Universität Bremen

 

 

Fachbereich 11 / Studiengang Psychologie

 

 

 

Diplom - Arbeit

"Untersuchungen mit dem Sceno-Test zur Enkopresis im Kindes- und Jugendalter"

 

 

 

 

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Bremen, im Dezember 1995

 

Betreuer : Prof. Dr. phil. Frank Baumgärtel

 

Betreuerin : Dr. Kerime Faris

 

 

 

1. Einleitung

2. Zur Klassifikation psychologischer Testverfahren

2.1 Die Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

2.1.1  Zur Problematik der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

2.1.2 Der Gebrauchswert der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

3. Der Sceno-Test von Gerdhild von Staabs

3.1 Geschichtlicher Hintergrund

3.2 Die diagnostische Aufgabe des Sceno-Tests

3.3 Die Testdurchführung

3.4 Die Testauswertung

3.4.1 Allgemeines

3.4.2 Die theoretischen Ansätze zur Interpretation des Sceno-Tests

3.4.3 Altersunterschiede

3.4.4 Geschlechtsunterschiede

3.4.5 Untersuchungen zur Ermittlung der gesamten Persönlichkeit

3.4.6 Zur symbolischen Bedeutung der einzelnen Sceno-Materialien

3.4.6.1 Die menschlichen Figuren

3.4.6.2 Die mythologischen Figuren

3.4.6.3 Die Tiere

3.4.6.4 Vegetatives

3.4.6.5 Objekte

3.4.6.6 Die Bausteine

3.4.7 Die Auswertung des Formalen

3.4.8 Typische Gestaltungen bei bestimmten Konflikten

3.5 Bisherige Sceno-Test-Untersuchungen zur Enkopresis

4. Die Enkopresis im Kindes- und Jugendalter

4.1 Allgemeines

4.1.1 Geschichtlicher Überblick

4.1.2 Definition

4.1.3 Epidemiologie

4.1.4 Alters- und Geschlechtsverteilung

4.1.5 Erscheinungsweisen der Enkopresis

4.1.6 Begleitsymptome

4.1.7 Diagnose und Differentialdiagnose

4.2 Zur Ätiologie der Enkopresis

4.2.1 Organische Ursachen

4.2.2 Intelligenz

4.2.3 Die Sauberkeitserziehung

4.2.4 Psychoanalytische Vorstellungen

4.2.5 Lerntheoretische Vorstellungen

4.2.6 Die Familie des enkopretischen Kindes

4.2.6.1 Die Mutter

4.2.6.2 Der Vater

4.2.6.3 Die familiäre Situation

4.2.7 Systemtheoretische Überlegungen

4.2.8 Persönlichkeit und Verhalten des Kindes

4.2.9 Auslösende Faktoren

4.2.10 Zusammenfassung

4.3 Die Therapie der Enkopresis

4.3.1 Organmedizinische Behandlungsverfahren

4.3.2 Tiefenpsychologische Behandlungsverfahren

4.3.3 Verhaltenstherapeutische Ansätze

4.3.4 Familientherapeutische Ansätze

4.4 Katamnestische Untersuchungen

4.5 Zur Prognose der Enkopresis

5. Aufstellung der Arbeitshypothesen

6. Darstellung der eigenen Untersuchung

6.1 Problemstellung, Methodik

6.2 Die Daten der 28 Enkopretiker

6.2.1 Alters- und Geschlechtsverteilung

6.3 Die Daten der Vergleichsgruppen

6.4 Überprüfung der aufgestellten Hypothesen

6.4.1 Cerebrale Dysfunktion

6.4.2 Strenge, rigide Sauberkeitserziehung

6.4.3 Aggressionshinweise

6.4.4 Angstzeichen

6.4.5 Regressive Tendenzen

6.4.6 Physische und psychische Abwesenheit des Vaters

6.4.7 Gestörtes familiäres und soziales Umfeld

6.4.7.1 Isolierung

6.4.7.2 Verwahrlosungszüge

6.4.7.3 Geschwisterrivalität

6.4.8 Kontaktstörung

6.4.9 Depressive Verstimmungen

6.4.10 Trennung von der Mutter

6.4.11 Leistungsstörungen

6.5 Interpretation der Ergebnisse

6.6 Kritische Betrachtung, Ausblick

7. Literaturverzeichnis

Anlage A - Beobachtungbogen für den Sceno-Test

Anlage B - Sceno-Testauswertungsprotokolle

Anlage C - Berechnung des Chi-Quadratertes


1. Einleitung

Dem Symptomkomplex Enkopresis wird in der wissenschaftlichen Literatur nur eine marginale Bedeutung zugemessen. In den veröffentlichten Abhandlungen überwiegen in der Regel klinische Fallbeschreibungen, deren Ergebnisse oder Schlußfolgerungen auf­grund fehlender Vergleichsgruppen naturgemäß einen geringen Aussagewert besitzen. Untersuchungen mit Kontrollgruppen sind zu dieser Störung, mit Ausnahme einiger we­niger Arbeiten (vgl. u.a. Bellman, 1966, Wille, 1984), ebenfalls rar gesät. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, daß testpsychologische Untersuchungen zur En­kopresis allenfalls im Rahmen klinischer Fallberichte beziehungsweise im Zusammenhang mit allgemeinen Untersuchungen über ein spezielles Testverfahren eine kurze Erwähnung finden. Detailliertere Angaben über die Testauswertung oder ihre Ergebnisse sucht man dagegen nahezu vergebens.

 

Im Rahmen meines Halbjahrespraktikums in einem Bremer Kinderkrankenhaus habe ich 25 Kinder im Alter von 3 bis 15 Jahren betreut. Insgesamt drei Kinder des vorgenannten Klientels litten an einer Enkopresis. Im Zuge der psychodiagnostischen Untersuchungen habe ich mit allen drei Enkopretikern den Sceno-Test von Gerdhild von Staabs durchge­führt und das Schlußbild im Foto festgehalten.

 

Mit Blick auf die untergeordnete Bedeutung der Enkopresis innerhalb der wissenschaftli­chen Literatur sowie der geringen Anzahl von referierten testpsychologischen Untersu­chungen zu diesem Symptom habe ich in der vorliegenden Arbeit den Versuch unter­nommen, mit Hilfe des Sceno-Testes festzustellen, ob bestimmte Szenenmerkmale oder -inhalte sich statistisch überzufällig häufig bei dieser Symptomgruppe nachweisen lassen. Da ich mit nur drei Enkopretikern zu keinerlei ausreichend gül­tigen Aussagen gekommen wäre, wurde die Stichprobe um die Testergebnisse weiterer 25 Enkopretiker ergänzt. Diese stammen aus abgeschlossenen Fällen regional an­sässiger Erziehungsberatungsstellen, niedergelassener Kinder- und JugendtherapeutInnen sowie des vorgenannten Kinderkrankenhauses.

 

Bevor ich die Untersuchungsergebnisse referiere, möchte ich zunächst den Sceno-Test und seine theoretischen Grundlagen genauer vorstellen, sowie in einem weiteren Gliede­rungspunkt auf die Enkopresis im Kindes- und Jugendalter detailliert eingehen. 

2. Zur Klassifikation psychologischer Testverfahren

Wie schon Brickenkamp (1975) feststellt, ist es ungemein schwer, „zu einer allgemein ak­zeptablen inhaltlichen Klassifizierung zu kommen, die möglichst wenig Unstimmigkei­ten aufweist, und prak­tikabel ist" (S. 12). Dabei muß eine optimale Klassifikation „pri­mär in­haltlichen und sekundär formalen Kriterien folgen" (Brickenkamp, 1975, S. 12). Diesem Prinzip zufolge teilte Bricken­kamp (1975) die psychologischen und pädagogi­schen Tests wie folgt ein :

 

 

1

Leistungstests

11

Entwicklungstests

12

Intelligenztests

13

Allgemeine Leistungstests

14

Schultests

15

Spezielle Funktions- und Eignungstests

2

Psychometrische Persönlichkeitstests

21

Persönlichkeits-struktur-Tests

22

Einstellungs- und Interessentests

23

Klinische Tests

3

Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

31

Formdeute Verfahren

32

Verbal-thematische Verfahren

33

Zeichnerische- und Gestaltungsverfahren

 

 

2.1 Die Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

Die Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren werden auch projektive Verfahren[1] genannt. Da der Projektionsbegriff, wie z.B. Hartmann et. al. (1984) und Fisseni (1990) feststellen, theoretisch un­scharf und unterschiedlich interpretierbar ist, wird von einigen Autoren (vgl. u.a. Bricken­kamp, 1975, Berk, 1992) vorgeschlagen, den Begriff "projektive Verfah­ren" durch Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren zu ersetzen. Im Gegensatz zu psychometri­schen Testverfahren, deren Hauptmerkmal die quantitative Erfassung be­stimmter Verhal­tensmerkmale ist, gehen die Persön­lichkeits-Entfaltungsverfahren davon aus, „daß sich der Pb in die Deutungen und Gestaltungen, die er bei dem Test vorzuneh­men hat, projiziert" (Dorsch, 1987, S. 508). „Das Testmaterial über­nimmt dabei die Rolle eines Katalysators, der eine persönlichkeitsspezifische Reaktion provoziert und dem Pro­banden die Möglichkeit gibt, sich entsprechend der eigenen psychodynamischen Si­tuation zu entfalten" (Rauchfleisch, 1992, S. 85). Der Diagnostiker erschließt dann aus den in die Testvorlagen projizierten Inhalten auf die Eigenschaften, Probleme, Bedürfnisse etc. des Proban­den. Die Testantwort wird somit als Ausdruck der jeweiligen psychischen Situa­tion der Testperson interpretiert.

 

Zu den Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren gehören die Formdeute-Verfahren (z.B. Rorschachtest, FHT, Dia-Z-Test), die verbal-thematischen Verfahren (z.B. TAT, PFT, WET) sowie die zeichnerischen und gestalterischen Verfahren (z.B. Familie in Tieren, Sceno-Test).

 

Nach Brickenkamp (1975) werden den Gestaltungsverfahren diejenigen Tests zugeord­net, „die den Pb auffordern, mit vorgegebenem Testmaterial bestimmte oder freie Themen dar­zustellen" (S. 16). Dabei kann das Testmaterial aus den verschiedensten Dingen beste­hen. Entscheidend ist, daß keine Leistungs-, „sondern Gestaltungsabsichten im Vorder­grund ste­hen, die dem Individuum per­sönliche Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen" (Brickenkamp, 1975, S. 16). Bei diesen Verfahren gilt - ebenso wie bei den zeichneri­schen Verfahren - der Grundsatz, „daß nicht die Kunstfertigkeit be­wertet wird, sondern der Ausdruck: das, was der Proband von sich in die Gestalten hineinprojizie­ren will" (Fisseni, 1990, S. 232).

