Allerdings sah auch Anthony (1957), daß bei der Entstehung der Enkopresis mehrere Faktoren zusammenspielen müssen, warf er doch selber die Frage auf, warum nicht alle Kinder, die ein abnormes Toilettentraining absolvieren, eine Ausscheidungsstörung entwickeln, beziehungsweise nicht alle Kinder mit einer Ausscheidungsstörung ein abnormes Training genossen haben. Neben den schon berichteten Protagonisten schließen sich noch andere Autoren der These an, daß unangemessene Trainigsmethoden einen eminent wichtigen Kausalfaktor für die Entstehung der Enkopresis darstellen (vgl. Vaughan & Cashmore, 1954, McNamara, 1965, Silber, 1969, Hoag et. al., 1971, Bemporad et. al., 1971, Katz, 1972, Bemporad et. al., 1978, Fritz & Armbrust, 1982, Wurst 1982, Tatzer, 1983, Strunk, 1989).
Olatawura (1973), Wolters & Wauters (1975), Keilbach (1977), Artner & Castell (1979), Bosch (1988) und Steinhausen (1989) sahen keinen - oder keinen so deutlichen - Zusammenhang zwischen Sauberkeitstraining und Enkopresis[106]. Auch Bellman (1966) kommt zu dem Schluß : „There was no difference at all between the two groups concerning the onset of pot training" (S. 97). Allerdings stellte sie einen signifikanten Unterschied (Niveau von 0,1 %) in Bezug auf zwanghafte Maßnahmen im Vergleich zur Kontrollgruppe fest.
Insgesamt gesehen ist meiner Meinung nach - sowie nach sorgfältigem Abwägen der Untersuchungsergebnisse - ein zwanghaftes Toilettentraining ein möglicher, aber nicht in jedem Einzelfall nachweisbarer Faktor für die Entstehung der Enkopresis.
Nach der Theorie Sigmund Freuds (1972, 1980, 1989) tritt das Kind in seinem zweiten Lebensjahr in die anale Phase ein, in der die Exkretionsvorgänge im Mittelpunkt seines Interesses stehen. Der Ort der Erregung liegt im Anus und in den Bewegungen der Ausscheidungen im Darm. „Das Ausstoßen der Ausscheidungen soll die Spannung verringern und durch die Stimulierung der Schleimhäute Lust erzeugen" (Pervin, 1987, S. 108). Dieser Lustgewinn ist mit insgesamt drei Konflikten für das Kind verbunden:
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1. |
Triebkonflikt zwischen Herauslassen und Behalten |
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2. |
Konflikt zwischen triebhaftem Vergnügen der Erleichterung
und den Versuchen des Ich, kontrollierend einzugreifen |
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3. |
Konflikt zwischen Wunsch nach freudiger Entleerung
und der Forderung der Außenwelt, diesen aufzuschieben |
An dieser Stelle setzen nun die Erziehungsmaßnahmen ein, die zum Ziel haben, das Kind an das kulturell vorgeschriebene Ausscheidungsverhalten zu gewöhnen. Es ist die erste Triebeinschränkung, „die das Kind, wenn auch auf äußeren Anlaß hin, selbständig ausführen muß" (Binét, 1979, S. 1122). Im weiteren Verlauf der normalen Entwicklung[107] verringert sich das Interesse des Kindes an seinen Ausscheidungsvollzügen, und durch die Ausformung sogenannter Reaktionsbildungen wird die frühere Lust durch Scham und Ekel ersetzt. Durch die zunehmende Differenzierung zwischen Körper und Psyche ist das Kind zudem mehr und mehr in der Lage, seine Gefühle auch über andere als körperliche Ausdrucksformen - wie z.B. die Sprache - mitzuteilen (vgl. Nissen, 1980).
Der Enkopretiker konnte dagegen „diesen Kompromiß zwischen Triebregungen und Anforderungen der Umwelt nicht finden" (Bürgin, 1993, S. 217) oder ist, wie Edgcumbe (1978), schreibt auf diese frühe Entwicklungsstufe regrediert :
Regression
may be a reaction to external stresses (such as seperation from the mother,
illness or hospitalization, birth of a sibling); or it my occur because at
higher levels of development the child finds himself caught in conflicts which
he cannot solve, and as a result retreats from the insoluble conflicts by
reverting to functioning at a lower developmental level (S. 59).
In der psychoanalytischen Theorie werden insbesondere die aggressiven Anteile der Symptomatik hervorgehoben. Burns (1941) sieht wie Biermann (1951/52) in der Enkopresis „an unconsious reaction, both of aggression and fear" (S. 768). Keilbach (1976, 1977) weist auf den aggressiven Charakter des Kotes als Projektil hin, eine Auffassung, die auch von Erikson (1984) geteilt wird.
Daneben finden sich aber auch Vertreter, die die Enkopresis als Ausdruck einer schwerwiegenden Angstproblematik (vgl. Glanzmann, 1934, Eller, 1960, Bürgin, 1993) sehen, sowie diejenigen, die in der Symptomatik den Wunsch nach kleinkindhaften Versorgstsein (vgl. Keilbach, 1977, Edgcumbe, 1978, Wagerer, 1978) erblicken. Von Spitz & Wolf (1949) sowie von A. Freud (1966, 1968) kommt die psychologische Erklärung, daß das Versagen des Schließmuskels als eine kindliche Reaktion auf einen Objektverlust zu verstehen ist[108]. Dührssen (1974) und Schwidder (1975) sehen dagegen im Symptom eine Besitzproblematik. Nach Dührssen (1974) erhalten die Ausscheidungsvollzüge "Besitztönung", während Schwidder (1975) darin „die karikierte Erfüllung des Gebotes, herzugeben und nicht retentiv zu sein, mit heftigem Protest und verwahrlosender Überschreitung anderer Gebote" (S..311) sieht. In wieder anderen Darstellung hat der Kot Phallusbedeutung (vgl. Berger, 1974), oder das Kind drückt in seinem Symptom Verachtung für den geizigen Vater aus, während es der Mutter das gibt, was es vom Vater gemäß der Gleichung Kot = Geld nicht bekommt (vgl. Prath, 1951). Glanzmann (1934) schließlich sieht die Enkopresis in Zusammenhang mit der Analsexualität als autoerotische Befriedigungsform, als Angstneurose (s.o.) sowie im Zusammenhang mit Sexualangst[109] als ambivalentes Geschehen zwischen lustvollen Elementen während des sexuellen Traumas und der Furcht vor Wiederholung des Geschehens.
Insgesamt muß gesagt werden, daß die psychoanalytischen Vorstellungen über die Enkopresis ein unscharfes und zugleich komplexes Bild an möglichen Deutungen abgeben. Diese Erklärungen müssen vor diesem Hintergrund - insbesondere mit Blick auf deren wissenschaftlich nicht nachzuprüfenden Gehalt - als Denkmöglichkeiten aufgefaßt werden, die im Einzelfall auf ihre Gültigkeit hin überprüft werden müssen.
Nach Auffassung dieser Theorie handelt es sich bei der Enkopresis „um das Produkt ungenügender, fehlerhafter oder unangemessener Lernerfahrungen im Zusammenhang mit der Stuhlexkretion" (Krisch, 1985, S. 181).
Gelangen mit Hilfe der Darmmuskulatur Stuhlmengen in das leere Rektum, verschieben unauffällige Kinder die Entleerung, bis sich eine geeignete Situation bietet. Durch zunehmenden Druck des gefüllten Rektums kommt es zu einer Dehnung und über die Reizung der Dehnungsrezeptoren zum Stuhldrang. Neale (1963) nimmt ein Adaptationsprozeß an, dergestalt, daß das Bedürfnis zur Defäkation mangelhaft bewußt wird, wenn über einen längeren Zeitraum hinweg die Meldung des gefüllten Rektums nicht zur Defäkation führt. „In fact, the encopretic child fails to respond to rectal cues, and either hoards feces until they lack or releases them in an inappropriate place" (Fisher, 1979, S. 565). Nach lerntheoretischer Ansicht besteht die Gefahr darin, daß sich dieses unangemessene Verhaltensmuster einschleift und über unterschiedliche Verstärker aufrechterhalten wird wenn das Symptom auftritt (soziale Verstärker wie Zuwendung etc.).
Da der gestörten emotionalen Mutter-Kind-Beziehung naturgemäß eine große Bedeutung für die Genese kindlicher Verhaltensstörungen zugewiesen wird (vgl. Berger, 1977), verwundert es nicht, daß auch im Falle des Symptoms Enkopresis versucht wurde, bestimmte Persönlichkeitseigenschaften oder Verhaltensmerkmale der Mutter herauszuarbeiten. Nachfolgend möchte ich versuchen, eine kurze Übersicht über die Beschreibungen der Persönlichkeit beziehungsweise des Verhaltens der Mutter in der Literatur zu geben.
Die zwanghafte, pedantische, rigide und hohe Ansprüche
setzende Enkopretiker-Mutter wird von mehreren Autoren (vgl. Anthony, 1957,
McTaggart & Scott, 1959, Vaughan, 1961, Gelber & Meyer, 1965, Hoag et.
al., 1971, Berger, 1974, Fisher, 1979, Strunk, 1980) beschrieben. Strunk (1980)
kommt zu der Auffasung, daß die extremen Sauberkeitsbedürfnisse dieser Mütter
- sowie deren Beunruhigung durch Schmutz & Kot (vgl. Berger, 1974) - es
nahe legen, „darin eine Abwehr eigener analerotischer Bedürfnisse zu
vermuten" (S. 194). Aus dieser Ablehnung heraus ist auch nachvollziehbar,
daß diese Mütter die Sauberkeitserziehung möglichst schnell abgeschlossen
haben wollen. Anthony (1957)
streicht noch ein weiteres Charakteristikum heraus : „They are prone to dichotmise
their concepts, and the world for them is sharpely divided into categories of
good and bad, clean and dirty; the good beeing clean and the bad dirty"
(S. 158).
Shirley (1938), Wolff (1969), Keilbach (1977), Edgcumbe (1978) sowie Artner & Castell (1979) beschreiben Enkopretiker-Mütter als überängstlich und überbehütend. Verbunden mit dieser Überfürsorge ist die Unfähigkeit, sich auf die spontanen Bedürfnisse und das spontane Verhalten des Kindes einzustellen. Nach Artner & Castell (1979) liegt diesem Verhalten eine gestörte emotionale Beziehung zugrunde, „die dann in Schuldgefühlen und Beziehungsambivalenz erlebt wird" (S. 121).
Die nach außen hin dominante Mutter ist nach Ansicht von Bemporad et. al. (1971) zudem übermäßig in die Geschehnisse des Kindes involviert. Ein schon fast gewalttätiges Einmischen in die Belange des Kindes stellt in diesem Zusammenhang Binét (1979) fest. Nach Bemporad et. al. (1971) ist für diese Mütter ein ambivalentes Verhalten „between an overbearing intrusion into the life of the child and a rejecting excluding type of behavior" (S. 274) charakteristisch. Gleichfalls sind sie unglücklich mit ihrer Identität und Rolle als Frau und/oder Mutter[110]. Typisch für diese Mütter scheint weiterhin deren Ignoranz der Probleme des Kindes, die fehlende Empathie und das Einfühlungsvermögen sowie „a tendency to talk about things in front of the child which were totally embarassing to him" (Bemporad et. al., 1971, S. 274) zu sein. Bemporad et. al. (1971) konnten zudem eine Häufung von Depressionen bei dieser Gruppe feststellen. Eine psychische Störung, auf die auch von McTaggart & Scott (1959) , Shane (1967) und Arajärvi & Huttunen (1971) hingewiesen wird.
Aus Untersuchungen mit Kontrollgruppen konnte Bellman (1966) ermitteln, daß die Enkopretiker-Mütter ängstlicher, emotional instabiler und nachgiebiger als Mütter der Kontrollgruppe waren. Darüberhinaus waren sie depressiver und/oder gewalttätiger sowie überbehütender als die Kontrollgruppe. Bellman (1966) konnte weiterhin zeigen, daß sie - im Gegensatz zur Kontrollgruppe - die Tendenz aufweisen, auf Mißgeschicke mit Bestrafungen etc. zu reagieren. Wolters (1978) machte eine übernachgiebige Erziehungshaltung aus, die jedoch auch in seiner Kontrollgruppe zu verzeichnen war. Wille (1984) schließlich kommt zu dem Schluß, daß Enkopretiker-Mütter häufig eine Erziehungshaltung zeigen, „die geprägt ist von Autorität, Ablehnung und Perfektionismus" (S. 75). Desweiteren leiden sie häufiger an Infantilismus. Bellman (1966), Olatawura (1973) und Wolters (1978) konnten in Bezug auf die Häufigkeit nervöser Symptome, Persönlichkeitsstörungen und/oder psychischer Erkrankungen keine Unterschiede ausmachen. Lediglich Wille (1984) sah eine Tendenz in diese Richtung.
Abschließend muß damit wieder einmal gesagt werden, daß ein typisches Persönlichkeitsbild oder Verhaltensmuster von Enkopretiker-Müttern nicht ausgemacht werden konnte. Zudem können die beschriebenen Charakteristika natürlich auch sekundärer Natur - also durch die Symptomatik der Kinder bedingt - sein.
„Über die Väter schweigt meines Wissens die Literatur" (Wagerer, 1978, S. 25). Zwar kann dieser Satz zum heutigen Stand der Forschung nicht mehr aufrechterhalten werden, er zeigt jedoch die marginale Bedeutung der Väter in der Forschung zur Enkopresis an. So sind auch die ersten Beschreibungen zur Persönlichkeit beziehungsweise zum Verhalten der Väter meist nur Randnotizen im Zusammenhang mit Falldarstellungen (vgl. Schimon, 1962, Gelber & Meyer, 1965, Shane, 1967, Keilbach, 1977). Die übrigen Berichte sind wenig einheitlich. McTaggart & Scott (1959) beschreiben ihn als „an easygoing nonchalent individual" (S. 767), Niedermeyer & Parnitzke (1963) heben besonders seine Aggressivität hervor, Wolff (1969) sah gehäufte Alkoholismusprobleme, Hoag et. al. (1971) sehen ihn als kritischen, rigiden, strengen, sarkastischen Menschen mit vielen passiven Eigenschaften und Bemporad et. al. (1971) als eine von einer dominanten Frau geführte Person mit Neigung zu Depressionen. In einer Katamnesestudie konnten Probst et. al. (1980) feststellen, daß der väterliche Erziehungsstil von den Kindern „überwiegend desinteressiert, wenig akzeptierend und überfordernd" (S. 145) beschrieben wurde.
In der Zusammenschau der einzelnen Publikationen zieht sich dennoch ein gemeinsames Merkmal wie ein roter Faden durch fast sämtliche Artikel. Insbesondere in neueren Publikationen (vgl. Bürgin, 1993) wird die schon von Bemporad et. al. (1971) gemachte Beobachtung, daß „these individuals had no idea of how to participate in family activities and were completely unaware of their lack of involvement" (S. 273), weiter gestützt. Der "flüchtende" Vater (vgl. Bender & Branik, 1992) wird fast durchgängig beschrieben (vgl. Newson & Newson, 1965 nach Benady, 1967, Hoag et. al., 1971, Wolters, 1974, Berger, 1974, Keilbach, 1977, Wolters, 1978, Bemporad et. al., 1978, Fisher, 1979, Wille, 1984, Bürgin, 1993). Neben Schaengold (1977) berichteten insbesondere Bemporad et. al. (1971), daß in vielen Fällen die Enkopresis sistierte, wenn der Vater eine größere Verantwortung innerhalb der Familie übernahm. Jedoch wird hierbei weniger seine Wirkung als Identifikationsfigur herausgestrichen, sondern vielmehr die durch seine Rückkehr verbesserte Mutter-Kind-Beziehung, da die Änderung der Symptomatik zu rasch erfolgte, „to be a result of the more leisurely process of identification" (Bemporad et. al., 1971, S. 291).