 

Abschließend soll noch auf die Frage der Verwandtschaft der Persönlichkeits-Entfal­tungs­verfah­ren zur Psychoanalyse eingegangen werden. Wie Hartmann et. al. (1984) ausfüh­ren, ist einer­seits aus der Tatsache, daß sich die Psychoanalyse für unbe­wußte Aus­drucksgehalte von „Assoziationen, (Wahl-)Reaktionen, Auffassungsweisen und - verbalen und nonverbalen - Gestal­tungen zentral interessierte" (S. 108), sowie ande­rerseits aus der na­hen Verwandtschaft beziehungsweise der engen Verbundenheit der leiblichen Vä­ter[2] dieser Verfahren zweifellos leicht ersichtlich, daß psy­choanalytisches Gedankengut „wenn auch in unsystema­tischer, eklektischer, atheoretischer Weise" (S. 108) - direkt und indirekt -  in die Testver­fahren einfloß[3].

 

Bevor ich auf den Sceno-Test von Gerdhild von Staabs - ein bekanntes Gestaltungsver­fah­ren - eingehen werde, möchte ich im nächsten Gliederungspunkt kurz die Problematik der Persönlich­keits-Entfaltungsverfahren, sowie deren Gebrauchswert für die psychodia­gnosti­sche Praxis skizzie­ren.

2.1.1  Zur Problematik der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

Wie Rauchfleisch (1992) nachvollziehbar formuliert, stellen sich bei den meisten Persön­lich­keits-Entfaltungsverfahren „vielfältige Probleme im Hinblick auf die Überprüfung der Gü­tekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität" (S. 86) ein. Verfahren, die diese Gü­tekriterien nicht erfül­len, können nach Dorsch (1987) „im eigentlichen Sinne nicht als Test bezeichnet werden" (S. 681). Die Objektivität ist aufgrund des Aufforderungscha­rakters - der Anreiz (Klecks, Bild, Spielmate­rial) bleibt mehrdeutig, ist „nicht wohldefi­niert" (Fisseni, 1990, S. 223) - sowie mit Blick auf den Auswertungsprozeß, „der nur schwer zu einem in­tersubjektiven Konsens zu führen ist" (ebd.), ebenso wie die Reliabili­tät - durch die Schwie­rigkeit, fehlerhafte und wahre Anteile in den Äuße­rungen des Pro­banden zu bestimmen - und die Validität durch „den Interpretationsprozeß, der den Schluß vom Indikator auf das indi­zierte Merkmal betrifft" (ebd.), eingeschränkt.

 

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, daß die Persönlichkeits-Entfaltungs­ver­fahren nicht einzelne Aspekte der Persönlichkeit, sondern deren Gesamtheit erfassen wollen. Da sie nach Dorsch (1987) „diesen Anspruch nicht aufrechterhalten können" (S. 508), kommt „Guilford z.B. zu dem Schluß, daß ihre Anwendung auf Bereiche begrenzt bleiben sollte, bei denen es um Per­sönlichkeitsbeschreibungen im psychoanalyt. Sinne geht" (ebd.).

2.1.2 Der Gebrauchswert der Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren

In einer schriftlichen Umfrage[4] unter ErziehungsberaterInnen konnte ermittelt werden, „daß pro­jektive Verfahren in der klinisch-psychologischen Praxis im Bereich der Erzie­hungsbe­ra­tung nach wie vor eine große Rolle spielen" (Schober, 1977, S. 371)[5]. Mit Blick auf die soeben referierten Nachteile dieser Verfahren möchte ich vor diesem Hin­tergrund den Fokus auf die Vorteile und den Gebrauchswert dieser Verfahren legen.

 

Nach Rauchfleisch (1992) eignen sich diese Verfahren in erster Linie als Explorationshil­fen zur Formulierung psychodynamischer Hypothesen. Fisseni (1990) hält sie in diesem Zusam­menhang für äußerst dienliche Verfahren, da der Proband „kaum einschätzen kann, was projektive Verfah­ren diagnostisch erschließen sollen" (S. 224). In die gleiche Rich­tung ar­gumentiert Allesch (1991), der den „Einsatz dieser Verfahren als heuristische Me­thoden be­fürwortet" (S. 93)[6]. Hartmann et. al. (1984) unterstützen diese Auffassung, ma­chen aber deutlich, daß die so entwickelten Hypothe­sen durch andere Verfahren zu unter­mauern sind. Diese Autoren stellen an anderer Stelle no­ch einmal die sekundären Begleit­erscheinungen - wie z.B. das Bewußtsein, daß der Diagnostiker kein bloßer Reaktionsau­tomat sein darf, daß Individualdiagnostik eine Kunst bleibt, die Erleichte­rung für den Probanden, Gefühle, Motive und Konflikte auszudrücken, und die Förderung der Em­pathie des Diagnostikers - bei der Anwendung positiv heraus. Deutlicher können sich zudem nach Fisseni (1990) „auch die Genese oder die situationalen Momente eines Problems ab­zeichnen" (S. 224), was insbeson­dere dadurch ermöglicht wird, daß die Probanden genö­tigt werden, etwas Krea­tives zu tun[7].

 

Bei den gestalterischen Verfahren[8] muß neben ihrer möglichen "Eisbrecherfunktion" im dia­gnosti­schen Prozeß insbesondere auf deren "Fähigkeit" positiv hingewiesen werden, daß sie Probanden erlauben, spielerisch das auszudrücken, was diese mit Worten nicht hinlänglich genug verdeutlichen können. Weiterhin können sie, um mit Fisseni (1990) zu sprechen, „eingeschaltet zwischen unterschiedliche Verfahren, Entspannung ermöglichen" (S. 233).

 

Musiol (1970)[9] hat in diesem Zusammenhang im Rahmen ihrer Dissertationsarbeit den Ver­such unternommen, die Auswertungsobjektivität beim Sceno-Test zu untersuchen. Dabei er­hielten un­terschiedliche Begutachter, die zudem regional weit voneinander ent­fernt waren, fertige Sceno-Te­staufnahmen nebst Protokoll, ohne daß diese Unterlagen durch zusätzliche Informationen (z.B. Biographie, gesunde oder psychisch auffällige Pbn.) er­gänzt wurden. Als Ergebnis der Studie konnte die Autorin feststellen, daß bei den Begut­achtern eine Ten­denz zur übereinstimmenden Beurteilung vorhanden ist. Eine Beobach­tung, die auch Ermert (1994) in einer erst kürzlich veröf­fentlichten Abhandlung zur Ent­wicklung und Erprobung eines Beobachtungssystemes zum Sceno-Test machen konnte. Ermert (1994) schreibt dazu, daß man „von einer zufrie­denstel­lenden Zuverlässigkeit beziehungsweise Objek­tivität im Sinne der Beobachterübereinstimmung aus­gehen" (S. 168) kann.   

 

Im folgenden Kapitel werde ich mich mit dem von Gerdhild von Staabs entwickelten Sceno-Test genauer befassen und neben dem geschichtlichen Hintergrund auf die Zu­sam­mensetzung des Testmaterials, die symbolischen Bedeutungen sowie die Testauswer­tung im einzelnen detailliert eingehen.

3. Der Sceno-Test von Gerdhild von Staabs

3.1 Geschichtlicher Hintergrund

Der Sceno-Test gehört - wie oben angesprochen - zu den zeichnerischen und gestalterischen Verfah­ren. Höhn (1964) subsumiert diesen Test unter die Gruppe der spielerischen Gestal­tungsverfahren. Die erste Spieltechnik wurde von der Wiener Psychoanalytikerin Melanie Klein (1932, nach Höhn, 1964), einer Schülerin Sigmund Freuds, zur Untersu­chung des Kleinkindes ge­schaffen[10]. In betonter Unabhängigkeit zur Psychoanalyse ent­wickelte Marga­ret Lowen­feld im Jahre 1929 (1939, nach Höhn, 1964) ihre Welt-Tech­nik[11]. Dieses Ver­fahren wurde 1941 von Charlotte Bühler (1955, nach Gutzeit, 1961) zum Welt-Test aus­gebaut. Anfang 1938 war es dann die Berliner Nervenärztin Gerdhild von Staabs, die den Sceno-Test als Beitrag zur Erfassung un­bewußter Proble­matik[12] erarbeitete (vgl. von Sta­abs, 1951). Nach von Poten (1952) fin­det der Sceno-Test außerhalb Deutschlands in Schweden und Finnland die häufigste Verwendung. Die Nicht-Anwen­dung in den USA führt von Poten (1952) auf das Spielmaterial zurück, welches der Um­gebung des ameri­kani­schen Kindes nicht so gut ent­spricht.

3.2 Die diagnostische Aufgabe des Sceno-Tests

Die diagnostische Aufgabe des Sceno-Tests ist es, „die mehr oder weniger subjektiv ge­färb­te Vorgeschichte zu erhellen, also die Tatbestandsdiagnostik zu erweitern, als auch zweitens zu er­mitteln, wie der Patient bewußt und unbewußt seine Umgebung erlebt und innerlich zu ihr Stellung nimmt, um dadurch die Persönlichkeitsdiagnostik zu vertiefen" (v. Staabs, 1951, S. 10)[13]. Der Sceno-Test will Hinweise geben, wo im seelischen Be­reich die Probleme und Schwierigkeiten zu suchen sind und in welcher Beziehung sie zu den Umweltfaktoren ste­hen[14]. Daneben soll das Verfahren nach Ansicht seiner Autorin in der Lage sein, „ein Bild der Gesamtstruktur der Ver­suchsperson" (v. Staabs, 1951, S. 13) zu vermitteln[15]. Dabei weisen von Harnack & Wallis (1954) nochmals eindrücklich darauf hin, daß das Scenoer­gebnis nur einen Teilaspekt darstellt, der durch weitere Beob­achtungen beziehungsweise zusätzliche Tests erhärtet werden muß. Konflikte, die sich im Sceno zei­gen, müssen ihrer Meinung nach nicht für eine psychogene Ursache des betreffenden Symptoms stehen.

 

Von Staabs (1951) Anliegen war es, dem Probanden mit Hilfe von Spielmaterial die Mög­lichkeit zu geben, Äußerungshemmungen am Spiel der häuslichen Umgebung zu über­winden und sich zudem vom eigenen Erleben stärker distanzieren zu können, damit „die innerseeli­schen Schwierigkeiten frei Gestalt gewinnen" (S. 15) können[16]. Den Hinter­grund bildete da­bei die Vorstellung, daß mög­lichst unmittelbar Unbewußtes des Proban­den zur Darstellung gelangt. Über die stets gleiche Zu­sammensetzung des Spielmateri­als[17] sei nach Meinung der Testautorin zudem ein Ver­gleich der Untersuchungsergeb­nisse mög­lich.

 

Neben der Anwendung des Sceno-Testes im Rahmen der psychologischen Diagnostik sieht von Staabs (1951) seine Einsatzmöglichkeit auch in der Einzel- und Gruppenthera­pie, sowie als kom­biniertes Verfahren mit autogenem Training. Ebenso be­steht nach von Staabs (1951) die Möglich­keit, dem Probanden ein bestimmtes Thema für die Szenendar­stellung vorzuge­ben. Weitere An­wendungsmöglichkeiten bieten sich durch die Ver­knüpfung mit an Rollenspiel und Psycho­drama orientierten Techniken zum Beispiel im Schul-Sceno Rol­lenspiel (vgl. Moosmann, 1978) oder dem Sceno-Drama (vgl. Zierl, 1959). Dold (1989) be­nutzt den Sceno-Test zudem im Rah­men familienthera­peutischer Behandlungen. Dabei wird die Scenofamiliendarstellung „wie zu einer Handlungsanlei­tung, zu einem psychodramati­schen Textbuch, anhand dessen die Familie ihr Drama zur Aufführung bringt" (Dold, 1989, S. 9).

3.3 Die Testdurchführung

Der Sceno-Test hat nach von Staabs (1955) gezeigt, „daß er vom dritten oder vierten Le­bens­jahr ab bis hinauf in höchstes Erwachsenenalter verwendbar ist" (S. 689). Als Spielflä­che dient die Deckelkasteninnenseite, die bei neueren Ausführungen mit einer Metall­platte beschichtet ist, auf der die Puppenfiguren aufgrund aufgeklebter Magnetfüße problemloser drapiert werden können. Die Innenfläche wird mit ihrer Breitseite vor den Pro­banden gelegt, während die das Testmaterial bereithaltende Unterseite mit der schmalen Seite, auf der sich die Puppenfiguren befinden, rechts vom Probanden abgestellt wird.

 

Bei kleinen Kindern genügt nach von Staabs (1951) meist der Hinweis, auf der Spielfläche ir­gen­detwas mit dem vorhandenen Material zu bauen. Schulkinder und Jugendliche wer­den dagegen aufgefordert, „wie ein Regisseur die Puppenfiguren auf einer Bühne in einer Art Scene - daher der Name Sceno-Test - unter Zuhilfenahme des Zusatzmaterials mit­einander in Beziehung zu setzen" (S. 20). Die Probanden werden sodann noch darauf hingewiesen, von sich aus anzugeben, wann sie den Aufbau beendet haben. Während der Testdurchfüh­rung sollte sich der Untersucher jeglicher „Stellungnahmen und Suggesti­vfragen enthalten und auf keinen Fall ins Spielgeschehen eingreifen" (Brickenkamp, 1975, S. 557)[18]. Im An­schluß daran wird der Proband aufgefordert zu schildern, was er darge­stellt hat. Nach Knehr (1961) ist dies einer der wichtigsten Bestandteile der Untersu­chung, die regelmäßig folgende Fragen[19] enthalten sollte :

 

1. Wer hat es am besten ?

2. Wer hat es am schlechtesten ?

3. Welche Rolle (Mensch oder Tier) würdest Du übernehmen, wenn die Szene von leben­den We­sen in natürlicher Größe aufgeführt würde und man Dich zum Mitspielen aufge­fordert hätte ?

 

Nach Untersuchungsende wird die Szene skizziert oder fotographiert und kurz protokol­liert.

3.4 Die Testauswertung

3.4.1 Allgemeines

Von Staabs (1951) schreibt, daß der Versuchsleiter schon während der Durchführung sein Au­genmerk darauf richten sollte,

 

ob sich die Vp. mehr mit Puppenfiguren, den Bausteinen oder dem übrigen Zusatzma­te­rial be­schäftigt, ob sie nur Bausteine oder auch das übrige Material, insbesondere die Fi­guren, in das Spiel einbezieht, welche Puppen sie dann auswählt und wieder weglegt, wie sie sie zögernd oder entschlossen ergreift, wie sie sie anfaßt, betrachtet, zaghaft oder energisch biegt und hinstellt. Im weiteren Verlauf ist es aufschlußreich, welche Rollen die Vp. den einzelnen Puppenfiguren zuerteilt, welche Eigenschaften und Na­men sie ihnen beilegt, wie sie sie im Spiel und Gegen­spiel handeln läßt und in Bezie­hung zueinander setzt (S. 22).

 

Zudem sind Haltung und Gebärde der Puppenfiguren wichtig und auch die Art und Weise ihrer Charak­terisierung durch die Beziehung zu anderen Figuren beziehungsweise des Zusatzmaterials. Weite­ren Aufschluß geben darüberhinaus die eigenen Erläuterungen der Vp. zur Spiel­handlung sowie insbesondere zu der von ihnen gewählten Identifikationsfigur[20]. Fragen zu Einzelhei­ten der dargestellten Szene - insbesondere daraufhin erfolgende Abänderun­gen - , die Art und Weise, wie sich das Kind mit den verschiedenen Puppen unterhält oder die Puppen zu­einander sprechen läßt, und die Aufforderung, den einzelnen Figuren Namen beilegen zu las­sen[21], können weitere Aufschlüsse über den Aufbau geben.

3.4.2 Die theoretischen Ansätze zur Interpretation des Sceno-Tests

Seit der Testveröffentlichung entwickelten sich zwei theoretische Ansätze zur Interpreta­tion dieses Verfahrens. Altmann-Herz (1990) unterscheidet dabei den Ansatz des szeni­schen Verstehens so­wie den mechanistisch-analytischen Ansatz.

 

1. Zimmermann (1976) entwickelte den Ansatz des szenischen Verstehens[22], der davon aus­geht, daß jeder Ausdruck vieldeutig und verzerrt ist und daß weder analoge noch sym­boli­sche Bedeu­tungen feste Zuordnungen erlauben. Der in den einzelnen Szenen nieder­geschla­gene Bedeutungs­gehalt kann somit nur unter Berücksichtigung der anamnesti­schen Situation und der Übertra­gungssituation individuell erschlossen werden. Die unbe­wußte Bedeutung einer bestimmten Figu­renkombination und damit die jeder Einzelele­mente kann nur dann verbindlich ermittelt werden, „wenn der Übertragungsgehalt der aktuellen Szene sichtbar geworden ist sowie der Bezug eines Scenoaufbaues zu ihr, wo­durch dieser erst einer aus­weisbaren Interpretation hinsichtlich seiner unbewußten Inhalte zugänglich wird" (Zimmermann, 1976, S. 179). Schon Gutzeit (1961) stellte fest, daß „die Auswertung des ScT mehr oder weniger ein intuitiv subjektives Erfassen durch den Vl " (S. 91) bedarf, der „das Projizierte selbst auf sich wirken läßt" (ebd.).

 

2. Der mechanistisch-analytische Ansatz[23] geht dagegen von der Annahme aus, daß die an­ge­nommene symbolische Bedeutung der einzelnen Spielelemente nicht nur zu deren Auswahl führte, sondern auch deren Interpretation bestimmt. Mit anderen Worten kommt es nach Krolewski (1984) „bei sich mit gleicher Symptomatik äußernden neurotischen Störungen zu einer Häufung gewisser Szenenmerkmale (formale Gestaltung) und -in­hal­te" (S. 12), die sich mit Hilfe statisti­scher Prüfverfahren „als statistisch signifikant typi­sche Abweichungen darstellen lassen und Aus­druck eines dahinter verborgenen spezifi­schen psychodynamischen Konfliktmusters sind" (ebd.).

 

Die vorliegende Arbeit ist dem zuletzt vorgestellten Interpretationsansatz ver­pflich­tet[24]. Ein­zelheiten zur Auswertung der Sceno-Testbefunde werde ich unter Pkt. 6.4 nä­her er­läu­tern. Unter den beiden nächsten Gliederungspunkten werde ich auf Alters- und Ge­schlechtsunter­schiede in den Sceno-Testgestaltungen eingehen, um somit nicht-interpre­tierbare überindivi­duelle Verhaltensweisen (vgl. von Harnack & Wallis, 1954) herauszu­ar­beiten.

3.4.3 Altersunterschiede

Nach Ansicht von Höhn (1964) sind die Altersnormen im Sceno-Test am besten unter­sucht. Aufgrund ihrer Erkenntnis, daß die tiefenpsychologische Diagnostik die Berück­sichti­gung des All­gemeinen und Typischen vernachlässigt und auch dort noch den sym­bolischen Ausdruck indivi­dueller seelischer Inhalte sieht, „wo in Wahrheit normale überindividuelle Verhaltensweisen eines Typus, einer Alters- oder sonstigen Gruppe vorlie­gen", war sie die Erste, die sich mit der Aufstel­lung von Altersgruppen im Sceno-Test befaßte. Neben Höhn (1951) waren es insbesondere Jaide (1953, 1956) und Wunderlich (1958), die sich direkt mit der Erstellung von Altersnormen beschäftigten, während sich bei einer nicht geringen Anzahl weiterer Autoren wie Engels (1957), Käche­le-Seegers (1969), Melamed-Hoppe (1969), Kühnen (1973) und von Salis (1975) entsprechende Hinweise darauf im Zusammenhang mit dem jeweiligen Schwerpunktthema finden. Auch von Sta­abs (1951) erkannte bereits, daß sich „typische Verhaltensweisen und spezifische Eigentümlichkei­ten einzelner Entwick­lungsstufen im Umgang mit dem Sceno-Testmate­rial zeigen" (S. 34)[25].

 

In der folgenden Tabelle werde ich eine kurzen Überblick der Ergebnisse aus den Unter­su­chungen von Höhn (1951)[26], Jaide (1953[27], 1956[28]) und Wunderlich (1958)[29] geben.