In den Untersuchungen mit Kontrollgruppen fand Bellman (1966), daß Enkopretiker-Väter häufiger über nervöse und somatische Beschwerden klagten, tendenziell in den ersten vier Jahren wenig mit der Erziehung der Kinder zu tun hatten, strengere Erziehungsmaßnahmen anwendeten und eine größerer Disziplin von ihren Kindern forderten als Väter der Kontrollgruppe. Wolters (1978) Ergebnisse zeigen, daß Enkopretiker-Väter keinen positiven Erziehungsbeitrag beisteuerten. Sie waren wenig involviert, abwesend oder traten in der Rolle des ernsten, bestrafenden Vaters auf. Dies traf zwar auch auf die Kontrollgruppen-Väter zu, jedoch war dort die positive Wirkung in der Familie deutlich besser. Wille (1984) konnte zeigen, daß Enkopretiker-Väter häufiger durch psychische Störungen[111] belastet waren. In Bezug auf die Erziehungshaltung wurden sie prozentual häufiger als gleichgültig, autoritär und ablehnend beurteilt. Der von Wille (1984) berechnete Gesamtscore, der angibt, wie häufig auffälliges Erziehungsverhalten in den einzelnen Patientengruppen vorkommt, war bei Vätern von Enkopretikern signifikant höher als in den Kontrollgruppen.
Als durchgängigstes Merkmal von Enkopretiker-Vätern läßt sich die physische und/oder psychische Abwesenheit in der Familie, insbesondere für die Erziehung, ausmachen, so daß dieses Merkmal unter Umständen ein Faktor bei der Entstehung der Enkopresis sein kann. Allerdings zeigen die klinische Praxis und die o.g. Untersuchungen natürlich auch eine Reihe von Fällen, in denen Kinder mit häufig abwesendem Vater keine Ausscheidungsstörung entwickeln, beziehungsweise Fälle, in denen Kinder trotz physischer oder psychischer Anwesenheit des Vaters eine Enkopresis entwickeln.
Standen in den vorangegangenen Gliederungspunkten die Eltern im Einzelnen im Mittelpunkt, so möchte ich nun die familiäre Situation im Ganzen sowie die Rolle des Enkopretikers in der Familie beleuchten.
Auffallend scheint dabei zu sein, daß Enkopretiker häufig schon vor der Geburt von den Eltern abgelehnt wurden. Hoag et. al (1971) stellten dies bei 9 von 10 Enkopretikern fest, Wille (1984) spricht in seiner Untersuchung von fast einem Viertel. Ein möglicher Grund dafür mag die in einigen Untersuchungen festgestellte uneheliche Geburt - diese lag bei Nidermeyer & Parnitzke (1963) bei 10 %, bei Krisch & Jahn (1981) bei zwei Fünfteln sowie bei Wille (1984) bei 11 % - dieser späteren Enkopretiker sein. Dieses belastete Klima drückt sich auch in der Beobachtung von Hoag et. al. (1971) aus, bei denen das enkopretische Kind in keiner der Familien das beliebteste Kind war, dagegen aber 9 von 10 am wenigsten beliebt beurteilt wurden. Eine bestimmte Stellung in der Geschwisterreihe konnten Hoag et. al. (1971) - erstgeborene Söhne waren überrepräsentiert - und Krisch & Jahn (1981) - Älteste und Einzelkinder - ausmachen. Andere Autoren (vgl. Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Bellman, 1966, Bemporad et. al., 1971, Wille, 1984) konnten dagegen keine signifikanten Unterschiede beobachten.
Neben diesen ungünstigen Startbedingungen wird in der Literatur weiterhin auf das gehäufte Auftreten psychosozialer Probleme unterschiedlichster Art, z.B. Verwahrlosungszüge (vgl. Eller, 1960, Schwidder, 1975, Wille, 1984), soziale Isolation der Familien (vgl. Wagerer, 1976, Keilbach, 1976, 1977), Armut und niedrige soziale Schichtzugehörigkeit (vgl. Hasselmann, 1936, Olatawura, 1973, Wolters, 1974), sowie die Unvollständigkeit der Familien beziehungsweise zerrüttete Eheverhältnisse[112] (vgl. Albrecht & Hoffmann, 1950, Eller, 1960, Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Bellman, 1966, Meyerhoff, 1967, Wolff, 1969, Bemporad et. al., 1971, Olatawura, 1973, Fried, 1980, Probst et. al., 1980, Krisch & Jahn, 1981, Tatzer & Schubert, 1983, Wille, 1984) aufmerksam gemacht. Daß Enkopretiker häufiger ganz ohne Vater und Mutter aufwachsen müssen, konnte von Krisch & Jahn (1981) gezeigt werden, bei denen „bloß in etwa der Hälfte der Fälle Vater und / oder Mutter als erziehungsberechtigte Personen genannt worden sind" (S. 23). Auch Meyerhoff (1967), Wolff (1969), Probst et. al. (1980) sowie Wille (1984) sahen Enkopretiker, die häufig bei Pflegeeltern oder im Heim untergebracht waren.
Eine unterschiedliche Erziehungsauffassung konnte Bellman (1966) signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe feststellen, ein Ergebnis, das gut zu der von Hennig (1977) signifikant häufiger beobachteten Pendelerziehung paßt. Newson & Newson (1965, nach Benady, 1967) berichten, daß strafende Erziehungsmaßnahmen der Eltern häufiger bei Enkopretikern zu finden waren. Eine Beobachtung, die auch von Wille (1984) gemacht wurde. Keilbach (1977) machte eine schwelende Geld- und Leistungsproblematik in den Familien aus (vgl. Dührssen, 1974, Strunk, 1980). Auf Alkoholismusprobleme der Eltern sowie durch psychische Störungen der Eltern belastete Familien weisen diverse Autoren hin (vgl. Shirley, 1938, Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Kettler, 1976, Krisch, 1980, Probst et. al., 1980, Krisch & Jahn, 1981, Wurst, 1982, Wille, 1984). Bellman (1966) konnte diese Ergebnisse nicht bestätigen, fand aber - allerdings nur unter gemeinsamer Betrachtung von Vater und Mutter - in Bezug auf psychische Störungen einen signifikant höheren Anteil bei den Enkopretiker-Eltern.
Bellman (1966) und Wille (1984) konnten signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe schwere Konflikte mit den Geschwistern ermitteln, die zudem negativ auf das Symptom reagierten (vgl. Meyerhoff, 1967, Herzka, 1978, Wagerer, 1978, Wolters, 1978, Artner & Castell, 1979, Probst et. al., 1980). Eine Sündenbockrolle wird von Anthony (1957), Schimon (1962), Baird (1974), Wolters (1978) und Graham (1991) berichtet, während Hoag et. al. (1971) ergänzend feststellen, daß Enkopretiker-Mütter die an ihrem Partner oder einer anderen Person (vgl. Easson, 1960) abgelehnten Charaktereigenschaften auf das Kind projizieren, so daß dieses in der Quintessenz die negativen Eigenschaften ihrer Väter personifizierte.
Obwohl zu den oben angesprochenen psychosozialen Problemen auch gegenteilige Ergebnisse vorliegen - Vaughan & Cashmore (1954) sehen keinen Zusammenhang mit dem soziokulturellen Level, Keilbach (1977) fand die akademischen Berufe der Eltern in ihrer Untersuchung überrepräsentiert, Artner & Castell (1979) konnte kein Kind aus einer geschiedenen Ehe beziehungsweise aus ärmlichen Verhältnissen ausmachen -, spricht meines Erachtens doch einiges dafür, daß sich die Enkopretiker aus einem relativ stark gestörten familiären und sozialen Umfeld rekrutieren.
Die systemtheoretisch ausgerichteten Ansätze zur Erforschung der Enkopresis beschränken sich zur Zeit noch auf einige wenige Arbeiten. Grundlegend anders an diesen Ansätzen ist die Auffassung, daß das Symptom nun nicht mehr als Ausdruck einer gestörten inneren Dynamik des Patienten gesehen wird, sondern als Resultat einer dysfunktionalen Beziehung. Nicht das Kind ist krank, „sondern das Beziehungsgefüge, in dem es lebt, ist krank, und in der Enkopresis drückt sich lediglich als locus minioris resistentiae das kranke Gefüge der Beziehungen zwischen z.B. Mutter-Vater-Kind-Mutter aus, das auf diese Weise für die Diagnose sichtbar wird" (Vogl, 1983, S. 33).
Baird (1974) fand in Familien mit einem enkopretischen Kind vier immer wieder zu beobachtende Interaktionsmuster :
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Interaktionsmuster |
beim Kind: |
bei den
Eltern: |
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1. |
Zurückhaltung |
Stuhl wird bewußt /unbewußt zurückgehalten |
Halten wichtige Dinge wie Lob, Informationen etc.
zurück |
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2. |
Infantilisierung |
Regression / Fixierung auf infantiles Verhalten |
Einmischung in physiologische Angelegenheiten des
Kindes; Behinderung der Entwicklung durch Aufzwingen ihres Willen |
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3. |
Unvermögen, mit Ärger umzugehen |
Ausdruck in vesteckter Form durch Symptom |
Ausdruck durch Bestrafung etc., die andererseits geleugnet
wird |
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4. |
Gestörte Kommunikation |
Symptom als symbolische Darstellung der Störung |
Bedürfnisse werden mißverstanden |
Neben Dreman (1977), der die Auffassung vertritt, daß das enkopretische Kind „may sometimes be the scapegoat and symptom bearer of a troubled family with a severly disturbed communication network" (S. 172), sieht auch Andolfi (1978) das Symptom „as a sign of family dysfunction and of stress consequent to the parents seperation" (S. 25). Für Fried (1980) sind die Ursachen der Enkopresis - neben der Sauberkeitserziehung - ebenfalls in einer charakteristischen Familiendynamik zu suchen. Die Beobachtung, daß in seinem Klientel häufig ein Familienmitglied einen Tod vollführt, gedroht oder gelitten hat und dies Ereignis verheimlicht wurde, bringt ihn zu der Überzeugung, daß das enkopretische Kind mit diesem identifiziert wird. Die Enkopresis ist somit „eine Art Kompromiß zwischen der vollkommenen Kontrolle derer das Kind nicht fähig ist, und den tödlichen Angriffen auf Familienmitglieder, die es doch vermeiden will" (S. 79). Sie ist zwar ein Entblößen „von geheimem Dreck, aber doch kein Verrat der Familiengeheimnisse" (Fried, 1980, S. 79).
Die empirische Absicherung systemtheoretischer Ansätze in der Enkopresisforschung ist noch nicht so weit gediehen, als das ein abschließendes Urteil über die Richtigkeit der Annahmen gemacht werden kann. Meines Erachtens ist es ein wertvoller Theorieansatz, der insbesondere das kommunikative Umfeld einbezieht und somit nicht nur den Symptomträger für die psychische Störung verantwortlich macht.
Betrachtet man die zahlreichen Charakterisierungen enkopretischer Kinder in der Literatur, ergibt sich - wie schon Krisch (1985) feststellt - tatsächlich ein verwirrendes Bild unterschiedlichster Beschreibungen zur Persönlichkeit beziehungsweise zum Verhalten dieser Kinder. Berücksichtigt werden muß dabei selbstverständlich, daß sich viele dieser Versuche allein auf klinische Eindrücke zumeist kleiner Enkopretiker-Gruppen beziehen und wie so oft kaum Kontrollgruppenvergleiche vorgenommen wurden. Nachfolgend möchte ich daher zunächst auf die Untersuchungen eingehen, die diesen methodischen Mangel von vornherein ausgeräumt haben.
Bellman (1966) ermittelte in ihrer Klientenstudie von 75 Enkopretikern im Vergleich zu 75 unauffälligen Kindern folgende signifikante Unterschiede : ein geringeres Maß an Selbstbehauptung, eine geringere Frustrationstoleranz, ein geringeres Maß an Selbstbehauptung, eine Neigung zu Ängstlichkeit sowie größere Probleme bei der adäquaten Handhabung ihrer Aggressionen, die einerseits exzessiv kontrolliert, andererseits völlig unkontrolliert ausgelebt werden[113]. Weiterhin haben sie ein abhängigeres Verhältnis zu ihrer Mutter, haben häufiger keine Trotzphase durchlaufen, zeigen eine größere Passivität und größere Schwierigkeiten sich durchzusetzen. Arajärvi & Huttunen (1971) verglichen 20 Enkopretiker mit 24 Enuretikern und kamen zu dem Ergebnis, daß der Grad der Depression bei den Enkopretikern höher war als bei den Enuretikern. Wolters (1974) verglich 50 Enkopretiker mit 33 Psychosomatikern und 17 Hämodialysepatienten und stellte fest, daß Enkopretiker eigensinniger, unordentlicher und unharmonischer sind sowie mehr ambivalente Beziehungen zu Vater und Mutter aufweisen. Darüberhinaus waren die Differenzen gering, tendenziell gehäuft traten folgende Verhaltensauffälligkeiten auf : Stehlen, Wutausbrüche und aggressiv-destruktive Verhaltensweisen, Sprachprobleme, Nägelkauen, Eßprobleme und Daumenlutschen. Levine et. al. (1980) konnten nachweisen, daß ihre 47 Enkopretiker im Vergleich zu 98 unauffälligen Kindern signifikant mehr Verhaltensmuster wie "ist oft traurig", "weint leicht", "hat viele Ängste" aufweisen und sozial viel zurückgezogener, isolierter, weniger oft mit anderen Kindern zusammen und einzelgängerischer waren als die Vergleichsgruppe. Allerdings konnten die Autoren in Bezug auf antisozial-aggressive Verhaltensweisen keinen Unterschied ausmachen. Krisch (1980)2 verglich 10 Enkopretiker mit jeweils 10 Enuretikern und aggressiven Kindern. Dabei stellte sich heraus, daß die Enkopretiker offen aggressiver waren als die Enuretiker. Die aggressiven Kinder waren allerdings in ihrem Profil beiden Gruppen gegenüber eher unähnlich. Krisch (1980)2 kommt zu der Auffassung daß es sich bei den Enkopretikern um kein besonders schwer geschädigtes Kollektiv handele, da die Verhaltensmerkmale „noch im Bereich des sozial Erwünschten oder wenigstens des Akzeptierten zu liegen scheinen" (S. 45). Im Gegensatz zu dieser Auffassung stehen die Ergebnisse von Wille (1984), der in den Enkopretikern eine Patientengruppe sieht, „die in ihrer sozialen, emotionellen und sexuellen Entwicklung schwer behindert" (S. 80) und „eine psychopathologisch schwer gestörte Patientengruppe sind" (ebd.). Sie wurden fast zur Hälfte als ängstlich, kontaktgestört und depressiv beschrieben. Dabei sind neurotische Störungen[114] und erzieherische, affektive oder frühkindliche Verwahrlosung signifikant häufiger als in den Vergleichsgruppen anzutreffen. Am häufigsten fand Wille (1984) - allerdings ohne signifikanten Unterschied - bei den Enkopretikern Ängste und Depressionen.