 

 

Altersgruppe

Höhn (1951)

Jaide (1953)

Wunderlich (1958)

Die 3 - 5 jährigen

(Höhn, 1951)

Die 4 - 5 jährigen

(Wunderlich, 1958)

- Vorgehen fehlt jeder Plan und Stetigkeit;

- reine Funktionslust

- Verwendung von Bau­klötzen ist typisch

- eindimensionales Bauen der Kleinen

- Reihen von Material ge­gen Ende der Phase

- kaum inhaltliche Deu­tung bei den 3 - 4 jähri­gen möglich

 

- deutlich erkennbares Ordnungsprinzip in Form einfacher Gestal­tungen (z.B. Reihun­gen)

- Beziehungsfiguren wer­den erkannt, be­wertet, benannt, unter­schieden und in Be­ziehung zuein­ander gesetzt

- emotionale Einstel­lung bestimmt erlebten Wert­horizont

Die 6 - 8 jährigen

(Höhn, 1951 & Jaide, 1953)

Die 6 - 9 jährigen (Wunderlich, 1958)

- Reihungstendenz bildet Anfang jeder Spieltätigkeit

- Puppen werden noch nicht abgebogen; keine Gesten

- wilden Tieren wird meist hinterer Teil zuge­ordnet, der deutlich zum vorderen abgegrenzt wird

- noch keine geplante Ge­staltung

- Material wird jedoch zu kleinen Szenen kombi­niert

- Beziehungen werden oft erst nachträglich herge­stellt

- es stört das Kind nicht, zwei völlig heterogene Szenen nebeneinander zu bauen

- eher assoziativer Gestal­tungstypus

- Verwendung von mehr Material

- Überschreitung der Spielfläche

- geringere Gestaltung

- Ansätze zu einer primi­ti­ven Spielhandlung mit motorisch-funktionellem Spiel

- häufigere Verwendung von Schneemann, Zwerg, Engel

- geringere Nennung von Identifikationsfiguren

- Wirkcharakter des Ma­terials ist zwar noch do­minierend, es wir­d aber rational ange­gangen und indi­viduell bewußt bewäl­tigt

 

Die 9 - 11 jähri­gen

(Höhn, 1951)

Die 8 - 10 jähri­gen

(Jaide, 1953)

Die über 10 jäh­ri­gen

(Wunderlich, 1958)

- bewußte Gestaltung

- fließender Übergang von Wildnis zur Realität

- Puppen werden abgebo­gen

- Fülle der Szene

- Hausbauten: mit Fen­stern und Türen ohne Dach

- planvollere Gestaltung

- Beachtung von Ausrich­tung und Gestik der Pup­pen

- Abnahme von Material

- Bauen steht unter einem Oberbegriff und wird planend, reflek­tierend vollzogen

- das denkende, freitä­tig entscheidende Ich ab­strahiert sich vom Wirk­charakter der Objekte

 


 

 

Altersgruppe

Höhn (1951)

Jaide (1953)

Wunderlich (1958)

Die 12 - 15 jähri­gen

(Höhn, 1951);

Die 13 - 16 jähri­gen

(Jaide, 1956)

- reservierte/ ablehnende Haltung

- planvolle Gestaltung

- leerer wirkende Szenen

- oft wird das Wesentliche nur stilisierend angedeutet

- Nebeneinander von Ein­zelszenen hört auf

- puberale Distanzierung

- vernünftige Einsatzbe­reitschaft (planvoll, acht­sam, sinnvolle Gliede­rung)

- seltenere Benutzung von Märchenfiguren, Kinderspielzeug, Klo und Fell

- s.h. die "über 10-jährigen"

 

 

Neben diesen Autoren stellt Lüpnitz (1956)[30] fest, daß die 6-jährigen Kinder „die Aus­drucksmöglichkeiten, welche das Scenomaterial in sich birgt, nicht ausschöpfen" (S. 87). Bei den 8-jährigen ist dagegen eine differenziertere Haltung, d.h. ein zielbewußtes Lösen von Aufgaben unter Einschaltung von Aufmerksamkeit und willentlicher Steuerung zu beobach­ten. Melamed-Hoppe (1969), die die Schlüsselsituationen im Sceno-Test un­tersuchte, fand den höchsten Prozentsatz in der Altersgruppe der 9 - 11-jährigen. Käche­le-Seegers (1969) ermittelte in ihrer Dissertation über Vulgärlösungen im Sceno-Test, „daß die 2 - 5-jährigen signifikant weniger VL[31] pro Spiel benutzten als die höheren Al­tersgruppen" (S. 83). Der höchste - jedoch nicht signifikante - Wert ergab sich in der Al­tersgruppe der 6 - 8-jährigen. Den - wiederum nicht signifikanten - Rückgang in der Al­tersgruppe der 12 - 15-jährigen be­wertete Kächele-Seegers (1969) jedoch als interpre­tier­bare Schwankung aufgrund von stär­ker stilisierenden Tendenzen und der Beobach­tung, daß das Streben nach Wirklichkeitstreue auf­gegeben wird. Die Untersuchung des Forma­len im Sceno-Test durch Kühnen (1973) er­gab bezogen auf typische Gestal­tungen bestimmter Altersgruppen die in der folgenden Tabelle dargestellten Ergebnisse.

 

 

Die 3 - 5 jährigen

(signif.[32] Unterschiede zur 2. Altersgruppe)

- "formloses Spiel" häufiger (1 %)

- "subjektnahes Spiel" häufiger (1 %)

- "gesamte Spielfläche" in Kombination mit formlosen Spiel häufiger (1,5 %)

- "Rahmensprengung" häufiger (5 %)[33]

 

 

Die 6 - 8 jährigen

(signif. Unterschiede im Vgl zur 3. & 4. Altersgruppe )

- "formloses Spiel" häufiger (1 %)

- "Rahmensprengung" häufiger ( 1 %)

- "gesamte Spielfläche" häufiger (3 %)

(signif. Unterschiede im Vgl. zur 1. & 2. Altersgruppe)

- "Umgrenzungen" häufiger (1 %)

- "Reihungen" seltener (keine Angabe) zugunsten von "peripher" / "zentral"

Die 9 - 11 jährigen[34]

(signif. Unterschiede im Vgl. zur 1. & 2. Altersgruppe)

- "Eckenbetonung" häufiger ( unter 1 %)

- "zentral" häufiger (1, 5 %)

- "Insel" / "Gruppe" häufiger (1 %)

Die 12 - 17 jährigen

- kaum Unterschiede zur 3. Altersgruppe (9 - 11 jährige)[35]

 

 

Bei folgenden Spielmerkmalen läßt sich eine absteigende Häufigkeit von der 1. Alters­gruppe (3 - 5 Jahre) bis zur 4. Altersgruppe (12 - 17 Jahre) feststellen : "subjektnah", "gesamte Spielflä­che", "Rahmensprengung", "Reihungen", "formloses Spiel" und "horizontale Spieltendenz". Einen umgekehrten Verlauf nehmen die Spielmerkmale "diagonal", "Flächenaufteilung", "rechts-links Betonung", "zentral", "Insel" / Gruppe" und "Ecken".

 

Von Salis (1975) kam bei seiner formalen Analyse des Sceno-Test-Schlußbildes zu fol­genden Ergebnissen hinsichtlich des altersspezifischen Spielverhaltens im Sceno-Test :

 

 

1.

Die Anzahl der verwendeten Gegenstände war bei den Jüngeren höher als bei den Älteren.

2.

Die 4 - 11 jährigen benutzten häufiger als erwartet Puppen - umgekehrt verhält es sich bei den 12 - 18 jährigen; die 9 - 11 jährigen benutzen relativ häufig keine Puppen, die 12 - 14 jährigen rela­tiv selten gar keine Puppen

3.

Das Spielmerkmal "Zentrierung" kommt mit zunehmendem Alter häufiger vor

4.

Das Spielmerkmal "Randbetonung" kommt bei über 11- jährigen nicht vor

5.

Das Spielmerkmal "Tiere / Puppen erhöht plaziert" kommt in den unteren Jahrgängen häufiger vor

 

 

3.4.4 Geschlechtsunterschiede

Wie Altmann-Herz (1990) feststellt, liegen zu diesem Thema wenig verwertbare Ergeb­nisse vor. Außerdem, und da stimme ich mit der vorgenannten Autorin überein, „sind sol­che Un­terschiede weit mehr sozialisations- und damit kontextabhängig und gesellschaftli­chen Ent­wicklungen unterworfen als z.B. Altersunterschiede" (Altmann-Herz, 1990, S.38), so daß eine Interpretation diesbezügli­cher Unterschiede nur mit entsprechender Zurückhaltung vorgenommen werden sollte. In der fol­genden Ta­belle gebe ich dennoch kurz einen Überblick über die von verschiedenen Autoren gewon­nenen Ergebnisse.

 

 

Autoren

Mädchen

Jungen

1. Höhn (1951)

- 52 K. & 47 M.

- 9 - 11 j. verwenden mehr Puppen

- 9 - 11 j. verwenden mehr Tiere / Fahrzeuge

2. Jaide (1953)

- 22 K. & 26 M.

- 6 - 8 j. haben häufiger die Spielflä­che expansiv überfüllt oder über­schritten; oft einfachere Klötzebau­ten; Affe, Fell, Klo und Litfaßsäule dominieren

- geschickter im Umgang mit Pup­pen

- 6 - 8 j. lassen öfter die Fläche leer; Puppen werden häufig nicht benutzt

3. Jaide (1956)

- 23 K. & 17 M.

- Tendenz zur selektiven sparsamen Verwendung setzt sich weiter durch

- häufiger Zusatzmaterial

- Quantität variiert stärker

- mehr Fahrzeuge und Tiere

- bauen häufiger Teilszenen, die nichts miteinander zu tun haben

4. Melamed-Hoppe (1969)

- 700 K. & 406 M.spiele

- 30,82 % Schlüsselsituationen[36]

- 18,4 % Schlüsselsituationen36

5. Engels (1957)

- 18 K. & 18 M.

- mehr phantastische Motivverarbei­tung

- weniger Gestaltungskraft und Ge­schick, etwas Einheitliches zu bauen

- Bevorzugung von Gegenständen der Technik

6. Kächele-Seegers (1969)

- 657 K. & 380 M. spie­le[37]

- durchschnittlich 4,35 VL pro Spiel[38]

- VL 1 - 8 und 10 - 13 werden si­gnifikant (durchschnittl. 1 %) häufi­ger gespielt

- durchschnittlich 3,55 VL pro Spiel38

- VL 16 - 18 und 21, 22 werden si­gnifikant (1 %) häufiger gespielt

7. Kühnen (1973)

- 701 K. & 431 M.spiele

- "subjektnahes Spiel" bei den 12 - 17 j. signifikant (1,5 %) häufiger

- "Insel" / "Gruppe" bei den 9 - 11 j & 12 - 17 j. signifikant (1 %) häufi­ger

- "vertikale Spieltendenz" signifi­kant ( 1 %) häufiger

- "subjektnahes Spiel" signifikant   (1 %) häufiger

 

 

Autoren

Mädchen

Jungen

8. von Salis (1975)

- 87 K. & 39 M.