Um neben den Ergebnissen mit Kontrollgruppenvergleichen eine Übersicht über die Charakterisierungen von Enkopretikern in der Literatur zu erhalten, möchte ich an dieser Stelle auf die klinischen Fallbeschreibungen ohne Kontrollgruppen eingehen.
Auf das passive, mit Attributen wie weich und verträumt, wehleidig, bedrückt, schüchtern und scheu belegte Verhalten wird von vielen Autoren hingewiesen (vgl. Shirley, 1938, Albrecht & Hoffmann, 1950, McTaggart & Scott, 1959, Eller, 1960, Wolff, 1969, Hoag et. al., 1971, Collier, 1974, Schaengold, 1977, Bemporad et. al., 1978, Strunk, 1980, Artner & Castell, 1981, Wurst, 1982, Fritz & Armbrust, 1982, Wille, 1984, Reinhard, 1985, Bosch, 1988, Graham, 1991).
Gleichzeitig wird von der - überwiegend gehemmten - Aggressivität dieser Symptomgruppe (auch permanente reizbare Empfindsamkeit) berichtet, beziehungsweise auf die erhöhten Schwierigkeiten im Umgang damit - zum Teil exzessive Wutausbrüche bei nichtigen Anlässen - hingewiesen (vgl. Shirley, 1938, Burns, 1941, Biermann, 1951/52, McTaggart & Scott, 1959, Biermann, 1960, Eller, 1960, Wolff, 1969, Hoag et. al., 1971, Bemporad et. al., 1971, Hennig et. al., 1972, Katz, 1972, Collier, 1974, Keilbach, 1977, Harbauer, 1978, Bemporad et. al., 1978, Strunk, 1980, Artner & Castell, 1981, Fritz & Armbrust, 1982, Wurst, 1982, Bosch, 1988, Graham, 1991). Dabei scheint ein Großteil dieser aggressiv gehemmten Patienten die Umwelt als fordernd übermächtig zu erleben, um darauf „aus einem Unterlegenheitsgefühl mit Passivität oder einem gelegentlich demonstrativen, überangepaßten Verhalten zu reagieren" (Strunk, 1980, S. 193). Diese Sichtweise wird auch von Eller (1960) gestützt, der feststellt, daß die in einem nicht unerheblichen Maße vorhandene Aggressivität „meist nur sporadisch bei sonst eher passiver Grundhaltung auftritt" (S. 417). Ähnliche Berichte finden sich auch bei anderen Autoren (vgl. Biermann, 1951/52, McTaggart & Scott, 1959, Wolff, 1969, Bemporad et. al., 1971, Collier, 1974, Wurst, 1982, Bosch, 1988).
Desweiteren sind Darstellungen von depressiven Störungen (vgl. Wolff, 1969, Arajärvi & Huttunen, 1971, Levine & Bakow, 1976, Schaengold, 1977, Bemporad et. al., 1978, Strunk, 1980, Levine et. al., 1980, Wille, 1984, Kratzky-Dunitz & Scheer, 1988, Graham, 1991), einer erhöhten Ängstlichkeit ( vgl. Hasselmann, 1936, Shirley, 1938, Albrecht & Hoffmann, 1950, Eller, 1960, Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Wolff, 1969, Hoag et. al., 1971, Olatawura, 1973, Levine et. al., 1980, Artner & Castell, 1981, Wille, 1984, Geissler, 1985, Bosch, 1988, Bender & Branik, 1992) sowie regressiven Tendenzen (Tagträumereien, Bevorzugung wesentlich jüngerer Spielkameraden) und Wünschen nach kleinkindhaftem Umsorgtsein (vgl. Biermann, 1951/52, Biermann, 1960, Shane, 1967, Wolff, 1969, Granditzsch et. al., 1976, Wagerer, 1978, Artner & Castell, 1981, Kratzky-Dunitz & Scheer, 1988) bei Enkopretikern ebenfalls häufig anzutreffen.
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch angeführt, daß die von einigen Autoren (vgl. Niedermeyer & Parnitzke 1963, Asperger, 1968 nach Krisch, 1985, Bosch, 1988) vorgenommen Einteilungen in bestimmte Enkopretiker-Typen der klinischen Vielfalt der Verhaltensmerkmale nicht gerecht werden (vgl. Strunk, 1980, Krisch, 1985). Auch der Versuch von Anthony (1957), den primären beziehungsweise sekundären Enkopretikern bestimmte Charaktereigenschaften zuzuordnen, konnte in späteren - methodisch fundierteren - Untersuchungen nicht bestätigt werden (vgl. Bellman, 1966, Wille, 1984).
Nach Bellman (1966) waren die häufigsten auslösenden Situationen für den Beginn einer sekundären Enkopresis Schuleintritt, Geburt eines Geschwisterkindes, Scheidung beziehungsweise bevorstehende Scheidung der Eltern sowie Trennung von der Mutter (vgl. Shane, 1967, Wolff, 1969, Bemporad et. al., 1971, Keilbach, 1977, Strunk, 1980, Süssenbacher, 1986). Keilbach (1977) spricht von einem einschneidend erlebten Liebesverlust beziehungsweise - allgemeiner ausgedrückt - von einer Veränderung, die „eine Verdünnung der Beziehung zu den engsten Personen, vorrangig zu der Mutter" (S. 118) bedeutet. Kratzky-Dunitz & Scheer (1988) fassen die Auslöser allgemein als subjektiv vom Kind erlebten Streß zusammen, während Vaughan & Cashmore (1954) auf die Schwere dieser Erlebnisse hinweisen. Wolff (1969) ist der Meinung, daß die in der Literatur (vgl. Bellman, 1966, Bemporad et. al., 1970, Bellman, 1971, Collier, 1974, Bemporad et. al., 1978, Binét, 1979, Fried, 1980, Krisch & Jahn, 1981, Wille, 1984, Steinhausen, 1985) geschilderten Ergebnisse die Hypothese nahelegen, in der häufig festgestellten Trennung des Kindes von der Mutter während der ersten vier Lebensjahre einen möglichen Kausalfaktor für die Entstehung der Enkopresis zu sehen. Daneben sollte im Einzelfall auch der Möglichkeit einer sexuellen Mißbrauchsthematik nachgegangen werden, da schon Glanzmann (1936) und Krisch (1982)[115] entsprechende, seinerzeit allerdings noch als atypisch angesehene, Fälle referierten. Insbesondere in der neueren Literatur zum sexuellen Mißbrauch wird von Enders & Stumpf (1990) sowie in der Broschüre des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (1991) auf das Symptom "Einkoten" als Folgeerscheinung sexueller Mißbrauchserfahrungen hingewiesen.
Betrachtet man zusammenfassend die Ausführungen zur Ätiologie der Enkopresis, so muß gesagt werden, daß von verschiedener Seite unterschiedliche Kausalfaktoren für die Entstehung der Enkopresis ins Feld geführt werden. Das Spektrum reicht dabei von konstitutionellen Faktoren über eine strenge und rigide Sauberkeitserziehung, unangemessene Lernerfahrungen, Angst- und Aggressionstheorien, gestörte Mutter-Kind Beziehungen, physisch und/oder psychisch abwesende Väter, erhöhte Probleme im sozialen und familiären Umfeld, gestörte familiäre Interaktionen bis hin zu persönlichkeitsspezifischen Eigenarten des einkotenden Kindes. Einschränkend muß zu diesen Faktoren allerdings festgehalten werden, daß jeweils auch unterschiedliche, widersprüchliche Untersuchungsergebnisse vorliegen. Mit Blick hierauf sowie die vorgestellte Vielfalt möglicher Entstehungsfaktoren kann mit Bellman (1966) gesagt werden, „that the symptom is not usually caused by a single, well-defined factor" (S. 132). Eine Feststellung, die auch die im nächsten Gliederungspunkt vorgestellten Therapieansätze in nicht unerheblicher Weise beeinflußt, da diese meiner Ansicht nach ebenfalls multikausal ausgerichtet sein müssen, um der Fülle möglicher Problembereiche adäquat begegnen zu können.
Im Folgenden soll auf die derzeit gebräuchlichsten Verfahren zur Therapie der Enkopresis eingegangen werden. Da sie im Rahmen dieser Arbeit nur von marginaler Bedeutung sind, sollen sie nur gerafft und ohne den Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit dargestellt werden.
Die in den zwanziger Jahren gewonnene Erkenntnis, daß der Enkopresis oftmals eine Obstipation zugrunde liegt, bildet auch heute noch die Basis der entsprechenden Behandlungsverfahren.
Den ersten Schritt bildet die Entfernung aller Kotreste aus dem Rektum (vgl. Baum, 1979, Wurst, 1982), wobei unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt werden : Einläufe, Darmspülungen, abführende Suppostorien oder manuelle Ausräumung unter Vollnarkose. Im zweiten Behandlungsschritt wird versucht, eine neuerliche Obstipation mittels unterschiedlicher Verfahren, z.B. bewußt herbeigeführtes Defäzieren nach der Mahlzeit in Kombination mit erhöhter Flüssigkeitsaufnahme, diätetischen Maßnahmen, Mineral-Öl-Behandlungen (vgl. Davidson et. al., 1963) oder auf physikalischem Wege[116] (z.B. Bauchmassage, Bewegung) zu verhindern.
Nach Krisch (1985) gibt es zur Zeit nur wenige Medikamente[117], die zur Behandlung der Enkopresis verwendet werden, über die zudem noch Wirksamkeitsbestätigungen fehlen[118]. Auch die operativen Verfahren - Sphinkterdehnung, Durchtrennung des Schließmuskels - sind eher von untergeordneter Bedeutung, da diese mit Blick auf die mit ihnen verbundene, relativ großen Risiken (vgl. Krisch, 1985), erst nach Ausschöpfung aller konservativen Möglichkeiten, eingesetzt werden sollten.
Mit Krisch (1985) kann gesagt werden, daß der somatisch orientierte Therapeut die mit den oben kurz angesprochenen Verfahren verbundenen psychischen Effekte - aversiver Charakter von Einläufen etc. - mitberücksichtigen und einer durch den Patienten selbst erreichten Symptomfreiheit den höchsten Stellenwert beimessen sollte, bei der die verwendeten Therapieformen nur als Hilfsmittel fungieren.
Eine Darstellung konkreter Inhalte dieser Behandlungsverfahren ist kaum möglich, da diese aufgrund unterschiedlicher Einflußgrößen - Biographie, Neurosengenese, Persönlichkeit, etc. - individuell jeweils unterschiedlich verlaufen. In den Fallberichten (vgl. Shane, 1967, Kettler, 1976, Keilbach, 1976, 1977, Wagerer, 1977, Schimon, 1982) wird immer wieder auf die Phänomene der Übertragung, Regression und dem Ausagieren von Konflikten hingewiesen.
Dabei kommt dem Spiel mit Sand, Lehm, Farbe, dem Modellieren mit Ton, dem Malen und Schmieren besondere Bedeutung zu. McTaggart & Scott (1959) wiesen z.B. einen Patienten an, „to act out his feelings in play therapy, clay modeling and finger painting" (S. 766). Insbesondere Biermann (1960) weist auf die Bedeutung des Malens für Diagnostik und Therapie der Enkopresis hin, wobei diese „dem einkotenden Kind ein Nachholen des frühkindlich gestörten anal-aggressiven Antriebslebens, insbesondere des Schmierbedürfnisses, gestatten und ihm gleichzeitig den bislang verwehrten Eintritt und die Behauptung in der Gemeinschaft ermöglichen" (S. 37) soll[119]. Die Darstellung und das Ausagieren von Aggressionen (z.B. Wurf und Wettkampfspiele) „soll dem Kind ein gewisses Ausleben als auch vor allem ein Sublimieren analerotischer Strebungen ermöglichen" (Bürgin, 1993, S. 225). Ähnliche Ansätze finden sich auch bei Schimon (1962), Shane (1967) und Wagerer (1977). Coché & Freedman (1975) behandelten dagegen einen Fall von Enkopresis mittels Phantasie-Therapie, „ein Training, bei dem Kinder Phantasien an ihre Probleme anknüpfen und sie innerhalb einer Therapie-Gruppe zusammen mit anderen Kindern spielerisch ausdrücken" (S. 26).
Eine abschließende Beurteilung dieser Verfahren ist aufgrund der wissenschaftlich bislang nicht untersuchten Effizienz bei dieser Symptomgruppe kaum möglich. Kritisch anzumerken bleibt allenfalls der relativ hohe Zeitaufwand dieser Methoden - bei Schimon (1962) waren es über 100 Std., bei Keilbach (1976) 180 Std. -, der angesichts des für alle Beteiligten äußerst unangenehmen Symptoms kaum tolerierbar erscheint.
Die verhaltenstherapeutische Behandlung der Enkopresis konzentriert sich auf die Veränderung jener Faktoren, die für das Weiterbestehen der Störung verantwortlich erscheinen. Dabei wird vorwiegend auf die Prinzipien des operanten Konditionierens zurückgegriffen.
An Behandlungsansätzen stehen das einfache auf-die-Toilette-schicken, die Belohnung jeder dortigen Defäzierung über soziale und/oder materielle Vestärker (vgl. Neale, 1963, Ayllon et. al., 1975, Wright & Bunch, 1977) sowie die Extinktion, wenn z.B. das Symptom durch vermehrte Zuwendung der Eltern aufrechterhalten wird - ein Verfahren das in der Praxis nicht ganz unproblematisch durchzuführen scheint (vgl. Balson, 1973) - , zur Verfügung. Weiterhin wird das Sauberbleiben über eine gewisse Zeit hinweg verstärkt (vgl. Amsterdam, 1979) -, ein Vorgehen, welches leicht zu einer Obstipation führen kann, sofern der Enkopretiker mit Blick auf die Gefahr, seine Verstärker zu verlieren, den Stuhl bewußt zurückhält (vgl. Gelber & Meyer, 1965). Auch das Selbstauswaschen der eingeschmutzten Unterwäsche (vgl. Krisch, 1985) ist eine weitere verhaltenstherapeutische Methode.
Im Rahmen komplexer Therapieprogramme werden mehrere dieser Methoden miteinander kombiniert (vgl. Scott 1977, Schaefer, 1978, Krisch, 19801, Bätzel, 1981). Viele solcher Programme integrieren auch noch Informationen über die Physiologie und Pathophysiologie der Ausscheidung (vgl. Krisch, 1981) oder bestimmte Techniken - Desensibilisierung, angenehme Bedingungen während der Defäkation (vgl. Neale, 1963, Artner & Castell, 1979) - bei individuellen Problemen im Zusammenhang mit der Defäkation, z.B. bei einer Toilettenphobie (vgl. Ashkenazi, 1975). Die in mehreren Abhandlungen (vgl. Engel et. al., 1974, Ross, 1982, Enck et. al., 1988, Nissen et. al., 1991) angeführte Biofeedback-Behandlung[120] erbringt ihren Hauptnutzen - auch aus Sicht ihrer Protagonisten - allerdings in erster Linie bei organisch bedingten Ausscheidungsstörungen. In neuerer Zeit erfolgte eine Koppelung somatisch orientierter Behandlungsansätze mit opreanten Techniken unter dem Begriff der "Verhaltensmedizin" (vgl. Trott et. al., 1994, Petermann, 1994). Die unter Pkt. 4.3.1 angesprochene Kritik an diesen Methoden gilt natürlich auch bei ihrem Einsatz im Rahmen dieser Programme. Allerdings wird über die Nachteile in der aktuellen Literatur nicht reflektiert (vgl. Petermann, 1994).
Auf Bestrafungsverfahren wie die von Edelman (1971) vorgeschlagenen „periods of isolation as a punishment for fecal soiling" (S. 71) sowie die fragwürdigen Methoden der Inspektion der Unterwäsche (vgl. Edelman, 1971, Doleys et. al., 1977) und der Überkorrektur (overcorrection) durch Wiederherstellung und positive Praxis[121] (vgl. Butler, 1977, Crowley & Armstrong, 1977) - die man selbst in verhaltenstherapeutischen Kreisen nicht rechtfertigen kann (vgl. Krisch, 1985) - soll nicht näher eingegangen werden.
Insgesamt haben sich die verhaltenstherapeutischen Techniken gut bewährt, jedoch wird nicht nur von Erfolgen auf der ganzen Linie berichtet (vgl. Krisch, 19801). So berichtet beispielsweise Beck (1979) in seinem Therapiebericht über einen enkopretischen Jungen, daß „neben den reaktiven Effekten der Aufzeichnung und dem operanten Programm die erhöhte Zuwendung der Eltern einen nicht zu übersehenden Einfluß auf das Problemverhalten gehabt haben" (S. 96) muß. Es scheint daher angebracht - von Beck (1979) als Breitbandansatz bezeichnet -, neben einer gewissenhaften Auswahl[122] der zur Verfügung stehenden Techniken diese auf jeden Fall mit einer individuumszentrierten Behandlungsform - z.B. Spieltherapie - sowie einem familientherapeutisch ausgelegten Ansatz unter Einbeziehung der Eltern beziehungsweise der erziehungsberechtigten Personen zu kombinieren. Ein Vorschlag, der von einigen Autoren als Mittel der Wahl angesehen wird (vgl. Steinhausen, 1985, Bürgin, 1993).
Die Literatur über systemisch ausgerichtete Behandlungsansätze auf dem Gebiet der Enkopresis ist noch recht dünn gesät und rekrutiert sich zudem lediglich aus Fallberichten, so daß leider kaum konkrete Inhalte dargestellt werden können.
Im Zentrum der Behandlung steht - wie unter Pkt. 4.2.6 -
erörtert nicht das Kind als Patient, sondern das kranke Beziehungsgefüge, wobei
davon ausgegangen wird, daß eine Heilung „nur unter Einbeziehung (und Mitarbeit)
aller in diesem Gefüge involvierten Bezugspersonen (Eltern und Kind)"
(Vogl, 1983, S. 33) erfolgen kann. Insbesondere Gairdner (1963) verweist darauf, daß „psychotherapy is
usually more appropriately directed in the first place to the parents than to
the child, as their attitude will often have become one of hopelessness and
barely suppressed hostility towards him" (S. 93).
Neben Dreman (1977), der seinen Ansatz noch mit einigen verhaltenstherapeutischen Methoden verknüpfte und in seinem Fallbericht beschreibt, wie er die durch Infantilisierung und Verheimlichung gekennzeichnete Familienatmosphäre (vgl. hierzu Baird, 1974) aufzulösen versuchte, legten auch Andolfi (1978) - der sich auf die Wiederherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Geschwistern einerseits und die Auflösung der Schwierigkeiten des elterlichen Subsystems andererseits konzentrierte -, Vogl (1983) - die die Paarbeziehung und die Eltern-Kind Beziehung in den Fokus ihrer Behandlung rückte -, und Hürter & Piske-Keyser (1989) - die im Rahmen einer stationären Behandlung das gemeinsame Muster verschiedener Lösungsansätze auf Basis der Theorie von Watzlawick et. al. (1990) erörterten - weitere Fallberichte vor.
Neben einer kurzen katamnestischen Untersuchung von Bellman (1966) beschäftigten sich seitdem nur noch Meyerhoff (1967) - dessen Ergebnisse allerdings aufgrund der geringen Zahl auswertbarer PatientInnen (nur 14 von 37) kaum interpretierbar sind -, Hennig et. al. (1972), Probst et. al. (1980), Castell et. al. (1983), Wille (1984) und Steinmüller & Steinhausen (1990) mit diesem Thema.
Bellman (1966) stellte lediglich fest, daß von 75 Patienten nach rd. 22 bis 23 Monaten 56 Prozent symptomfrei waren. Diese Patienten hatten das Symptom jeweils nach einer Phase geringer Frequenz verloren, woraus nicht der Schluß gezogen werden darf, daß jeweils danach eine Symptomfreiheit folgt. Hennig et. al. (1972), deren Ergebnisse bei nur 14 Patienten - wie bei Meyerhoff (1967) - kaum interpretierbar sind, stellte 4 Monate nach Entlassung fest, daß nur noch ein Patient einkotete, jedoch sieben weitere nach Entlassung für einen kurzen Zeitraum - ohne Vorliegen akuter Konflikte - wieder eingekotet hatten. Von acht Patienten wurden Verhaltensänderungen in Bezug auf zunehmende Lebhaftigkeit und Aggressivität nach dem Abklingen der Symptome berichtet. Probst et. al. (1980) untersuchten 30 Patienten rd. 18 Jahre nach deren Erstvorstellung. Ein Patient klagte auch im Erwachsenenalter noch über eine Enkopresis, bei 40 % lag eine psychische Beeinträchtiguung vor (Depressionen, soziale Ängste, Alkohol, etc.). In der Persönlichkeitsstruktur[123] zeigte sich eine überdurchschnittliche Extraversion bei gleichzeitiger Aggressionsgehemmtheit. Zudem konnte bei den Patienten ein negatives Selbstbild, eine Tendenz zur sozialen Abwärtsmobilität, soziale Isolation und berufliche Unzufriedenheit festgestellt werden. Castell et. al. (1983) konnten bei 20 nachuntersuchten Enkopretikern rund 4 Jahre nach Entlassung nur zehn symptomfreie registrieren. Von neun als geheilt Entlassenen koteten drei wieder ein.
Wille (1984) führte rd. 7 Jahre (mittlere Katamnesedauer) nach Abklärung mit 37 Patienten eine Nachuntersuchung durch. Alle waren symptomfrei geworden, bei ¾ hatten sich die Begleitsymptome gebessert beziehungsweise waren verschwunden, bei ¼ waren sie gleich stark geblieben. Die Lern- und Leistungs- sowie die Kontaktstörungen waren am seltensten verschwunden. Bei 60 % der Patienten traten neue depressive Symptome auf, bei 61 % neue aggressive Symptome. Es konnten keine Zusammenhänge zwischen Obstipation, Häufigkeit und Stärke des Einkotens und dem aktuellen Zustand ausgemacht werden. Auch Wille (1984) sah eine größere soziale Abwärtsmobiltät der Patienten. Patienten, die eine therapeutische Behandlung erhalten hatten, waren zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung deutlich weniger oft stark gestört als Patienten ohne Behandlung. In der zunächst letzten Studie untersuchten Steinmüller & Steinhausen (1990) 41 Probanden (mittlere Katamnesedauer von 3,6 Jahren) nach und konnten bei 31 Probanden eine Symptomfreiheit - davon 19 spontan und 12 nach Therapie - feststellen. In den Bereichen Hyperaktivität und Emotionalität beschrieben die Eltern die Kinder deutlich weniger auffällig. Dies konnte für dissoziale Störungen allerdings nicht festgestellt werden.
Strunk (1980) kann lediglich darauf verweisen, daß das Symptom im Erwachsenenalter - mit einigen wenigen Ausnahmen (vgl. Bellman, 1966, Probst et. al., 1980) - praktisch nicht mehr beobachtet wird. Harbauer (1984) ergänzt diese Ausführungen noch, indem er hinzufügt, daß aufgrund dieser Tatsache die Prognose sogar als gut anzusehen ist. Das Enkopretiker trotzdem - Gründe für das Sistieren in der Adoleszenz werden im Aufholen von Entwicklungsrückständen beziehungsweise in peer pressure (vgl. Bosch, 1988) gesucht - mit einer schwerwiegenden Erkrankung belastet sind, stellt schon Wurst (1982) fest, der anmerkt, daß mit der Symptomfreiheit keineswegs die charakterlichen Schwierigkeiten behoben sind und - ohne Behandlung - schwere Schäden „auf dem Gebiet des Lernens und für die künftige soziale Position des Patienten" (S. 200) zu erwarten sind. Nach Geißler (1985) weisen 60 % der ehemaligen Enkopretiker eine beeinträchtigte Sozialbewährung auf. Dabei hatten ausgeprägte Störungen des kindlichen Sozialverhaltens (z.B. Aggressivität, hohe Ängstlichkeit, Diebstähle, Lügen, Schulschwänzen etc.) die schlechteste Prognose auf die spätere Entwicklung, ebenfalls negativ wirkten sich abnorme psychosoziale Umstände im Kindesalter (z.B. Disharmonie in der Familie, abnorme familiären Beziehungen etc.) aus.
Bellman (1966) ermittelte aus dem Vergleich der zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung bereits sauber gewordenen Kinder mit denen, die noch immer einkoteten, vier Prognosekriterien. Diese waren: 1. Ängstlichkeit im Kind, 2. Anzahl nervöser Symptome, 3. gestörter Kontakt zur Mutter und 4. wenig gemeinsame Interessen mit der Mutter. In der Untersuchung von Wille (1984) erwiesen sich das Vorliegen von Struktur in der Familie (im Gegensatz zu Verwahrlosung), eine sekundäre Enkopresis, ein höherer Sozialstatus, eine Nicht-Heimplazierung, durchgeführte Therapien, Elternberatung und Einzeltherapien als Prädiktoren, die den späteren Zustand des Patienten positiv beeinflußten. Tendenziell verschlechtern dagegen eine primäre Enuresis, Eheprobleme, ein infantiles psychoorganisches Syndrom sowie ein IQ 110 das spätere Zustandsbild des Enkopretikers. Im Gegensatz zu Steinmüller & Steinhausen (1990) erwiesen sich eine diagnostizierte Obstipation ebensowenig wie das männliche Geschlecht als die spätere Entwicklung beeinflussende Faktoren. Steinmüller & Steinhausen (1990) konnten als positive Prognosekriterien die niedrigfrequente Enkopresis und das männliche Geschlecht ausmachen. Tendenziell wirken sich nach Steinhausen & Steinhausen (1990) eine höhere Intelligenz der Kinder, eine niedrige psychosoziale Belastung, eine sekundäre Enkopresis sowie das Nicht-Vorliegen einer Obstipation eher günstig auf die weitere Entwicklung und die Remission aus.
Nach ausführlicher Darstellung des Symptomkomplexes Enkopresis möchte ich an dieser Stelle die Eingangs formulierte Zielsetzung dieser Arbeit wieder aufgreifen und nachzuprüfen versuchen, ob sich mit Hilfe des Sceno-Testes von Gerdhild von Staabs bestimmte Spielmuster bei Kindern mit diesem Symptom gehäuft nachweisen lassen. Bei der Aufstellung der unter Pkt. 6 zu überprüfenden Hypothesen habe ich mich an die unter Pkt. 4 referierten Problembereiche orientiert und nur diejenigen ausgewählt, die mit Blick auf die diagnostischen Möglichkeiten des Sceno-Test nachprüfbar sind. Bevor ich meine dafür zur Verfügung stehende Stichprobe näher beschreibe und die zugrundeliegende Methodik der Auswertung näher erläutere, möchte ich zunächst versuchen, die im nächsten Gliederungspunkt zu falsifizierenden oder zu verifizierenden Hypothesen aufzustellen.
1. Bei der Erforschung organischer Ursachen für die Entstehung einer Enkopresis wird auf das Vorliegen einer minimalen cerebralen Dysfunktion - vgl. Pkt. 4.2.1 - als ein mitverursachender Faktor hingewiesen. Ebenfalls haben eine Reihe von Autoren - vgl. Pkt. 4.2.2 - Intelligenzdefizite als bedeutsamen ätiologischen Faktor für die Entstehung der Enkopresis ausgemacht. Allerdings muß hierzu gesagt werden, daß - mit Blick auf die Mehrzahl anderslautender Untersuchungen - allenfalls die von Biermann (1951/52) identifizierte chronische Milieuverwahrlosung für die von ihm mit Pseudoschwachsinn bezeichnete Intelligenzschwäche verantwortlich gemacht werden kann.
Selbstredend handelt es sich bei dem in dieser Untersuchung verwendeten Sceno-Test nicht um einen klinischen Test, und natürlich kann ebensowenig eine entsprechende cerebrale Schädigung aus einem Testergebnis heraus diagnostiziert werden. Dennoch fand Kühnen (1973), daß von Enkopretikern „häufig Spielkriterien für das organische Syndrom, wie wir es im Spiel hirnorganisch geschädigter Kinder fanden, gespielt werden" (S. 36). Das Vorkommen dieser Spielmerkmale deutete sie als einen Hinweis auf die von Biermann (1951/52) festgestellte Pseudodebilität dieser Kinder. Mit Blick auf die gemachten Ausführungen müßten die dieses Spielmerkmal verkörpernden Einzelmerkmale wie "Reihungen", "gesamte Spielfläche", "gesamt/formlos", "Rahmensprengung", "formlos" und "minimale bis spärliche Materialverwendung" in den Sceno-Testgestaltungen gehäuft zu finden sein[124].
2. Unter dem Gliederungspunkt 4.2.3 konnte gezeigt werden, daß eine strenge und rigide Sauberkeitserziehung einen möglichen Kausalfaktor für die Ätiologie der Enkopresis darstellt.
Unter dem Sceno-Testmaterial gibt es zwei Spielelemente, bei denen direkte Rückschlüsse auf die Art und Weise, wie das Kind die Reinlichkeitserziehung erlebt und welche Haltungen es daraus entwickelt hat, gezogen werden können : der Nachttopf und der Klo-Stuhl. Mit Blick auf die Mutter-Kind-Beziehung, in der die Mütter oftmals pedantisch auf die Sauberkeit des Kindes bedacht sind - vgl. Pkt. 4.2.5.1 -, beziehungsweise aus eigenen Sauberkeitsanforderungen des Kindes (vgl. Berger, 1974), können mit Hilfe des sich ebenfalls im Scenomaterial enthaltenen Waschbottichs Reinlichkeitstendenzen zum Ausdruck gebracht werden. Ebenso kann seine Verwendung symbolisch für die geforderte Reinlichkeitserziehung stehen. Schweine stehen im allgemeinen insbesondere für Dreck (vgl. auch Brem-Gräser, 1986), so daß sich mit Blick auf die von mir untersuchte Symptomgruppe und ihre Probleme im Bereich der Sauberkeit eine besondere Verwendung der im Sceno-Testmaterial befindlichen Schweine offenbaren könnte. Neben der quantitativen Auswertung der Spielmaterialien werde ich zudem den Kontext, in dem sie Verwendung finden näher untersuchen (z.B. abseits oder außerhalb der Spielfläche gestelltes Klo etc.).
3. Im Rahmen der psychoanalytischen Theorie zu diesem Symptomkomplex - vgl. Pkt. 4.2.4 - wird insbesondere auf die aggressiven Anteile der Symptomatik verwiesen.