- bei 4 - 8 j. signifikant seltener keine Puppen (0,5 %)

- bei 4 - 8 j. signifikant relativ häu­fig keine Puppen (0,5 %)

- signifikant häufiger vertikales Auf­türmen (2,5 %)

- signifikant häufigere Betonung des linken unteren Quadranten (5 %)

 

 

3.4.5 Untersuchungen zur Ermittlung der gesamten Persönlichkeit

Engels (1957) hat in ihrer Untersuchung von 36 Sceno-Testspielen den Versuch unter­nom­men, die gesamte Persönlichkeit zu ermitteln. Dabei konnte sie insgesamt vier typi­sche Verhaltensweisen phänomenologisch voneinander unterscheiden. Bei ihrem Versuch, „die diesen Verhaltensweisen zugrunde liegende Struktur zu erhellen" (S. 52), konnte sie die er­sten drei Charakterisierungen bestätigen, während die Gruppe des ge­hemmten Ver­hal­tens aufgrund ihrer starken Hemmung „nur eine unsichere Diagnose auf die der ge­hemm­ten Ver­haltensweise zugrunde liegende Grundstruktur möglich machte" (S. 78).

 


In der folgenden Tabelle habe ich die Charakteristika der von Engels (1957) beschriebe­nen vier Typen gegenübergestellt.

 

 

Typ

Äußeres Gebaren

Einstellung zum Spiel

Verlauf des Spiels

sachlich - pla­nend (antriebs­stark vs. nüch­tern[39])

- beherrschte Gesamtmotorik

- Ausrichtung auf ein Ziel

- Gesichtsausdruck ist ge­sam­melt und konzentriert

- Auftreten beweist selbstän­dige Sicherheit

- wenig suggestibel

 

- Aufgabenlösung um ihrer selbst willen

- Spiel wird als Werk oder Auf­gabe aufgefaßt

- inhaltlicher Sinnzusammen­hang der Szenen

- Aufmerksamkeit springt nicht von Objekt zu Objekt

- Spiel und Außenwelt gegen­über halten sie eine gewisse Distanz

- Mitweltkontakt steht wäh­rend des Spiels im Hintergrund

- erst nach länge­rem oder kürzerem Planen wird das Spiel begonnen

triebhaft-um­triebig

- persönliches Tempo ist rasch und umtriebsam

- sie sind ständig in impulsi­ver Bewegung

- Greifbewegungen sind massiv und stabil, aber geschickt

- starke Ausbreitungstendenz über den Rahmen hinaus

- große Selbstsicherheit

- extravertiert / spielabgewandt

- das Kind bleibt nach außen orientiert

- Aufgabenlösung um der Mit­welt willen

- es besteht ein ständiges Aus­tauschbedürfnis mit der Um­welt

- Zielerreichung erst nach Ver­arbeitung vielfältiger anderer Eindrücke

- ihr Subjekt steht im Mittel­punkt des Geschehens

- sie setzen sich zwar ein Ziel, ver­folgen es aber weder direkt, noch verlieren sie sich in Teilziele

- Beschäftigungs­dauer ist an Mate­rialanreiz gebun­den

spielerisch

- die motorischen Bewegun­gen fließen aus dem natürli­chen Bewegungsdrang

- Ruhe und Ausgeglichenheit unterbinden jedes affektiv gespannte Benehmen

- Beschäftigung mit dem Mate­rial steht ganz im Vordergrund

- sie verlieren sich im Spielge­schehen

- Genuß an einzelnen Dingen

- Bevorzugung von Puppen

- keine Festlegung durch einen Plan

- Spiel ohne be­stimmtes Ende

- Teilziele werden erkannt und ausge­führt, aber über einem neuen wie­der vergessen

- Zielvorstellung bleibt wandel- und formbar 


 

 

Typ

Äußeres Gebaren

Einstellung zum Spiel

Verlauf des Spiels

gehemmt

- alles scheint nach außen hin unausgebildet

- wagen keine großzügig-si­chere Bewegung

- Aneignungstrieb ist nicht in normaler Stärke ausgebildet

- unglücklicher Gesichtsaus­druck verstärkt sich zum Schluß der Sitzung

- Frage, ob es mit Bauen fertig sei, wirkt stark suggestibel

- starke Hemmung verhindert jeden warmen Kontakt mit dem Material

- ratloser Gesichtsausdruck

- sie wirken, als wüßten sie nicht, was sie tun sollen

- aus eigener Kraft findet das Kind nicht den Weg nach au­ßen (es hängt unglücklich zwi­schen Spiel und Mitwelt)

- Angst vor Fehlern und Tadel

- Spielverlauf schleppt sich ohne Einfälle dahin

- wissen nicht, mit was sie beginnen sollen

- Betätigung er­schöpft sich in probierendem Hantieren, ziello­sen Anfassen und Herausnehmen ohne anschlie­ßende Gestaltung

 

 

In der Schlußbetrachtung der Ausführungen von Engels (1957) schließe ich mich der Mei­nung von Gutzeit (1961) an, die in der kritischen Auseinandersetzung dieser Arbeit zu dem Schluß kommt, daß es fraglich ist, „ob zur Objektivierung eine Typisierung helfen wird. Er­stens bleibt das Erfassen oder Feststellen eines solchen Typus dem VL und seiner subjekti­ven Meinung überlassen, und zweitens entsteht die Frage, ob damit nicht anstatt einer indivi­duellen Differentialdiagnose nur eine schematische Klassifizierung geschieht" (S. 91).

3.4.6 Zur symbolischen Bedeutung der einzelnen Sceno-Materialien

Von Staabs (1953) wählte das Material ihres Sceno-Tests inhaltlich so aus, daß die Pro­banden animiert werden, „ihre affektiven Bezüge insbesondere zu den Menschen, aber auch zu den Dingen in der Welt darzustellen und sich im Rahmen einer Miniaturwelt damit aus­einanderzusetzen" (S. 182). Den Kern des Spielmaterials, welches in einem tragbaren Kasten mit abnehmbaren Deckel, dessen Inneneinsatz ( 52 × 36 cm) zugleich als Spielfläche dient, untergebracht ist, bilden die 8 bis 15 cm großen, biegsamen Puppenfigu­ren[40].

3.4.6.1 Die menschlichen Figuren

Jeweils drei männliche Erwachsenenfiguren (Mann im Hausanzug, - im Straßenanzug, Arzt) und drei weibliche Erwachsenenfiguren (Frau im Hauskleid, - im Straßenkleid, - in Arbeitskleidung) werden durch eine typische Großvater-/ beziehungsweise Großmutterfigur ergänzt. Allerdings besteht bei keiner der beschriebenen Figuren eine unveränderliche, fe­ste Zuord­nung.

 

So kann beispielsweise die Großvaterfigur auch als Rektor, Priester, Lehrer etc. auftreten und so die von Knehr (1961) gemachte Beobachtung untermauern, daß diese Figur „als Au­tori­tätsper­son schlechthin verwendet wird" (S. 39). Die Großmutterfigur kann in ent­spre­chenden Szenen nicht nur als die Familienangehörige auftreten, sondern das Bild der "magna mater" in seiner symbolischen Bedeutung verkörpern, im guten und im bösen Sinne. Die überhöhte Stellung, die sie in mehreren Szenen einnimmt, deutet nach Knehr (1961) „zusätzlich auf ihre beherrschende Stellung als Mutter-Imago hin" (S. 38). Die Arztfigur[41] kann in verschiede­nen Aufbauten auch als Rennfahrer, Bäcker, Friseur oder als Therapeut verwendet werden. Am häufigsten aber wird sie nach Meinung von Knehr (1961) in ihrer ursprünglichen Be­deutung verwendet, als Arzt, „der bei Krankheit oder Unglücksfällen geholt wird" (S. 41). Es kommt ihm „nicht nur die Rolle des Helfers bei körperlichen Schäden zu, sondern die des Retters überhaupt, von dem auch Beistand in bezug auf den seelischen Konflikt erwartet wird" (Knehr, 1961, S 41). Von Staabs (1951) führt aus, daß die unterschiedliche Kleidung beider Mutterfiguren[42] die Wesensart dieser Figuren charakterisieren können, so wie sie vom Probanden erlebt wird. Die Frau in Ar­beitskleidung kann als Hausangestellte ebenso auftreten wie als Kassiererin, Verkäuferin, etc.

 

Im Spielmaterial befinden sich weierhin eine Reihe von Kinderfiguren. Dazu gehören je­weils ein männliches und weibliches Schul- und Vorschulkind sowie ein Zwillings­pär­chen[43]. Ergänzt werden sie durch das Baby im Steckkissen und die Prinzessin im langen Festkleid.

 

Nach Knehr (1961) ist das Baby im Steckkissen meist Objekt zärtlicher Fürsorge, „es stellt das Hilflose, das zu Bemutternde, aber auch das von allen Geliebte und alles noch Verspre­chende schlechthin dar" (S. 40). In diesem Zusammenhang hat es nach Knehr (1961) eine noch allgemeinere Bedeutung als in Fällen „von Geschwisterrivalität, in de­nen es abseits, außerhalb des Aufbaus abgelegt oder gar in den Rachen des Krokodils ge­s­teckt, der Ver­nichtung preisgegeben ist" (S. 40). Von Staabs (1951) hat die Prinzessi­nenfigur bewußt für das Material ausgewählt, damit dieser „eine besondere Rolle zuer­teilt werden kann" (S. 17). Dies wird besonders deutlich in ihrer Verwendung als Köni­gin, Geburtstagskind, Braut oder Tänzerin, die damit als die Gefeierte, Begehrte im Mit­telpunkt der Bewunderung steht. Die Verwendung als Identifikationsfigur kann nach Knehr (1961) wichtige Aufschlüsse geben, da sie der Ansicht ist, daß die Egozentrischen und die in der Realität Zurückgesetzten diese Wahl gehäuft treffen.