Als Symbole für Aggressionen dienen im Scenomaterial insbesondere das Krokodil, der Ganter sowie der Fuchs. Aber auch im Zusammenstoß von Autos, in der betonten Darstellung von Unfallszenen, sowie in der Verwendung des Teppichklopfers in seiner aggressiven Form können sich diese Tendenzen im Sceno-Testspiel zeigen. Natürlich können sich Aggressionen auch direkt zwischen den Puppen abspielen, allerdings scheint dies nach von Staabs (1951) eher die Ausnahme zu sein. Sie beobachtete, daß die Aggressionen eher unter Zuhilfenahme des Zusatzmaterials zum tragen kommen, während bei den Puppen in der Regel die positive Beziehung im Vordergrund steht. Neben der quantitativen Auswertung einzelner Spielmaterialien beziehungsweise Spielmerkmale steht natürlich wieder die qualitative Auswertung im Mittelpunkt meiner Analyse (z.B. gegen wen die Aggressionen gerichtet sind etc.).
4. Von psychoanalytischer Seite - vgl. Pkt. 4.2.4 - sowie im Rahmen von Untersuchungen beziehungsweise klinischen Fallbeschreibungen zur Persönlichkeit und dem Verhalten des einkotenden Kindes wird auf das Vorliegen einer erhöhten Ängstlichkeit hingewiesen.
Im formalen Aufbau des Sceno-Testspieles gelten die Spielmerkmale "peripher", "Eckenbetonung im Zusammenhang mit peripher", "gesamte Spielfläche", "Symmetriebetonung" und "Umgrenzungen" als Hinweise für die Ängstlichkeit eines Spielers. Zudem kann sich in der Verwendung von Elementen der Warnung und Kontrolle sowie in Festungs- oder Schutzbauten die Ängstlichkeit eines Probanden symbolisch darstellen. Zur Bestätigung der Hypothese, daß Enkopretiker unter einer erhöhten Ängstlichkeit leiden, müßten die vorbezeichneten Spielmerkmale in der Sceno-Testauswertung gehäuft zu finden sein.
5. Aus psychoanalytischer Sicht - vgl. Pkt. 4.2.4 -, von systemtheoretischer Seite sowie im Rahmen klinischer Fallbeschreibungen zur Persönlichkeit des Enkopretikers - vgl. Pkt. 4.2.7 - wird auf regressive Tendenzen und den Wunsch nach kleinkindhaftem Umsorgtsein im Verhalten des Enkopretikers hingewiesen.
Die formalen Spielmerkmale im Sceno-Test, die diese Tendenzen verkörpern, sind "peripher", "subjektnahes Spiel", "Flächenaufteilung mit Linksbetonung", "Reihungen" und "formloses Spiel". Darüber hinaus können von den vorhandenen Spielmaterialien insbesondere das Baby im Steckkissen, die Prinzessin, das Fell, der weiche Hund (insbesondere als Kamerad einer Figur), der Storch sowie die Nuckelflasche diese Strebungen symbolisieren. Nach Knehr (1961) enthält insbesondere die Wahl der Figur, die in den Mittelpunkt der Szene gerückt ist, weitere Aufschlüsse über regressive Tendenzen, z.B. wenn es sich dabei um das Baby oder die Prinzessin handelt. Weiteren Indizien sind allgemeine Hinweise auf Zärtlichkeit (z.B. Darstellung von Mutter/Kind Situationen), die Bevorzugung von Figuren, die eine frühere Entwicklungsstufe repräsentieren, aber auch das Auftreten des Zwerges, der in einem Haus ohne Türen und Fenster wohnt.
Bei der Auswertung der Sceno-Testspiele werde ich zunächst die quantitative Erfassung der formalen Spielmerkmale sowie der aufgeführten Spielmaterialien und sodann eine qualitative Auswertung der jeweiligen Szenen auf das Vorliegen von Regressionszeichen vornehmen.
6. Als ein fast durchgängig nachgewiesenes Charakteristikum von Enkopretiker-Familien, kann die physische und psychische Abwesenheit des Vaters - verbunden mit einem geringen positiven Beitrag zur Erziehung - gelten (vgl. Pkt. 4.2.5.2). Sind sie dennoch in familiäre Angelegenheiten involviert, treten sie überwiegend als strenge, Disziplin fordernde Personen in Erscheinung.
Bei der Auswertung der Sceno-Testspiele der Enkopretiker werde ich mich vor diesem Hintergrund ausschließlich mit der quantitativen und qualitativen (Kontext, in dem die Vaterfiguren verwendet werden, z.B. Aggressionen gegen eine Vaterfigur etc.) Verwendung der Vaterfiguren beschäftigen.
7. Wie sich aus den unter Pkt. 4.2.5.3 referierten Untersuchungsergebnissen entnehmen läßt, rekrutiert sich die Gruppe der Enkopretiker häufig aus einem relativ stark gestörten familiären und sozialen Umfeld. Im Folgenden möchte ich jeweils diejenigen Problembereiche herausgreifen, bei denen eine symbolische Umsetzung im Sceno-Testspiel vorstellbar ist.
a.) Wie beschrieben wird das Kind oftmals schon vor der Geburt durch die Eltern abgelehnt. Zudem vereint es oftmals die Charakterisierung als das "am wenigsten beliebte Kind" in der Familie auf sich, welches zudem häufig die Sündenbockrolle für die familiären Probleme "übertragen" bekommen hat.
Es liegt nahe, daß sich das Kind innerhalb seiner Familie isoliert fühlt. Diese Tendenzen können sich im Sceno-Testspiel durch das Auftreten nur einer Figur beziehungsweise mehrere Figuren, die ausdrücklich als Einzelgänger beschrieben werden, die Verwendung des Hundes als Kamerad des Kindes sowie durch das formale Spielmerkmal "Insel /Gruppe alleine" ausdrücken. Weitere Hinweise geben Spielsituationen, in denen z.B. ein Kind abseits oder von einer spielenden Gruppe isoliert aufgestellt wird, ebenso wie die - als Kompensationsversuch zu wertende - Wahl einer bevorzugten Puppe (z.B. Prinzessin) als Identifikationsfigur.
b.) Innerhalb dieses Problemkomplexes wird bei Enkopretiker-Familien auf das Vorliegen von Verwahrlosungszügen hingewiesen.
Diese Tendenz deutet sich im Sceno-Testspiel durch die Verwendung des formalen Spielmerkmals "achtlose Rahmensprengung" als Ausdruck asozialen, über gesetzte Grenzen hinausgehenden Verhaltens an.
c.) Sofern Enkopretiker über Geschwister verfügen, wird häufig auf schwere Konflikte mit diesen aufmerksam gemacht, zumal diese fast durchgängig negativ auf das Symptom reagieren. In diesem Zusammenhang muß auch auf das häufige Einsetzen einer sekundären Enkopresis nach einer Geschwistergeburt hingewiesen werden (vgl. Pkt. 4.2.8), so daß häufig schon von Beginn an eine belastete Atmosphäre existiert.
Eine Geschwisterproblematik kann sich im Sceno-Test andeuten, wenn z.B. das mit dem Geschwisterkind identifizierte Baby abseits gelegt, in den Rachen des Krokodils gesteckt oder sonstwie der Vernichtung preisgegeben wird. Natürlich können auch die restlichen Kinderfiguren in dieser Rolle auftreten. Für die Auswertung werde ich somit neben dem quantitativen - Bevorzugung / Vernachlässigung bestimmter Puppen - auch den qualitativen Aspekt - sprich den Kontext, in dem die verwendeten Kinderfiguren auftreten - mitberücksichtigen.
8. Wie aus den unter Pkt. 4.2.7 referierten Untersuchungen zu ersehen ist, wird die Gruppe der Enkopretiker häufig als kontaktgestört beschrieben.
Im Sceno-Testspiel kann sich eine Kontaktstörung durch folgende formale Spielmerkmale symbolisch offenbaren: "Insel- / Gruppe allein", "Umgrenzungen", "nur Bausteine", "Extreme in der Puppenverwendung"[125] beziehungsweise "keine Puppen" (vgl. Weber, 1952, 1966), häufige Verwendung von "viel Gegenständen" und "beziehungsloses Nebeneinander der Puppen".
9. Im Rahmen der unter Pkt. 4.2.7 referierten Untersuchungsergebnisse wurde darauf hingewiesen, daß Enkopretiker tendenziell gehäuft zu depressiven Verstimmungen neigen.
Eine depressive Verstimmung kann sich im Sceno-Testspiel allgemein durch Bilder der Passivität, wenn z.B. eine kranke Person im Liegestuhl plaziert wird und um sie herum nur kranke und müde Menschen auftreten, symbolisch darstellen. Nach von Staabs (1951) kann auch mit Hilfe des Stadtautos sowie der Eisenbahn eine Tendenz zur Passivität - im Sinne von gefahren werden wollen - ausgedrückt werden. Von Salis & Preisig (1978) fanden bei depressiven Kindern die häufigere Verwendung archaischer Geborgenheitssymbole wie Kuh, Hund, Geflügel, die Anordnung der Figuren auf der rechten Hälfte vor allem im rechten oberen Quadranten, die häufigere Auswahl des Fuchses als Aggressionssymbol sowie des Zwerges bei den mythologischen Figuren und die Tendenz, deutlich seltener vertikal aufzutürmen. Neben der Auswertung quantitativer Aspekte wird es ein Hauptanliegen sein, die oben beschriebenen Bilder der Passivität in den Sceno-Testspielen zu identifizieren.
10. Im Zusammenhang mit der zusammenfassenden Betrachtung möglicher Auslöser für die Entstehung einer Enkopresis (vgl. Pkt 4.2.8) muß auf die häufige Trennung des späteren Enkopretikers von der Mutter innerhalb der ersten vier Lebensjahre hingewiesen werden. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der unter Pkt. 4.2.5.1 beschriebenen Erziehungshaltung der Enkopretiker-Mütter, die in erster Linie durch Ablehnung, Autorität und Perfektionismus gekennzeichnet ist, sowie der - wenn auch nicht durchgängig - beschriebenen Charakterisierungen der Mütter mit Attributen wie fehlende Empathie und Ignoranz gegenüber den Problemen des Kindes kann die Hypothese aufgestellt werden, daß die frühe Kindheit der späteren Enkopretiker durch Deprivationserlebnisse und mangelnde orale Befriedigung gekennzeichnet war. Die von einigen Autoren (vgl. Pkt. 4.1.6) beobachteten Eßprobleme könnten ebenfalls mit diesen frühkindlichen Erfahrungen in Zusammenhang stehen.
Orale Tendenzen können sich im Sceno-Test durch die Verwendung der vorhandenen Haustiere ausdrücken, sofern der Vorgang des Fütterns besonders betont oder die Gruppe im Zentrum der Szene angeordnet wird. Darüberhinaus symbolisieren auch die vorhandenen Früchte sowie die Becher, der Krug und die Schüssel - ggf. unter Verwendung eines gebauten Tisches mit Tischdecke - diese oralen Tendenzen, sofern mit dem beschriebenen Material Essensszenen zur Darstellung gelangen. Von Staabs (1951) sah in der Verwendung der Bäume unter anderem ein Merkmal der Fruchtbarkeit. Vor diesem Hintergrund kann die signifikant häufigere Verwendung des Obstbaumes ein zusätzlicher Hinweis auf symbolisch ausgedrückte orale Strebungen sein. Neben der quantitativen Auszählung der einzelnen Spielmaterialien wird auch eine qualitative Analyse der Sceno-Testspiele im Hinblick auf orale Tendenzen erfolgen. Desweiteren sind zu diesem Themenkomplex sämtliche Sceno-Testgestaltungen zu zählen, die in irgendeiner Weise zum Ausdruck bringen, daß das Kind die Beziehung zur Mutter als gestört empfindet. Beispiele hierfür sind Aggressionen gegen Mutterfiguren, die Plazierung der Mutterfigur im thronartigen Sessel oder ähnliche Konstellationen, die im Einzelnen unter qualitativen Aspekten näher zu bestimmen sind. Dargestellte Wunschszenen, wie z.B. Mutter-Kind-Situationen und Spielmerkmale, die regressive Tendenzen verkörpern, sind dagegen in diesem Zusammenhang als Kompensationsversuch zu werten.
11. Zu den beim einkotenden Kind häufig anzutreffenden Begleitsymptomen (vgl. Pkt. 4.1.6) gehören auch Lern- und Leistungsstörungen. Nach Bründel (1991) - der diese Schwierigkeiten als sekundär bedingt betrachtet - kann eine Enkopresis einerseits zu einer Leistungsschwäche oder -verweigerung sowie andererseits zu einem extremen Leistungsstreben führen.
Im Sceno-Testspiel stellt sich eine Leistungshemmung durch die gehäufte Verwendung von wenig Gegenständen symbolisch dar. Die vertikale Spieltendenz wird dagegen als Kompensation von Leistungsstörungen oder Minderwertigkeitsgefühlen beziehungsweise als Ausdruck einer Ehrgeizhaltung verstanden, insbesondere dann, wenn diesen Bauten das sichere Fundament fehlt. Das Spielmaterial im Sceno-Test, welches diese Bereiche symbolisiert, ist die Schultafel. In ihrer bevorzugten Verwendung im Mittelpunkt der Szene können Hinweise auf die große Belastung durch Schul- und Leistungsprobleme enthalten sein.
Nach der Phase der Hypothesengenerierung werde ich die Stichprobe meiner eigenen Untersuchung vorstellen, das methodische Vorgehen erläutern und sodann die oben aufgestellten Hypothesen an Hand der Auswertungsergebnisse überprüfen.
In den vorangegangenen Abschnitten dieser Arbeit habe ich den Sceno-Test von Gerdhild von Staabs eingehend vorgestellt und die bislang in der wissenschaftlichen Literatur identifizierten Spielmerkmale sowie deren symbolische und diagnostische Bedeutung herausgearbeitet. Anschließend habe ich den Symptomkomplex der Enkopresis ausführlich behandelt und dabei insbesondere die zum Teil divergierenden Standpunkte zu dieser Störung erörtert. Vor dem Hintergrund des damit aufgebauten Wissenstandes über den Sceno-Test und den Symptomkomplex Enkopresis habe ich sodann all diejenigen Bereiche der Störung herausgearbeitet, die sich - anhand von bestimmten Spielmerkmalen - mit Hilfe dieses Testverfahrens bei Enkopretikern gehäuft nachweisen lassen müßten. Dabei wurden ganz bewußt auch sich gegebenenfalls gegenseitig ausschließende ätiologische Konzepte beziehungsweise Erscheinungsweisen der Störung in den Hypothesenkatalog aufgenommen, um somit bei der Auswertung der Sceno-Testschlußbilder meiner Untersuchungsgruppe mögliche Bestätigungen für die eine oder andere Sichtweise erhalten zu können.
Für diese Untersuchung standen mir insgesamt 28 Sceno-Testschlußbilder von 28 Enkopretiker zur Verfügung, von denen vier mit mir als Versuchsleiter erstellt wurden. Die restlichen 24 Sceno-Testschlußbilder rekrutieren sich aus mir zur Verfügung gestellten Sceno-Test-Bildern - zumeist Polaroidfotos - abgeschlossener Fälle aus regional ansässigen Erziehungsberatungsstellen, von niedergelassenen Kinder- und Jugendtherapeuten sowie aus einem Kinderkrankenhaus. Zu diesen Bildern wurde mir das jeweilige Sceno-Testprotokoll übergeben[126], welches allerdings nur zum Teil durch zusätzliche anamnestische Daten des jeweiligen Klienten beziehungsweise durch Angaben zur familiären Situation ergänzt wurde[127]. Die als Anlage B zu dieser Arbeit abgebildeten Sceno-Testspiele habe ich in der Regel[128] auf der Grundlage der mir zur Verfügung gestellten Polaroid-Fotos nachgebaut und bildlich festgehalten.
Bei der Auswertung der Sceno-Testschlußbilder habe ich mich auf die in wissenschaftlichen Abhandlungen (s.h. Pkt. 3.4) bislang identifizierten Spielmerkmale, beziehungsweise die in der Basisliteratur (in erster Linie von Staabs, 1951 und Knehr, 1961) bereits referierten Symbolgehalte einzelner Materialien beschränkt, um somit der Gefahr vorzubeugen, auch dort etwas zu interpretieren, wo ein entsprechender Sinnzusammenhang noch nicht ausreichend abgesichert wurde. Die detaillierte Beschreibung einzelner Spielmerkmale beziehungsweise Symbolbedeutungen können unter dem Gliederungspunkt 3.4 nochmals vertiefend nachgelesen werden.
Leider war es mir im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, eine entsprechende Vergleichsstichprobe zu erheben, was den Aussagewert der Untersuchung erheblich eingeschränkt hätte. Um diesem Manko von vornherein entgegenzuwirken habe ich einen Vergleich mit den bei Kühnen (1973), von Salis (1975) und Krolewski (1984) verwendeten Kontrollgruppen vorgenommen. Hinsichtlich der Zusammensetzung dieser Gruppen verweise ich auf Pkt. 6.3 dieser Arbeit. Allerdings muß hierzu angemerkt werden, daß die vorgenannten Autoren naturgemäß nicht sämtliche von mir aufgestellten Spielmerkmale untersucht haben, so daß ein statistischer Vergleich nur bei völlig identischen Spielmerkmalen durchgeführt werden konnte. Vor dem Hintergrund des relativ kleinen Stichprobenumfanges von nur 28 Probanden und der Tatsache, daß die vorgenannten Autoren nur selten eine Aufschlüsselung in einzelne Alters- beziehungsweise Geschlechtergruppen vorgenommen haben, werde ich auf einen statistischen Vergleich dieser Merkmale verzichten. Als statistisches Prüfverfahren habe ich den Chi-Quadrat-Vierfeldertest sowie Kullbacks 2 î-Test für die Auswertung jener Spielmerkmale, in denen die Erwartungswerte < 5 waren, angewandt (Berechnungsbeispiele s.h. Anlage C). Zur Unterscheidung werden die Chi-Quadrat-Ergebnisse auf Basis des Vierfelder-Testes mit Chi-Quadrat-1, die auf Basis des Kullbacks 2 î-Testes mit Chi-Quadrat-2 bezeichnet. Für die restlichen - ohne statistischen Vergleich - ermittelten Ergebnisse können hinsichtlich ihrer Bedeutung nur Annahmen formuliert werden, die in weiteren Untersuchungen mit Hilfe von Vergleichsgruppen zu untermauern sind. Die entsprechenden Auswertungsprotokolle sind als Anlage B dieser Arbeit beigefügt.
|
Pb.Nr. |
Alter |
Geschlecht |
Primäre / Sekundäre Enkopresis |
Beginn |
Dauer |
Geschwister |
Begleit- symptome |
Eltern getrennt ja / nein |
|
1 |
7;6
|
männlich |
sek.
Enk.. |
mit
5 J. |
2
½ J. |
4
- jüngstes |
Aggressionen Obstipation |
nein |
|
2 |
10 |
männlich |
sek.
Enk. |
mit
8 J. |
2
J. |
3 - jüngstes |
Enuresis nocturna Obstipation Lernstörungen |
nein |
|
3 |
9;11
|
männlich |
prim.
Enk. |
-- |
-- |
2
- jüngstes |
Obstipation |
ja |
|
4 |
10;6
|
weiblich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
3
- mittleres |
Enuresis |
nein |
|
5 |
9;6 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
Obstipation |
nein |
|
6 |
4;2 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
Einzelkind |
Aggressionen |
ja |
|
7 |
7;6 |
männlich |
sek.
Enk. |
k.
A. |
k.
A. |
2
- ältestes |
Hyperaktivität, Tierquälereien |
ja |
|
8 |
8;3 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
nein |
|
9 |
7;10 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
10 |
10 |
männlich |
sek.
Enk. |
mit
8 J. |
2
J. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
11 |
9 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
12 |
14 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
13 |
7 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
14 |
8;7 |
männlich |
prim.
Enk. |
-- |
-- |
2
- jüngstes |
k.
A. |
nein |
|
15 |
12 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
16 |
10;3 |
männlich |
sek.
Enk. |
mit
9 J. |
2
Mon. |
Einzelkind |
Kontaktpro-bleme, Schulleistungs-störungen |
ja |
Anmerkung:
k.A. = keine Angabe
|
Pb.Nr. |
Alter |
Geschlecht |
Primäre / Sekundäre Enkopresis |
Beginn |
Dauer |
Geschwister |
Begleit- symptome |
Eltern getrennt ja / nein |
|
17 |
5;10 |
weiblich |
prim.
Enk. |
--
|
-- |
2
- Zwillinge |
k.
A. |
nein |
|
18 |
7;1 |
weiblich |
sek.
Enk. |
mit
4 J. |
ca.
2 J. |
3
- mittleres |
Enuresis
diurna |
nein |
|
19 |
5;4 |
männlich |
prim.
Enk. |
-- |
-- |
2
- ältestes |
Enuresis
nocturna |
ja |
|
20 |
6;2 |
weiblich |
sek.
Enk. |
mit
4 J. |
ca.
2 J. |
5
- zweitälteste |
Enuresis nocturna |
nein |
|
21 |
7 |
männlich |
sek.
Enk. |
k.
A. |
k.
A. |
2
- jüngster |
k.
A. |
nein |
|
22 |
6 |
weiblich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
23 |
5;7 |
weiblich |
k.A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
24 |
6;10 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
25 |
7;9 |
männlich |
prim.
Enk. |
-- |
-- |
2
- ältester |
Obstipation |
ja |
|
26 |
7;4 |
männlich |
prim.
Enk. |
-- |
-- |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
27 |
7;3 |
männlich |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
k.
A. |
|
28 |
6;1 |
weiblich |
prim.
Enk. |
-- |
-- |
5
- zweit- älteste |
Enuresis, Obstipation |
nein |
Anmerkung:
k.A. = keine Angabe
Auf eine detaillierte Darstellung einzelner Aspekte der vorgenannten Daten meiner Stichprobe möchte ich angesichts des eingeschränkten Aussagewertes aufgrund der mir in vielen Fällen nicht zur Verfügung stehenden Angaben verzichten. Im Folgenden werde ich nur die mir zu jedem Fall vorliegenden Alters- und Geschlechtsangaben mit den in der Literatur berichteten Zahlen vergleichen.
Nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt stellen sich die ausgewerteten Sceno-Testspiele der Untersuchungsgruppe wie folgt dar.
|
Altersgruppe |
Jungen |
Mädchen |
Gesamt |
|
3 - 5 Jahre |
2 |
2 |
4 |
|
6 - 8 Jahre |
11 |
4 |
15 |
|
9 - 11 Jahre |
6 |
1 |
7 |
|
12 - 17 Jahre |
2 |
- |
2 |
|
Summe |
21 ( 75 % ) |
7 ( 25 % ) |
28 |
Das Alter meiner Stichprobe streut zwischen 4 ½ Jahren und 14 Jahren, wobei die größte Häufigkeit zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr festzustellen ist. Diese Befunde stimmen gut mit den in der Literatur berichteten Ergebnissen (vgl. Bellman, 1966, Probst et. al., 1980, Wille, 1984) überein. Das Altersmittel aller Enkopretiker liegt bei 8,0 Jahren und ist somit analog zu dem von Krisch & Jahn (1981) ermittelten Wert von 8,08 Jahren.
Die Geschlechtsverteilung von 3,0 Jungen auf 1 Mädchen entspricht ebenfalls den in der Literatur veröffentlichten Angaben, die bei Bellman (1966) mit einer Verteilung von 3,4 zu 1 beziehungsweise von Krisch (1985) mit 3,5 zu 1 beziffert werden.
Als Vergleichsgruppe für das Formale im Sceno-Test wählte ich die Gruppe der Stotterer bei Kühnen (1973) aus, da sie in der Alters- und Geschlechtszusammensetzung prozentual in etwa mit meiner Enkopretiker-Stichprobe vergleichbar ist. Diese Gruppe stellt sich wie folgt dar.
|
Altersgruppe |
Jungen |
Mädchen |
Gesamt |
|
3 - 5 Jahre |
5 |
0 |
5 |
|
6 - 8 Jahre |
26 |
9 |
35 |
|
9 - 11 Jahre |
25 |
5 |
30 |
|
12 - 17 Jahre |
11 |
2 |
13 |
|
Summe |
67 ( 80,7 % ) |
16 ( 19,3 % ) |
83 |
Von Salis (1975) nahm anhand von insgesamt 298 Sceno-Test-Schlußbildern eine formale Analyse des Sceno-Test-Schlußbildes vor. Die Gruppe setzte sich dabei aus 126 Probanden (Klinische Gruppe) im Alter von 4 bis 18 Jahren - die Geschlechtsverteilung betrug 87 Knaben : 39 Mädchen - sowie aus 172 Kontrollprobanden mit dem gleichen Altersspektrum - davon 83 Knaben und 89 Mädchen - zusammen.
In der folgenden Tabelle habe ich nochmals die Altersverteilung beider Gruppen detailliert aufgeführt.
|
Altersgruppe |
Klinische Gruppe |
Kontrollgruppe |
|
4 - 8 Jahre |
36 |
46 |
|
9 - 11 Jahre |
40 |
60 |
|
12 - 14 Jahre |
29 |
50 |
|
15 - 18 Jahre |
21 |
16 |
|
Summe |
126 |
172 |
Krolewski (1984) wählte seine Kontrollgruppe im Rahmen seiner Sceno-Test-Untersuchungen an 60 Enkopretikern aus dem Gesamtklientel einer Erziehungsberatungsstelle "Kinder mit Schul- und Konzentrationsschwierigkeiten" aus, die „in einer Art modifiziertem matched-pairing in Altersgruppen- und Geschlechtszusammensetzung an die Enkopretiker-Gruppe" (S. 22) angeglichen wurden. Da Krolewski (1984) keine Altersgruppen sowie keine Geschlechtsverteilung für die Vergleichsgruppe publiziert hat, bin ich davon ausgegangen, daß die Kontrollgruppe analog der Enkopretiker-Gruppe verteilt ist. Diese stellt sich somit wie folgt dar.
|
Altersgruppe |
Jungen |
Mädchen |
Gesamt |
|
2 - 5 Jahre |
5 |
2 |
7 |
|
6 - 8 Jahre |
26 |
4 |
30 |
|
9 - 11 Jahre |
14 |
3 |
17 |
|
über 12 Jahre |
5 |
1 |
6 |
|
Gesamt |
50 ( 83,3 % ) |
10 ( 16,7 % ) |
60 |
Graphisch dargestellt präsentiert sich die Altersverteilung der Kontrollgruppen - mit Ausnahme derjenigen von v. Salis (1975) - im Vergleich zu meiner Stichprobe wie folgt.
Die Geschlechtszusammensetzung der Kontrollgruppen im Vergleich zu meiner Stichprobe ist in der folgenden Grafik bildlich dargestellt.
Nach Darstellung der für meine Untersuchung verwendeten Kontrollgruppen möchte ich im folgenden Gliederungspunkt die von mir unter Pkt. 5 aufgestellten Hypothesen anhand der Sceno-Testauswertungen der Reihenfolge nach überprüfen. Da der theoretische Hintergrund bereits ausführlich unter Pkt. 5 erörtert wurde, beschränke ich mich im Folgenden darauf, diesen zur besseren Orientierung nur noch fragmentarisch im Rahmen der Auswertung einzufügen.
Im Sceno-Testspiel enkopretischer Kinder müßten sich gehäuft die Spielmerkmale des organischen Syndroms - im einzelnen aus den Spielmerkmalen "Reihungen", "gesamte Spielfläche", "gesamt/formlos", "Rahmensprengung", "formlos" und "minimale bis spärliche Materialverwendung" bestehend - nachweisen lassen. In den von mir untersuchten Sceno-Testbildern von 28 Enkopretiker stellen sich die Ergebnisse wie folgt dar. Als Vergleichsgruppe diente mir die Gruppe der Stotterer aus der Untersuchung von Kühnen (1973).
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Reihungen |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
2 |
5 |
7 |
|
|
nicht gespielt |
26 |
78 |
104 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
83 |
111 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
gesamte
Spielfläche |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
5 |
24 |
29 |
|
|
nicht gespielt |
23 |
59 |
82 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
83 |
111 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
gesamt /
formlos |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
2 |
2 |
4 |
|
|
nicht gespielt |
26 |
81 |
107 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
83 |
111 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Rahmensprengung |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
2 |
10 |
12 |
|
|
nicht
gespielt |
26 |
73 |
99 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
83 |
111 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Minimale
und spärliche Materialverwendung |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
4 |
11 |
15 |
|
|
nicht gespielt |
24 |
72 |
96 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
83 |
111 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
formlos |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
4 |
8 |
12 |
|
|
nicht gespielt |
24 |
75 |
99 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
83 |
111 |
Darstellung der Ergebnisse:
Es konnten bei keinem der untersuchten sechs Spielmerkmale signifikante Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt werden. Die Signifikanzprüfungen erbrachten folgende Ergebnisse: "Reihungen" (Chi-Quadrat-2 = 0,04; df = 1), "gesamte Spielfläche" (Chi-Quadrat-1 = 1,32; df = 1), "gesamt/formlos" (Chi-Quadrat-2 = 1,17; df = 1), "Rahmensprengung" (Chi-Quadrat-2 = 0,56; df = 1), "minimale und spärliche Materialverwendung" (Chi-Quadrat-2 = 0,01; df = 1) und "formlos" (Chi-Quadrat-2 = 0,44; df = 1).
Insbesondere aus der Verwendung des Nachttopfes sowie des Klo-Stuhls können direkte Rückschlüsse auf die Art und Weise, wie das Kind seine Reinlichkeitserziehung erlebt hat, und auf die sich daraus entwickelten Haltungen gezogen werden. Ebenfalls können durch die Verwendung des Waschbottichs Reinlichkeitstendenzen zum Ausdruck gebracht werden. Die Verwendung der im Scenomaterial befindlichen Schweine kann unter Umständen ebenfalls zusätzliche Hinweise auf die erlebte Sauberkeitserziehung gestatten. In der folgenden tabellarischen Übersicht habe ich zunächst die quantitative Verwendung der vorgenannten Spielmaterialien untersucht. Als Vergleichsgruppe diente mir die von Krolewski (1984) verwendete Kontrollgruppe.
|
Spielmaterial |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Nachttopf |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
- |
2 |
2 |
|
|
nicht gespielt |
28 |
58 |
86 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
60 |
88 |
|
Spielmaterial |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Klo-Stuhl |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
9 |
21 |
30 |
|
|
nicht gespielt |
19 |
39 |
58 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
60 |
88 |
Weitere Aufschlüsse erhoffte ich mir von der Auswertung, ob der Klo-Stuhl überzufällig häufig oder wenig bestimmten Personen oder Personengruppen (z.B. Kinder / Erwachsene) zugeordnet, oder ob er alleine in der Szene verwendet wurde. Als Vergleichsgruppe diente mir wieder die Kontrollgruppe aus der Untersuchung von Krolewski (1984). Für die Überprüfung auf statistisch signifikante Unterschiede wurden die Ergebnisse jeweils in Beziehung zur Gesamtzahl der Szenen, in denen der Klo-Stuhl verwendet wurde, gesetzt.