3.4.6.2 Die mythologischen Figuren

Zu dieser Gruppe gehören der Schneemann, der nach von Staabs (1951) sowohl Win­ter­freuden als auch kühle Atmosphäre ausdrücken kann. „Geht die Kälte von einer be­stimmten Person aus, wird der Schneemann häufig zu ihr in Beziehung gesetzt" (v. Sta­abs, 1951, S. 18). Der Zwerg kann als guter oder böser Heinzelmann gespielt werden, der Engel den Schutzengel oder die moralische Instanz verkörpern.

3.4.6.3 Die Tiere

Das Krokodil mit seinem weit geöffneten Rachen, der zischende und bösartige Ganter mit seinem weit vorgestreckten Hals sowie der listig schleichende Fuchs sind nach von Staabs (1951) Symbole für Aggressionen. Nach Meinung von Knehr (1961)[44] bringt da­bei der Fuchs eher das Heimliche eines Vorgehens zum Ausdruck, er kann aber auch für die Suche nach verborgenem Lustgewinn stehen. Die genannten Tiere können weiterhin eigene feindli­che Haltungen der Welt gegenüber ausdrücken, verharmlost oder ungefähr­lich gespielt wer­den. Knehr (1961) ergänzt diese Ausführungen, in dem sie den aggressi­ven Charakter der Tiere auch als erlebte Bedrohung auffaßt.

 

Die Haustiere (Kuh, Huhn mit Kücken, Schwein mit Ferkel, Ganter) sind nach Knehr (1961) am häufigsten als die Gefütterten zu sehen. „Wird dieser Vorgang besonders be­tont durch Häufung entsprechender Einzelszenen oder durch die Anordnung der Gruppe im Zen­trum des Bildes, dann ist zu vermuten, daß besondere Bedürfnisse im oralen Be­reich vorlie­gen" (Knehr, 1961, S. 42). Die Kuh, die sich allein durch ihre Größe, ihre Beweg­lichkeit sowie der äußerlichen Attraktivität deutlich von den anderen Tieren ab­hebt, „verkörpert wie ein allmächtiges Mutterimago spendende Fülle, aber auch bedrüc­kende Macht" (v. Staabs, 1951, S. 18). Nach Knehr (1961) ist es besonders aufschluß­reich, wenn die vom Probanden gewählte Identifikationsfigur der Kuh gegenübergestellt wird, „weil uns dann ein Spiegelbild des unbewußten Mutter-Kind-Verhältnisses vor Au­gen steht" (S. 43).

 

Während von Staabs (1951) den Vogel nicht ausdrücklich erwähnt, findet sich bei Knehr (1961) der Hinweis, daß er durch seinen aufgesperrten Schnabel gern von Kindern an auffal­lender Stelle postiert wird, um die Tendenz des Verlangens zum Ausdruck zu brin­gen. Nach Knehr (1961) betrachten Kinder den Storch sehr lange, bevor sie ihn im Hin­tergrund an ei­ner Stelle plazieren, wo ihm keine nachvollziehbare Rolle zufällt. Ihrer An­sicht nach deutet er darauf hin, „daß im Bereich der Aufklärung Fragen offen geblieben sind" (S. 42). Der Hund[45] deutet - bestimmten Personen zugeordnet - Zuwendung, Lie­bebedürfnis und Zärt­lichkeitstendenzen an. Knehr (1961) sieht ihn ebenfalls in der Rolle als Kamerad isolierter Kinder oder „als Vertreter des Animalischen schlechthin" (S. 42).  Der Affe tritt Beobach­tungen Knehrs (1961) zufolge unter drei Aspekten - als Identifika­tionsfigur motorisch einge­schränkter Kinder, als Vertreter der Triebwelt oder als Teu­felser­satz / Verführer - im Scenotestspiel auf.

3.4.6.4 Vegetatives

Zu dieser Gruppe des Spielmaterials gehören je zwei Äpfel, Birnen und Bananen, zwei ec­kige Beete sowie ein ovales Beet, je drei große und kleine Blumen, ein Obstbaum, zwei Tannenbäume und je ein schlanker beziehungsweise großer Laubbaum. Für von Staabs (1951) stehen insbesondere die Blumen, Bäume und Beete „als Sinnbild der Fruchtbar­keit, als mütterlicher Urgrund der Geborgenheit im Wald oder als Sehnsucht nach Be­sinnlichkeit, Zärtlichkeit und Innigkeit im Idyll, aber auch als Flucht vor der Wirklichkeit" (S. 19). Knehr (1961) will aus der An­sprechbarkeit des Probanden diesem Material ge­genüber etwas über das Gemüt des Be­troffenen aussagen können, zumal sie in den Auf­bauten erheblich gesperrter Kinder beob­achten konnte, daß die­ser Teil des Materials oft völlig fehlt. Die vorhandenen Früchte des Spielmaterials können orale Tendenzen verkör­pern, wenn sie auf gedeckten Tischen stehen oder in Schalen drapiert werden (vgl. Krolewski, 1984).

3.4.6.5 Objekte

Während Knehr (1961) die zum Scenomaterial gehörenden Autos nicht getrennt behan­delt und ei­ne bevorzugte Verwendung bei motorisch lebhaften Kindern verzeichnen konnte,  differen­ziert von Sta­abs (1951) noch zwischen dem Stadtauto[46] - als Ausdruck von Passivität und gefahren werden wollen - und dem Rennauto - zur Betonung des Ak­tiven, Propulsi­ven. Im Zusam­menstoß können sich „Aggressionen im allgemeinen, im be­sonderen, aber auch gewalttätig wirkendes Triebleben symbolisch darstellen" (von Staabs, 1951, S. 19). Knehr (1961) machte in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß die Ungesteuerten ihnen gerne die Funktion des Zerstörens[47] übertrugen. Bei der Eisenbahn, auf die von Staabs (1951) nicht im einzelnen eingeht, kann sich der Wunsch, sich „aus ei­ner bedrückenden häuslichen Umgebung zu entfernen und gleichzeitig in eine geborgene Atmo­sphäre aufgenommen zu werden" (S. 44), dadurch zeigen, wenn ein Puppenkind in der Szene beispielsweise mit der Eisenbahn verreist. Zudem gehe hieraus hervor, „daß die Vp. pas­siv zu ihren Zielen getragen werden möchte, wenn auch schnell oder gar propulsiv" (von Staabs, 1951, S. 44).

 

In der Verwendung des Töpfchens sowie des Puppenklos kann sich die anale Problematik ausdrücken. Nach von Staabs (1951) sind aus dem Spielgeschehen und der Handhabung des Materials Rückschlüsse auf die Art und Weise, wie das Kind die Reinlichkeitserzie­hung erlebt hat „und welche Haltungen sich daraus zu entwickeln vermochten" (S. 19), möglich. Der Waschbottich bringt nach von Staabs (1951) häufig Reinlichkeitstendenzen zum Ausdruck. Ähnliches beobachtete auch Knehr (1961), die gespielte Waschszenen häufig bei den Kindern entdecken konnte, „bei denen die Tendenz zur symbolischen Rei­nigung durch ein strenges Über-Ich und die von ihm hervorgerufenen Schuldgefühle ver­ursacht worden war" (S. 47). Daneben sieht man den Waschbottich noch in der Funktion als Futtertrog.

 

In den Armstuhl mögen nach von Staabs (1951) „Personen plaziert werden, denen ge­gen­über gebührende Achtung bezeigt werden soll. Es kann damit aber auch Geltungsstre­ben an­gedeutet werden" (S. 18). Durch die Verwendung des Liegestuhls kann Passivität noch zu­sätzlich unterstrichen werden. Das weiche Fell kann - bestimmten Personen zu­geordnet - Zärtlichkeitstendenzen, Liebebedürfnis oder Zuwendung ausdrücken.

 

Der Teppichklopfer findet in adäquater oder in aggressiver Form im Scenospiel Ver­wendung. Als Schatz[48], Dachfenster, Kristallschale, Lagerfeuer oder besondere Kräfte ausstrahlende Lichtquelle wird der Karfunkelstein im Scenospiel beobachtet. Die Ge­brauchsgegen­stände wie die vier Becher, die Kanne sowie die Schüssel - ggf. unter zu­sätzlicher Ver­wendung der Decke - zeigen in ihrer Verwendung als Eßgeschirr unter Umständen orale Tendenzen an. Das Tablett ist nach von Staabs (1951) als Schale oder Tischplatte, aber auch als Verkehrsinsel einsetzbar.

 

Die Schultafel in einer bevorzugten Verwendung im Mittelpunkt der Szene kann ein Hinweis auf die große Belastung durch Schulprobleme sein.

 

Zum weiteren Material, auf das im einzelnen nicht näher eingegangen wird, gehören noch die Nuckel­fla­sche , die Litfaßsäule sowie der Melkeimer.

3.4.6.6 Die Bausteine

Zum Inventar der Bausteine gehören Achtelquader, eckige kleine Säulen, ganze Qua­der, halbe Quader, Quader mit Loch, lange Viertelquader, runde große und kleine Säulen sowie Viertelquader. Während von Staabs (1951) die Hauptbedeutung der Bausteine noch darin sah, einer Spielhandlung den äußeren Rahmen zu geben, erkannte Knehr (1961) bei­spielsweise, daß an Zwängen Leidende außerordentlich quält, wenn das Farb- und Formen­sortiment nicht ausreicht, um eine vollständige Symmetrie herzustellen. Desweiteren machte sie die Beobachtung, daß Probanden, die mit den Bausteinen eine Szene zu gestal­ten beginnen, zu denjenigen gehören, „die einer neuen Situation zunächst mit dem Verstand begegnen und sie durch Planung und Einteilung zu bewältigen suchen, während die mit Tieren oder Pflanzen beginnenden sich primär vom Instinkt leiten lassen" (S. 46)[49]. Auf die mit Hilfe die­ses Materials zustande kommenden formalen Spielmerk­male wie z.B. "Umgrenzungen", "Randbetonungen" werde ich im nächsten Gliederungs­punkt genauer eingehen[50].

 

Wie von Staabs (1951, 1953, 1955) aber immer wieder selbst betont hat, sind das We­sentli­che des Spielmaterials die Puppenfiguren. Denn, so schreibt sie, „bei allen seelischen Fehlhal­tungen und bei jeder Problematik sind die mitmenschlichen Beziehungen das Wichtigste" (von Staabs, 1951, S. 20).

3.4.7 Die Auswertung des Formalen

Dunkell (1954) war einer der ersten, der sich der Auswertung des Formalen im Sceno-Test widmete. Aufgrund seiner äußerst kleinen Stichprobe von nur 19 Patienten, die zu­dem noch auf unterschiedliche Symptomgruppen[51] verteilt waren, können seine Ergeb­nisse[52], wie Kühnen (1973) folgerichtig feststellt, als wenig beweiskräftig[53] angesehen werden.

 

Im folgenden beziehe ich mich auf die von Kühnen (1973) vorgenommene Untersuchung zur Auswertung des Formalen im Sceno-Test an 1123 Probanden. Ich werde in der folgen­den Aufstellung die einzelnen Spielmerkmale vorstellen und ihre Bedeutung für die Aus­wertung referieren.

 

 

Spielmerkmal

Bedeutung

1. Peripher[54]

 

- Kann Perseverationssyndrom darstellen oder einem  Sicherheitsbe­dürfnis des Spielers gegen eine als feindlich erlebte Welt entsprechen

2. Subjektnah - sub­jekt­fern

- Das subjektnahe Spiel ist charakteristisch für das Kleinkind

3. Zentral

- Nach Knehr (1961) ist in der Mitte der Platz für das aktuell bedeutsame

4. Eckenbetonung

- Gemeinsam mit "Peripher" kann sie einem Absiche­rungsbedürfnis entsprechen

- Bei Betonung der gegenüberliegenden Ecken können ambivalente Gefühle oder widerstreitende Tendenzen ausgedrückt werden

5. Insel - / Gruppenbil­dungen

- Werden sie allein aufgestellt, verkörpern sie die Isolierung des Spielers

- Sind die Gruppen durch zusätzliche Elemente miteinander verbunden, so sind sie oft Ausdruck einer reichen sozialen Erlebniswelt des Kindes

6. Flächenaufteilung

- Diagonale Spannung : konträre Themen und besonders different empfundene Objekte werden oft in den gegenüberliegenden Ecken aufgebaut

- Rechts - Links Gegensatz : Nach Knehr (1961) findet man links das Pas­siv-Weibliche, rechts Männlich-Aktives in die Zukunft Führendes[55]; bei re­gressi­ven Tendenzen sei eine Linksbetonung festzustellen

7. Gesamte Spielflä­che[56]

- Ausfüllen aufgrund eines horror vacui[57]

- Unter Umständen auch Ausdruck von Einfallsreichtum und Phantasie

- Nach von Staabs (1951) auch Urangst vor dem Alleinsein in der Welt

8. Rahmensprengung

- Konstruktive = Außenraum wird in sinnvollen Zusammenhang zur Spiel­szene auf dem Kastendeckel gebracht

- Achtlose = die Spielfläche wird planlos überschritten; nach von Staabs (1951) Hinweis auf asoziales Verhalten[58];

- Nach Knehr (1961) werden von bestimmten Probanden diejenigen Dinge jenseits der Grenze gesetzt, die einen Bereich vertreten, der im Bewußtsein nicht existieren darf[59]

9. Reihungen

- Perseverationssyndrom; im Kleinkindalter ein Normverhalten

10. Vertikale Spiel­ten­denz[60]

- Symbol des Phallischen

- Türme in schwindelnder Höhe mit dem Element des Absturzes , als Kom­pensation eines Minderwertigkeitsgefühles

- Ausdruck einer Ehrgeizhaltung

- Bei Depressiven weniger häufig

 

 

Spielmerkmal

Bedeutung

11. Formloses Spiel

- Für das Kleinkind ein Normverhalten

12. Horizontale Spiel­tendenz

- Bei Schizophrenen ein Versuch, den horror vacui zu bewältigen

- Steigerung = Legespiel, bei dem nur der eindimensionale Raum genutzt wird

13. Umgrenzungen

- Hinweis auf Gehemmtheit und Ängste des Spielers[61]

14. Symmetriebeto­nung

- Offenbarung von innerer Unsicherheit und der Angst vor der eigenen Im­pulsivität

- nach Knehr (1961) soll etwas am Ausbruch gehindert / unterdrückt werden

15. Quantitative Mate­rialverwendung

- 6 Gruppen: minimal (- 7), spärlich (8 - 17), ausreichend (18 - 36), erfüllt (37 - 50), überfüllt (50 -), totale Spiele (alle)[62]

- Ein Spiel mit sehr wenigen, lediglich 1 - 2 Elementen erweckt nach Bier­mann & Biermann (1962) den Verdacht auf eine spezielle symbolische Be­deutung

- Bei einer Kontaktstörung werden häufiger als erwartet viele, bei einer Lei­stungshemmung werden häufig wenig Gegenstände benutzt (vgl. von Salis, 1975)

 

 

Biermann & Biermann (1962) fanden bei einem Vergleich der formalen Spielmerkmale bei den Gruppen der Schizophrenen und Hirnorganikern eine charakteristische Spielstruk­tur, die als das organische Syndrom des Sceno-Testspiels bekannt wurde. Es wird durch die formalen Spielmerkmale "Reihungen", "Rahmensprengung", "Randbetonung" und "minimale beziehungsweise spärliche Materialverwendung" verkörpert[63]. Dieses Syndrom ist da­bei zunächst nur Ausdruck einer funktionellen Störung, die zu einer vollständigen Heilung führen, aber auch Ausruck eines bleibenden hirnorganischen Defektes sein kann (vgl. Biermann & Biermann, 1962).

 

Den von anderen Autoren (Graf Wittgenstein, 1958[64], Biermann & Biermann, 1962, von Salis, 1975, Ermert, 1994) zusätzlich untersuchten formalen Spielmerkmalen möchte ich mich nun zuwenden[65]. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß nicht jedes Spiel­merkmal eine tieferliegende symbolische Bedeutung verkörpert. Vielmehr haben die Au­toren versucht, zu untersuchen, ob dieses Spielmerkmale überzufällig häufig von be­stimm­ten Personenkrei­sen (Altersunterschiede, Geschlechtsunterschiede, psychische Auffällig­keiten, Diagnose­gruppen etc.) verwendet werden oder nicht.

 

 

Spielmerkmal

Bedeutung

16. Betonung eines der vier Quadranten

- im vorderen linken : Darstellung der Ausgangssituation[66]

- im hinteren linken : Zuschauerraum

- im hinteren rechten : Zukunftsplanung

- im vorderen rechten : akute Konfliktsituation

17. Vulgärlösungen

- Ihr Vorhandensein bestätigt, wie weit sich der Spieler im sozialen Kon­takt seiner Umwelt angepaßt hat

18. Schlüsselsituationen

- Sie decken in der Spielsituation unmittelbar den persönlichen Konflikt auf[67]

19. Leerlassen einer Flä­che von der Ausdeh­nung mindestens eines Qua­dranten

- Bei Vorliegen einer neurotischen Störung lassen die Probanden seltener eine Fläche von mindestens einem Quadranten leer

20. Betonung der unte­ren Hälfte

- Keine Erläuterungen oder Ergebnisse

21. Betonung der oberen Hälfte

- Keine Erläuterungen oder Ergebnisse

22. Zentrierung[68]

- Mit zunehmendem Alter häufiger (vgl. Pkt. 2.4.3)

23. Puppen oder Tiere erhöht plaziert[69]

- Keine Erläuterungen oder Ergebnisse

24. Anzahl Puppen

- Einteilung in drei Gruppen: keine, mittel (1- 7), viel (über 7)

- Die Kontaktgestörten verwenden häufiger Extreme und seltener eine mittle­re Anzahl von Puppen[70]

25. Nur Bausteine

- Hinweis auf Kontaktstörung[71]

 

 

Ergänzend zu dem in der Tabelle aufgeführten Spielmerkmal "Vulgärlösung" ist zu sagen, daß zunächst Jaide (1953) die Vermutung anstellte, daß viele der Spiel- Figurenkombina­tio­nen „sehr viel simpler, konkreter, spielerischer, zufälliger entwickelt und verwendet werden, ohne daß sich darin eine tiefergehende unbewußte Problematik manifestiert" (S. 294), und in Umsetzung dieser Gedanken eine Liste der häufigsten Spielkombinationen erstellte. Harnack & Wallis (1954) gebrauchten sodann als erste den Terminus "Vulgärlösungen", bis Biermann (1956, zit. nach Kächele-Seegers, 1969) eine Liste von 24 Spielkombinationen vorschlug. Diese reduzierte der Autor in einem späteren Artikel auf 21 (vgl. Biermann & Biermann, 1962), wobei die ursprünglichen VL 2, 12, 16 und 24 gestrichen und die VL "Arzt und Kind" hinzugefügt wurde. Mit Blick auf die von Kächele - Seegers (1969) erzielten Ergeb­nisse an einer Enkopretiker-Stichprobe führe ich an­schließen noch einmal die ursprüngliche Liste der 24 Kombinationen - ergänzt um die o.g. genannte Kombination - auf :

 

 

VL Nr.

Inhalt

VL Nr.

Inhalt

VL 1

Baby oder Kind auf Fell

VL 14

Zwerg im Wald

VL 2

Baby oder Kind auf Klosett

VL 15

Engel auf Dach

VL 3

Baby mit Flasche oder Töpfchen

VL 16

Mauer, Säule

VL 4

Liegestuhl und Fell mit Oma, Mut­ter/Kind, Baby

VL 17

Auto und Garage

VL 5

Dienstmädchen mit Haushaltsgerät

VL 18

Auto auf Straße, Damm, Brücke

VL 6

Mutter mit Kind

VL 19

Fuchs im Wald

VL 7

Eltern mit Kind

VL 20

Fuchs und Gans

VL 8

Dienstmädchen mit Kind

VL 21

Affe auf Baum

VL 9

Eltern

VL 22

Storch auf Dach, Säule

VL 10

Großeltern

VL 23

Tiere im Gehege

VL 11

Kindergruppe im Spiel

VL 24

Kuh im Gehege

VL 12

Engel bei Baby

VL 25

Arzt und Kind

VL 13

Tisch, Decke, Geschirr

 

 

 

 

Zu dem Spielmerkmal "Schlüsselsituationen" ist hinzuzufügen, daß sich diese nach An­sicht von Harnack & Wallis (1954) relativ selten finden[72]. Sie kann „in der Scene offen zutage lie­gen" (Melamed-Hoppe, 1969, S. 2), oder aber „verschlüsselt, d.h. in verkleide­ter Form dar­gestellt und somit auf den ersten Blick nicht erkennbar sein" (ebd.). Nach Biermann (1953) kommt es in Form eines Geständniszwanges dazu, daß das Kind „die intensiv erlebte neuro­tisierende Situation wieder im Spiel darstellt und auf diese Weise eine Erleichterung des Verdrängungsdruckes erfährt" (S. 318). Spielen Kinder bei Wie­derholungen des Sceno-Tests „in einem wie kopiert erscheinenden Darstellungsschema die gleiche Szene mit glei­cher Haltung der Puppen" (Biermann, 1953, S. 319), kann „eine unter dem lastenden Ver­drängungsdruck erstarrte innere Situation angenommen werden" (ebd.), die die Kinder in ei­nem monotonen Wiederholungszwang zu einem bestimmten Scenenaufbau - aus dem Unbe­wußten heraus - zwingt.