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Klo-Stuhl
alleine |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
6 |
14 |
20 |
|
|
nicht gespielt |
3 |
7 |
10 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
9 |
21 |
30 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Klo-Stuhl
mit Vaterfigur |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
2 |
- |
2 |
|
|
nicht gespielt |
7 |
21 |
28 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
9 |
21 |
30 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Klo-Stuhl
mit Mutterfigur |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
1 |
2 |
3 |
|
|
nicht gespielt |
8 |
19 |
27 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
9 |
21 |
30 |
|
Spielmerkmal |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Klo-Stuhl
mit Kinderfigur |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
- |
5 |
5 |
|
|
nicht gespielt |
9 |
16 |
25 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
9 |
21 |
30 |
Ergänzend sei an dieser Stelle angemerkt, daß der Klo-Stuhl in einer Sceno-Testgestaltung außerhalb der Spielfläche (mit Vaterfigur- s.o.) plaziert wurde. Dies kann nach Knehr (1961) als ein zusätzlicher Hinweis auf Konflikte im Bereich von Sauberkeit und Ordnung verstanden werden (vgl. Pkt. 3.4.7).
Wie unter Pkt. 5 ausgeführt können durch die Verwendung des Waschbottichs Reinlichkeitstendenzen, eigene Sauberkeitsanforderungen des Kindes sowie symbolisch die geforderte Reinlichkeitserziehung zum Ausdruck gebracht werden. Als Kontrollgruppe verwendete ich die von Krolewski (1984) verwendete Vergleichsgruppe.
|
Spielmaterial |
gespielt / nicht
gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Waschbottich |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
1 |
24 |
25 |
|
|
nicht gespielt |
27 |
36 |
63 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
60 |
88 |
In dieser Szene dekorierte er zusammen mit dem Melkeimer, der Kanne, der Schüssel sowie den vier Bechern einen Turmbau[133] (vgl. Auswertungsprotokoll zu Vp. 5 im Anhang B).
In der folgenden Tabelle habe ich die quantitative Verwendung der Schweine im Vergleich zur Kontrollgruppe von Krolewski (1984) dargestellt. Dabei beziehen sich die Ergebnisse auf die Szenen, in denen ein und/oder beide Schweine verwendet wurden.
|
Spielmaterial |
gespielt / nicht gespielt |
Enkopretiker |
Vergleichsgruppe |
Summe |
|
Schweine |
|
|
|
|
|
|
gespielt |
8 |
30 |
38 |
|
|
nicht gespielt |
20 |
30 |
50 |
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
28 |
60 |
88 |
Darstellung der Ergebnisse:
Bei Betrachtung der quantitativen Verwendung des Nachttopfes (Chi-Quadrat-2 = 1,55; df = 1) und des Klo-Stuhls (Chi-Quadrat-1 = 0,06; df = 1) können keinerlei signifikante Unterschiede zur Kontrollgruppe ausgemacht werden. Bei der qualitativen Analyse zeigt sich dagegen folgendes Bild: Die Spielmerkmale "Klo-Stuhl alleine" (Chi-Quadrat-2 = 0; df = 1) und "Klo-Stuhl mit Mutterfigur" (Chi-Quadrat-2 = 0,01; df = 1) weisen gegenüber der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede in der Verwendungshäufigkeit auf. Dagegen erbrachte der Kontrollgruppenvergleich für das Spielmerkmal "Klo-Stuhl mit Vaterfigur" mit einem Chi-Quadrat-2 Wert von 5,16 (df = 1) eine auf dem 5 % Niveau signifikant häufigere Verwendung in der Gruppe der Enkopretiker. Das Spielmerkmal "Klo-Stuhl mit Kinderfigur" wird bei einem Chi-Quadrat-2 Wert von 3,98 (5 %-iges Signifikanzniveau; df = 1) überzufällig weniger häufig durch die Gruppe der Enkopretiker gespielt. Der Waschbottich wird von der Gruppe der Enkopretiker sogar hochsignifikant seltener (Chi-Quadrat-2 Wert von 15,64, df = 1, Signifikanzniveau von 0,1 %) in den Sceno-Testspielen verwendet als von der Kontrollgruppe. Die quantitative Verwendung der Schweine ergab dagegen keinen signifikant bedeutsamen Unterschied. Mit einem Chi-Quadrat-1 Wert von 3,57 (df = 1), der den kritischen Chi-Quadrat Wert von 3,84 auf dem 5 %-igen Signifikanzniveau nur knapp verfehlt, deutet sich aber eine deutliche Tendenz zur geringeren Verwendung durch die Enkopretiker an.
[1]Frank (1948) versteht darunter „ Methoden, welche die Persönlichkeit dadurch untersuchen, daß sie die Vp. einer Situation gegenüberstellen, auf welche die Vp. entsprechend der Bedeutung reagiert, die diese Situation für sie besitzt ... Das Wesen eines projektiven Verfahrens liegt darin, daß es etwas hervorruft, was - auf verschiedene Art - Ausdruck der Eigenwelt, des Persönlichkeitsprozesses der Vp. ist" (zit. nach Hörmann, 1964, S. 73)
[2]Allen voran die Protagonisten Rorschach und Murray.
[3]Höhn (1964) stellt fest, daß bei der Entwicklung des Sceno - Tests durch Gerdhild von Staabs dagegen „keine eng dogmatische Bindung an die Psychoanalyse" (S. 687) bestand. Viele Teile des Spielmaterials wurden von ihr nur aufgrund des Symbolgehaltes ausgewählt.
[4]1973 wurde an 272 zentral verzeichnete Dienststellen jeweils ein Fragebogen an den maßgeblichen Psychologen (z.B. dienstältester, ranghöchster etc. ) verschickt - 179 (66%) sandten ihren Fragebogen zurück. Zwischen Lebensalter und Geschlecht der Beantworter bestand kein signifikanter Zusammenhang.
[5]Beim Vergleich der Rangplätze (Bekanntheit, Anwendungshäufigkeit, Brauchbarkeit) schnitten Sceno - Test, TAT, Rorschach und Familie in Tieren am besten ab.
[6]Dies impliziere aber auch „eine abweichende Sicht der Validitätsproblematik gegenüber psychometrischen Tests und die Notwendigkeit der Bewährung aus der klinischen Kasuistik" (Allesch, 1991, S. 93).
[7]Koch (1955) unternahm den umgekehrten Versuch und zeigte die Brauchbarkeit von Spieltests (insbesodere dem Sceno-Test) anhand der Tatsache, daß er aus den Ergebnisse die Kretschmerschen Konstitutionstypen unmittelbar ablesen konnte.
[8]Auch Höhn (1964) sieht wie Allesch (1991) die Beweiskraft der Spielverfahren mehr in ihrer praktischen Bewährung, „als daß sie durch exakte Testkontrollen gesichert wäre" (S. 696).
[9]12 Sceno-Tests von unauffälligen Kindern im Alter zwischen 6 und 11 Jahren.
[10]M. Klein (1932, nach Höhn, 1964) verwendete winzige Gegenstände und Figuren, von denen das Kind angeregt wurde, in dieser Miniaturwelt bestimmte Dinge zu vollziehen. Die Auswertung erfolgte nach sexualpsychologischen Gesichtspunkten Freuds.
[11]Hierbei gibt nur das Kind selbst Deutungen des Gebauten ab. Lowenfeld (1939, nach Höhn, 1964) bestreitet, daß das im Welt-Spiel in Erscheinung tretende Unbewußtes im strengen Sinne ist.
[12]1940 wurde der Test erstmals in ihrem Aufsatz "Spieltherapie" erwähnt. Die Drucklegung erfolgte aufgrund des Krieges 1943.
[13]Auch Körholz (1951) sieht den Wert des Sceno-Tests in erster Linie in der Vertiefung der Anamnese.
[14]Von Poten (1953) hat sogar den zweifelhaften Versuch unternommen, mit Hilfe des Sceno-Tests eine Beurteilung von Fähigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten und Defekten zweier "Defektpersönlichkeiten" vorzunehmen.
[15]Zur kritischen Betrachtung dieser Aufgabe s.h. Pkt. 2.1.2
[16]Nach Kemper (1955) ermöglicht das Material dem Kind, vor allem problematisch Erlebtes darzustellen, und erleichtert somit, die frühkindliche Erlebniswelt zu erschließen.
[17]Eine Hoffnung, die sich leider nicht erfüllen ließ, da die Ausführungen einzelner Spielmaterialien über die Jahre hinweg bestimmten Änderungen - z.B. Kleidung, Ausdruck, etc. - unterworfen waren.
[18]Während der Untersuchung sollte der Untersucher auf die im Beobachtungsbogen von v. Staabs (1951) angegebenen Inhalte achten - der Beobachtungsbogen ist als Anlage A dieser Arbeit beigefügt.
[19]Von Staabs (1969) hält dagegen eine Frage zur Identifikation des Probanden für kontrainduziert.
[20]Die Wahl eines Tieres als Identifikationsfigur ist nach Knehr (1961) besonders aufschlußreich, „weil Kinder eine aggressive, feindliche oder sonstwie als negativ empfundene Haltung als Folge ihrer Schuldgefühle lieber in die mehr neutrale Gestalt eines Tieres projizieren" (S. 21).
[21]Erhalten die Figuren dabei Namen von Personen aus der Umgebung des Kindes, können sich daraus ggf. Hinweise auf bestimmte Charakterisierungen ableiten lassen.
[22]Diesem Ansatz sind insbesondere die Ausführungen zum Scenodrama von Zierl (1959), zum Schul-Sceno Rollenspiel von Moosmann (1977) sowie zum Gemeinsamen Sceno nach Zimmermann & Degen (1978) verpflichtet.
[23]Neben von Staabs (1951) sind insbesondere Berger & Rennert (1956), Knehr (1961), Biermann (1958, 1962), Weber (1966), Engler (1972), Melamed-Hoppe (1969), Kächele-Seegers (1969) und Kühnen (1973) Vertreter dieser Richtung.
[24]Von Harnack & Wallis (1954) vertreten in diesem Zusammenhang die Meinung, daß ein sich an den Symbolbedeutungen orientierendes Vorgehen nicht statthaft sei, da die Szene Unterschiedliches ausdrücken kann, selbst wenn die Bedeutung der Figuren für das Kind bekannt ist.
[25]Nach von Staabs (1951) gebrauchen Kleinkinder das Material als Funktionsspiel; sie haben die Tendenz, gleichartige Gegenstände zu reihen, und bauen eindimensional. Die Darstellung von Beziehungen gelingt - wenn überhaupt - nur in Bezug auf zwei oder drei Einzelteile.
[26]Anhand einer Serie von 99 psychisch unauffälligen Kindern im Alter von 3 bis 15 Jahren (52 Knaben, 47 Mädchen).
[27]Anhand von 48 Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren sowie 38 Kindern im Alter von 8 und 10 Jahren.
[28]Anhand von 40 Kindern im Alter von 13 und 16 Jahren.
[29]Leider keine Angaben über Anzahl der Kinder, Alters- und Geschlechtsverteilung sowie Auswertungsgesichtspunkte. Bei der tabellarischen Übersicht verzichte ich auf die Ergebnisse der Altersgruppe von 2 bis 3 Jahren, da der Test nach von Staabs (1951) erst ab dem 3. Lebensjahr eingesetzt werden sollte.
[30]Im Rahmen eines Kurzreferates über die Dissertation von Engels (1957) an 36 VolksschülerInnen im Alter von 6 - 13 J. (je 18 Knaben und Mädchen);
[31]VL = Vulgärlösung; Signifikanzniveau von 0,01 %
[32]Angabe des Signifikanzniveaus in Klammern hinter dem Spielmerkmal (zur Bedeutung der Spielmerkmale vgl. Pkt. 3.4.6).
[33]Ermert et. al. (1991) konnten dieses Merkmal ebenfalls signifikant häufiger bei jüngeren Kindern feststellen.
[34]Die von Höhn (1951) häufiger festgestellte "überfüllte Szene" kommt eher in den jüngeren Gruppen vor.
[35]Spielmerkmale, die auf ein ordnendes und planvolles Vorgehen schließen lassen, nehmen zu.
[36]Keine Signifikanzangabe
36Keine Signifikanzangabe.
[37]Zur Bedeutung der einzelnen Vulgärlösungen (VL) vgl. Pkt. 3.4.6
[38]Signifikant auf dem 1 % - Niveau
38Signifikant auf dem 1 % - Niveau
[39]Den Antriebstarken ist Temperament und eine gewisse Fülle von Antrieb eigen; die Nüchternen zeigen in allen Ausdrucksformen eine gewisse Nüchternheit und Blässe (vgl. Engels, 1957)
[40]Nach von Staabs (1955) lassen sich durch die damit mögliche Darstellung von Gesten und Haltungen Affekte ausdrücken, „die auf das zurückgehen, was die Versuchsperson innerlich selbst bewegt" (S. 686).
[41]Mann im weißen Kittel.
[42]Von Staabs (1951) bezeichnet damit die beiden Frauen im Haus- bzw. Straßenkleid.
[43]Bei gleicher Kleidung ist die männliche Figur in "typischem" blau, die weibliche in "typischem" rosa gekleidet.
[44]Knehr (1961) zählt dagegen den Ganter zu den Haustieren, die gefüttert werden.
[45]Das einzige Tier des Testmaterials, welches nicht aus Holz gefertigt, sondern mit einem Fell versehen wurde.
[46]Eine solche Differenzierung erscheint mir in der Praxis schwierig, da in den von mir beschriebenen Sceno-Testspielen häufig ähnlich wirkende Fahrzeuge - ggf. wurden diese im Laufe der Zeit ausgetauscht - zum Inventar gehörten.
[47]Biermann (1958) fand bei jugendlichen Dieben die Spielszene "Verkehrsunfall" als ein charakteristisches Spielmerkmal (vgl. auch Fußnoten 48 und 58).
[48]Biermann (1958) fand den Karfunkelstein in dieser Bedeutung als ein Charakteristikum in Spielen jugendlicher Diebe.
[49]Eine Beobachtung, die gut zum sachlich-planenden beziehungsweise spielerischen Verhaltenstypus nach Engels (1957) - vgl. Pkt. 3.4.5 - passen würde.
[50]An dieser Stelle sei noch auf die Dissertation von Sieberer-Kefer (1979) verwiesen, die allein aus der bevorzugten Verwendung bzw. Anrdnung bestimmter Farben Aufschlüsse über bestimmte Regressionstendenzen ermitteln wollte; allein aus der Tatsache, daß Sieberer-Kefer (1979) einen Sceno-Test mit doppeltem Bausteinsatz verwendete und auch durch diesen Handgriff m.E. nicht in der Lage war, eine nahezu gleiche Verteilung an Farben und Formen zu erreichen, halte ich die Ergebnisse vor diesem Hintergrund für nicht berücksichtigungswürdig.
[51]Einteilung in Psychopathen, Psychoreaktive, Organiker und Schizophrene.
[52]Aufgrund von je 4 Spielen pro Gruppe stellte Dunkell (1954) z.B. das sogenannte "Staabs-Profil" auf - in der graphischen Darstellung ordnete er den einzelnen Diagnosegruppen die beobachteten Spielmerkmale zu und ermittelte einen Linkstyp (Psychopathen, Psychoreaktive), Rechtstyp (Organiker) und einen Mitteltyp (Schizophrene).
[53]Ein Vergleich der Ergebnisse Dunkells (1954) an 4 Organikern mit denen von Kühnen (1973) - 97 Patienten - erbrachte keine Übereinstimmung.
[54]Da dieses Spielmerkmal häufig mit anderen Spielmerkmalen auftritt, untersuchte Kühnen folgende Paare: "peripher/zentral", peripher/Ecken" und "peripher/Umgrenzung"; mit "peripher/insgesamt" wurden die Spiele erfaßt, in denen das Merkmal "peripher" in irgendeiner Form vorkam.
[55]Nach von Salis (1975) ist dieses Spielmerkmal erfüllt, wenn über zwei Drittel der Gegenstände in einer Hälfte plaziert war. Bei depressiven Kindern fanden von Salis & Preisig (1978) eine Häufung von Figuren auf der rechten Hälfte und interpretierten dies als das starke Wunschdenken dieser Kinder und ihre relative Unfähigkeit, diese zu realisieren.
[56]Kühnen (1973) untersuchte zusätzlich die Kombinationen der Spielmerkmale "gesamte Spielfläche/allein"und "gesamte Spielfläche/formlos". Mit "gesamte Spielfläche/gesamt" wurden alle Spiele erfaßt, in denen das Spielmerkmal "gesamte Spielfläche" enthalten war.
[57]Horror vacui = Scheu vor dem Leeren; typisch für das Sceno-Testspiel Schizophrener (vgl. Biermann & Biermann, 1962).
[58]Biermann (1958) fand dieses Spielmerkmal als ein Charakteristikum für die Sceno-Testspiele jugendlicher Diebe.
[59]Z.B. ein außerhalb plaziertes Krokodil als Zeichen für verdrängte Aggressionen oder das im Außenraum plazierte Klo bei Konflikten im Bereich von Sauberkeit und Ordnung.
[60]Höher als eine erwachsene Puppenfigur.
[61]Ebenso können Festungsbauten Ausdruck von Ängstlichkeit sein.
[62]Die überfüllten oder totalen Spiele der Schizophrenen lassen meist noch eine erkennbare Ordnung vermuten (chaotische Scheinordnung) - sie deutet bei noch erhaltener äußerer Ordnung den Persönlichkeitszerfall an (vgl. Weber, 1952, Biermann & Biermann, 1962).
[63]Zusätzlich nannten Biermann & Biermann (1962) noch das "beziehungslose Nebeneinander von Kleinszenen", die "verkürzte Spieldauer" sowie das "kontaktgestörte Spielverhalten" als Elemente des organischen Syndroms.
[64]Nach von Staabs (1958).
[65]Die Spielmerkmale 16, 17 sind der Auswertung von von Salis (1975) entnommen, das Spielmerkmal 18 stammt von Graf Witgenstein (nach von Staabs, 1958), die Spielmerkmale 19 und 20 von Biermann & Biermann (1962).
[66]Nach von Salis & Preisig (1978) auch Darstellung von Geborgenheit.
[67]Nach von Staabs (1951) und Harnack & Wallis (1954) ist es aber kaum in einem Falle möglich, „bei blinder Auswertung des Sceno-Tests Rückschlüsse auf die psychologische Situation des Kindes und seinen Konflikt zu ziehen" (S. 507).
[68]Mindestens zwei Drittel aller Puppen oder Tiere mit Gesicht oder Schnauze auf einen Punkt gerichtet; bzw. die Puppen schauen in eine Richtung (nach Ermert, 1994)
[69]Höher als der Kopf, wenn Tier oder Mensch stehen würden (vgl. Ermert, 1994).
[70]Weber (1952, 1966) deutet das Merkmal "keine Puppen" ebenfalls als Ausdruck einer Kontaktstörung.
[71]Nach von Staabs (1953) ein Hinweis auf Kontaktgestörtheit, Isoliertheit und den Mangel, die Vielfalt der Welt in sich aufzunehmen und produktiv zu verarbeiten. .
[72]Biermann (1970) ist der Auffassung, daß bei gut einem Drittel im initialen Sceno-Test mit einer Schlüsselsituation zu rechnen ist.
[73]An dieser Stelle wurde bewußt auf die Darstellung typischer Gestaltungen bei verschiedenen Diagnosegruppen verzichtet, da diese für die vorliegende Arbeit nicht von Bedeutung sind.
[74]Die einzelnen Verfahren wurden in den Abhandlungen nicht genannt. Ebenfalls wurden keinerlei Auswertungsschemata etc. zu den Testergebnissen veröffentlicht.
[75]Die Bedeutungsinhalte der einzelnen Vulgärlösungen sind unter Pkt. 3.5.6 aufgeführt.
[76]Enuresis, Psychosomatische Erkrankungen, Asthma, Adipositas, Stottern, Schul-und Erziehungsschwierigkeiten, Seelische Fehlhaltungen und hirnorganische Schädigungen.
[77]Krolewski (1984) konnte zu jedem Spielmerkmal einen Vergleich mit der Enuretiker-Gruppe von Engler (1972) durchführen.
[78]Allerdings noch unter der Bezeichnung "Incontinenz der Fäces".
[79]Insbesondere mit Hilfe von Klistieren und Abführmitteln, die jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt waren (vgl. Ochsenius, 1925, zit. nach Krisch, 1985).
[80]Freud begründete die psychodynamische Sichtweise dieses Syndroms anfang des 20 Jahrhunderts mit seinen Schriften "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" (1972) und "Charakter und Analerotik" (1973).
[81]Wolters (1971) sieht Enkopresis als "a problem of toilet training" (S. 266), Silber (1969) schreibt "encopresis is restricted to fecal incontinence associated with constipation" (S 225), und Dührssen (1974) streicht heraus, daß es „sich vielmehr um den unbemerkten und unwillkürlichen Kotabgang" (S. 301) handelt.
[82]Z.B. stuft Glanzmann (1934) das Einschmutzen schon ab dem ersten Lebensjahr als pathologisch ein.
[83]Fitzherald (1975) "fordert" bei einer Enkopresis eine normale Menge Stuhl, während er mit "soiling" das Absetzen flüssigen Stuhls in Verbindung mit einer Obstipation bezeichnet.
[84]Das Rectum ist bei diesen Kindern prall mit Stuhl gefüllt bei gleichzeitiger Insuffizienz des Dichtungsapparates und zusätzlicher verminderter Diskriminationsfähigkeit. „Der Endeffekt ist das Austreten flüssigen Stuhls, der den genannten Bolus umfließt, oder durch die Reizung abgesonderten Schleims" (Granditsch et. al. , 1976, S. 263).
[85]Insbesondere mit Blick auf die geforderte Dauer der Symptomatik.
[86]An einer Gesamtstichprobe von 2406 Kindern unter 15 Jahren.
[87]An 583 Kindern.
[88]761 Kinder.
[89]2.304 PatientInnen.
[90]Anhand von 800 durchgesehenen Krankengeschichten.
[91]Levowitz & Goldstein (1979) berichteten von einem 17 Jahre alten Patienten, während Probst et. al. (1980) in ihrer Katamnestudie zur psychosozialen Integration noch einen 22-jährigen Enkopretiker ausmachen konnten.
[92]Wolters (1974) konnte zeigen, daß die Einstellung der Kinder zu ihrem Symptom am häufigsten durch die Kombination "Verleugnung und Scham" charakterisiert wurde.
[93]Keilbach (1977) berichtet, daß die Kinder den Hautkontakt mit dem Kot eher angenehm, als „warm, weich und schön" (S. 126) empfinden.
[94]Krisch (1985) errechnete, „daß im Mittel nur jeder elfte oder zwölfte der erfaßten Enkopretiker frei von zusätzlichen Beschwerden war" (S. 119).
[95]Steinhausen (1988) weist nochmals darauf hin, daß während der Untersuchung insbesondere dem Vorliegen einer Obstipation nachgegangen werden muß, da eine unter Umständen gegebene Chronifizierung mit „einer bisweilen exzessiven Erweiterung des Enddarms einhergeht" (S. 15).
[96]Problematisch erscheint insbesondere die nicht unerhebliche Strahlenbelastung der Genitalregion (vgl. Coekin & Gairdner, 1960).
[97]Abwesender Vater und eine dominante, empathielose, emotional stumpfe Mutter.
[98]Aufgrund dieser zeitlich nach der Darmkontrolle erfolgenden Beherrschung.
[99]EEG = Elektoencephalogramm (die mit Hilfe eines Meßgerätes über Vielfachverstärker aufgezeichnete Kurve der Aktionsströme des Gehirns).
[100]Allerdings war dieses Ergebnis gegenüber der Enuretiker-Kontrollgruppe nicht signifikant.
[101]Dagegen stellte Wille (1984) aber fest, daß Enkopretiker signifikant häufiger als die Vergleichsgruppen (Enuretiker und Psychotiker) ein infantiles psychoorganisches Syndrom perinataler Genese aufweisen.
[102]Eller (1960) sah einen erhöhten Parasympathicustonus, Granditzsch et. al. (1976) eine Hyperkontinenz mit einer Insuffizienz des Dichtungsapparates als verursachende Faktoren.
[103]Allerdings ließen die Autoren offen, ob es sich dabei um sekundäre Folgeerscheinungen oder um primäre Faktoren handelt.
[104]Einschränkend muß gesagt werden, daß die relevanten Daten in den entsprechenden Untersuchungen naturgemäß nur retrospektiv erhoben werden konnten, was natürlich ihre Beweiskraft einschränkt, sowie eine Vielzahl von Personen nur unzureichende oder gar keine Angaben dazu machen wollten bzw. konnten.
[105]Huschka (1942) stellte Kriterien für den Beginn des Trainings auf: frühes = unter 8 Monate, normales = zwischen 8 und 23 Monaten und spätes = ab 2 Jahren.
[106]Woodmansey (1967) vertritt in seiner extremen Position die Auffassung, daß ein Toilettentraining überhaupt unnötig sei.
[107]Kommt es dagegen zu Störungen in dieser Entwicklungsphase, kann sich der sogenannte anale Charakter (vgl. Freud, 1908), der vor allem durch drei Eigenschaften repräsentiert wird (anale Triade) - Ordentlichkeit und Reinlichkeit, Sparsamkeit und Geiz sowie Eigensinn -, entwickeln (vgl. auch Jones, 1919, Abraham, 1961/62).
[108]I.d.R. ist es die Mutter, die durch das Symptom repräsentiert wird; Kadinsky (1969) sah in der Enkopresis allerdings eine Handlung, „die den Vater herbeibringen soll" (S. 963).
[109]Glanzmann (1934) berichtet den Fall eines 12-jährigen Mädchens, welches von ihrem Vetter sexuell mißbraucht wurde.
[110]Bemporad et. al. (1971) sind der Ansicht, daß die Mehrzahl aufgrund der in ihrer eigenen Kindheit durch den Vater erfahrenen Zurückstoßungen noch immer eine idealisierte Vaterfigur als Partner suchen. Auf der einen Seite besteht ein Abhängigkeitsbedürfnis, auf der anderen Seite „they had formed a fassade of a dominating and castrating individual" (Bemporad et. al., 1971, S. 275).
[111]Vor allem neurotische Störungen, Alkoholismus, Charakteranomalien, Infantilismus und Kriminalität.
[112]Nach Olatawura (1973) war der Unterschied zur Kontrollgruppe in Bezug auf das Merkmal "broken home" signifikant; Wille (1984) konnte zeigen, daß Enkopretiker am seltensten eine eigene, vollständige Familie aufweisen und den größten Anteil an unharmonischen Ehen auf sich vereinigen.
[113]Bellman (1966) kommt zu dem Schluß :
„Both of these ways of handling aggressions suggest childishness and
immaturity" (S. 124).
[114]Neurotische Züge, Reaktionen oder Persönlichkeitsentwicklungen.
[115]Glanzmann (1936) berichtet den Fall eines 6-jährigen Mädchens, welches von ihrem 14-jährigen Vetter, Krisch (1982) die Geschichte eines 12 Jahre alten Jungen, der von einem 40-jährigen Mann sexuell mißbraucht wurde.
[116]Gött (1959) teilte seine Beobachtung mit, daß Enkopretiker seiner Meinung nach eine falsche Kontinenz-Technik praktizierten. So lernten sie bei ihm, Glutaei und Sphinkter getrennt zu innervieren. Nach Krisch (1985) übrsah Gött (1959) allerdings, daß die angeblich falsche Technik doch zur Kontinenz beitragen kann, womit zudem bewiesen wäre, daß die neue Technik in erster Linie durch den Suggestiveffekt gewirkt haben muß.
[117]Rhizinusöl und oder Glaubersalz sind nach Krisch (1985) eindeutig kontrainduziert.
[118]Abrahams (1962/63) berichtet beispielsweise über eine erfolgreiche Behandlung mit Imipramin an einem 9 Jahre alten Mädchen.
[119]Nach Biermann (1960) bevorzugt der Enkopretiker elektiv die braune Farbe (vgl. Berger, 1974, Herzka, 1978).
[120]In der Regel wird ein mit Flüssigkeit gefüllter Ballonkatheter, der mit einem Druckmesser verbunden ist, in das Rektum eingeführt, wodurch der Patient eine externe Rückmeldung über seine Schließmuskelaktivitäten erhält.
[121]Überkorrektur = Patient muß sein "Malheur" selbst beheben und seine Umgebung in einen besseren Zustand versetzen als vor dem unzulässigen Verhalten; positive Praxis = durch massierte Wiederholungen werden Verhaltensweisen, die physisch mit den unerwünschten unvereinbar sind, eingeübt.
[122]Krisch & Erhard (1978) weisen darauf hin, daß Kindertherapeuten nicht nur über ein großes methodisches Wissen verfügen müssen, sondern dieses auch immer wieder ethisch hinterfragen sollten. Dabei müssen ihre ethischen Grundsätze allerdings aus Quellen außerhalb des Bereichs der Verhaltenstherapie kommen.
[123]Ermittelt mit der FPI-Kurzform.
[124]Die von Kühnen (1973) bei der Gruppe der Enkopretiker ausgewerteten Spielmerkmale decken sich nicht mit den von Biermann & Biermann (1962) identifizierten Merkmalen. Kühnen (1973) verzichtete auf die Spielmerkmale "Reihungen" und "spärliche bis minimale Materialverwendung". Eine Erklärung für dieses unverständliche Vorgehen blieb sie schuldig.
[125]Von v. Salis (1975) wird darauf hingewiesen, daß diese Beobachtung nur in der Altersgruppe der 9 bis 11 jährigen Knaben signifikant war.
[126]Mit Ausnahme der Vp. 11, 12, 13 und sofern erstellt.
[127]Aus datenschutzrechtlichen Gründen.
[128]Mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 3, 28, die in meinem Beisein erstellt wurden, beziehungsweise Nr. 25, bei dem ich die Gelegenheit hatte, die gespielte Szene direkt im Anschluß an die Untersuchung aufzunehmen.
[129]Vordere Zahl = Anzahl der Kinder in der Familie; dahinter Angabe der Stellung in der Geschwisterreihe.
[130]Soweit von den Eltern angegeben und mir mitgeteilt.
[131]Vordere Zahl = Anzahl der Kinder in der Familie; dahinter Angabe der Stellung in der Geschwisterreihe.
[132]Soweit von den Eltern angegeben und mir mitgeteilt.
[133]In dieser Szene wurden keine menschlichen Figuren verwendet.