3.4.8 Typische Gestaltungen bei bestimmten Konflikten

Im Rahmen von Abhandlungen zur Auswertung des Sceno-Testes wird auch immer wie­der auf typische Gestaltungen bei bestimmten Konflikten oder Problemen eingegangen (vgl. u.a. Knehr, 1961). Nachfolgend möchte ich kurz eine Übersicht aus den von von Staabs (1951), Knehr (1961) und Altmann-Herz (1990) referierten Beobachtungen ge­ben, um damit das Kapitel der Testauswertung abzuschließen[73]. Dabei werde ich nur sol­che Beobachtungen mitteilen, die nicht schon in den vorangegangenen Abschnitten be­handelt wurden.

 

 

Konfliktbereich

von Staabs (1951)

Knehr (1961)

Altmann-Herz (1990)

Regressive Tendenzen

k. z. A.

- Kind im Arm der Mut­ter

- Zwerg, der in einem Haus ohne Türen und Fen­ster wohnt

- Bevorzugung von Pup­pen, die eine frühere Ent­wick­lungsstufe re­prä­sentieren

k. z. A.

Beziehungsstörung

k. z. A.

k. z. A.

- Beziehungsloses Ne­beneinander der Puppen

Ängste

- Identifikation mit mächtigem Wesen

k. z. A.

- Verwendung von Ele­menten der Warnung und Kontrolle

Hemmungen

k. z. A.

k. z. A.

- zögerlicher Aufbau, mehrmaliges Umbauen

- Verwendung nur eines Teils der Spielfläche

Aggressionen

k. z. A.

k. z. A.

- Agieren aggressiver Handlungen

- Bevorzugung entspre­chender Figuren

Depressive Tendenzen

k. z. A.

- Bilder der Passivität

- Müde, kranke Men­schen

k. z. A.

k.z.A. = keine zusätzlichen Angaben

 

 

Konfliktbereich

von Staabs (1951)

Knehr (1961)

Altmann-Herz (1990)

Isolierung

- Verwendung von nur einer Figur

- Figuren werden aus­drücklich als Einzel­gän­ger bezeich­net

k. z. A.

k. z. A.

Eifersucht

- Rivale wird nicht be­achtet

- Rivale wird beseitigt

k. z. A.

k. z. A.

Inadäquate Mutter - Kind Beziehung

- Mutter im Liegestuhl, während Kinder am Tisch sitzen oder arbei­ten

k. z. A.

k. z. A.

Distanz zu Menschen als abnorm empfinden

- Verwendung thronar­ti­ger Sessel (darin Figu­ren, denen Respekt gebo­ten werden muß)

k. z. A.

k. z. A.

Sexualproblematiken

k. z. A.

- Spagatstellung bei Pup­pen

k. z. A.

Alleingelassene

- Hund als Wächter

- Hund als Kamerad ei­ner einzelnen Figur

k. z. A.

k. z. A.

k.z.A. = keine zusätzlichen Angaben

 

 

3.5 Bisherige Sceno-Test-Untersuchungen zur Enkopresis

 

Im Rahmen klinischer Falldarstellungen über Enkopretiker werden hin und wieder auch Testergenisse aus Persönlichkeits-Entfaltungsverfahren allgemein[74], aber auch des Sceno-Tests im speziellen referiert. Bemporad et. al. (1971) stellten mit Hilfe der Per­sönlichkeits-Entfaltungsverfahren dominierende aggressive Phantasien fest, während an­dererseits auch Hinweise auf orale Frustrationen - dargestellt durch Szenen mit viel Obst oder Fütterungs­bilder - ausgemacht werden konnten. Loney (1971) kommt nach Auswer­tung der Ergebnisse aus seinem Test, dem "Loney Draw-a-car Test", zu folgendem Resumée: „encopretics show anal-compulsive defensiveness, vulnerability, and loss of control, along with anal-retentive pride" (S. 265). Tatzer & Schubert (1983) konnten bei etwa 80 % der Enkopretiker Hinwei­se auf eine problembehaftete, mangelnd gefestigte oder stark ambivalente Mutterbeziehung beziehungsweise eine familiäre Konfliktsituation ermitteln. Vogl (1983) sah im Test ihres Enkopretikers dessen starken Wunsch nach einer eigenen vollständigen Familie.

 

In Bezug auf Sceno-Testergebnisse von Enkopretikern wird in der Literatur folgendes refe­riert. Biermann (1951/52) stellte in den von ihm durchgeführten Sceno-Testuntersu­chungen „kein für die Enkopresis spezifisches Verhalten dieser Kinder fest" (S. 620), während dersel­be Autor allerdings in einem späteren Artikel von Aggressionsneigungen im Sceno-Test be­richtet (vgl. Biermann, 1960). Schimon (1962) sieht ebenfalls im Sceno-Test ihres Einkoters aggressive Tendenzen einerseits sowie eine - mit Hilfe der Kuh sym­bolisch dargestellt - ab­seits plazierte Mutter. Wolff (1969) konnte in seiner Auswertung der Sceno-Testspiele eine große Zahl von Angstzeichen, die von Realängsten wie z.B. Angst vor dem Vater, Angst vor dem Verlust der Mutter bis hin zu angstmotivierten Aggressionen gegen die Eltern - im Sceno-Test durch Tötungen symbo­lisch dargestellt - reichten, feststellen. Daneben konnte Wolff (1969) allgemeine Macht- und Geltungsbe­dürfnisse sowie eine Tendenz, Konflikte zu leugnen - im Sceno-Test durch kontrastorische Darstellung idyllischer Szenen -, ausmachen. Weiterhin beobachtete Wolff (1969) Gefühle des Ausgeschlossenseins, des Bedrohtseins in der Familie sowie Wünsche nach einer harmonischen Familie. Berger (1974) beschreibt wie Herzka (1978) die im Sceno-Test ausgelebten Aggressionen der Enko­pretiker.

 

Berger & Rennert (1956) waren die ersten, die sich ausschließlich mit der Auswertung von Sceno-Testspielen enkopretischer Kinder befaßten, ohne dabei allerdings methodisch fundiert vorzugehen. Neben einer fehlenden Kontrollgruppe vermißt man auch detaillierte Angaben zum Vorgehen der Auswertung der Sceno-Testspiele. Berger & Rennert (1956) konnten eine be­sondere Verwendung des Klos und des Fells bei den Mädchen feststellen. Während das Klo abseits gestellt oder nur verschämt benutzt wurde, wurden auf dem Fell mit Vorliebe die Kin­der gebettet. Aufschlußreich fanden die Autoren auch, daß von ins­gesamt 20 Probanden immerhin 5 überhaupt keine menschlichen Figuren verwendeten. Von 20 Scenospielen wur­den darüberhinaus 18 konfliktträchtige registriert. Dabei wurde die Kontaktstörung zu den Eltern offen - im Spiel zwischen den menschlichen Figuren - oder latent - in Form von Spie­len zwischen menschlichen Figuren und Tieren oder Tieren untereinander - gespielt. Die Autoren gewannen den Eindruck, daß sich die Kontaktstö­rung in ihrer scharfen Form gern als Aggression (z.B. mittels heftiger Tierbeißereien), in der gemäßigten als Angst-Abwehr-Flucht (z.B. als Aufpassen der Erwachsenenfiguren auf die Kinderfiguren) und in der milden Form als Wunsch (z.B. Wunsch nach Umsorgt­sein, Identifikation mit dem Baby, häufige Verwendung von Fell, Hund und Prinzessin) zu offenbaren pflegt.

 

Kächele-Seegers (1969) untersuchte in ihrer breit angelegten Dissertation über die Be­deu­tung der Vulgärlösungen[75] im Sceno-Test auch die Symptomgruppe der Enkopretiker und stellte dabei fest, daß die VL 2, 3, 15, 22 und 24  häufiger, die VL 4, 8, 19 und 20 dagegen seltener - im Vergleich mit den Ergebnissen acht anderer Krankheitsgruppen[76]- gespielt wur­den. Nach Kächele-Seegers (1969) geben die VL 2 und 3 einen deutlichen Hinweis auf die anale Problematik, während bei der VL 15 im Einzelfall überprüft werden muß, ob eher die Schutzfunktion oder die Rolle der morali­schen Instanz zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die VL 22 wird von der Autorin in Zusammenhang mit dem frü­hen Interesse dieser Kinder an sexuellen Dingen (vgl. Biermann, 1951/52) gesehen, bei der VL 24 ist es ihrer Meinung nach der Wunsch, die übermächtige Mutter in bestimmte Schranken zu weisen. Die Vernachlässigung der VL 4 sieht die Autorin als Hinweis auf eine besonders schwerwiegen­de Störung des Mutter-Kind Verhältnisses. Auf die Bedeu­tung der geringen Frequenz der VL 8 geht die Autorin nicht näher ein, während sie die Geringschätzung der VL 19 und 20 dadurch zu erklären versucht, daß der Enkopretiker durch seine schon im Symptom offen gezeigte aggressive Form des Protestes diesen nicht mehr auf den Fuchs zu projizieren braucht. Eine wenig Weitblick enthaltende Interpretati­on, zumal neben dem Fuchs insbeson­dere das Krokodil - in den Vulgärlösungen nicht enthalten - als das Symbol für Aggressionen im Sceno-Test steht.

 

Melamed-Hoppe (1969) fand heraus, daß die höchste Zahl an Schlüsselsituationen im Sceno-Test von den Enuretikern und den Enkopretikern, die zugleich an einer Enuresis lei­den, dar­gestellt wurden (insgesamt 35,1 %).

 

Kühnen (1973) ermittelte in ihrer Analyse des Formalen im Sceno-Test bei der Symptom­gruppe der Enkopretiker ein gehäuftes Auftreten der Spielmerkmale, die das organische Syndrom verkörpern (vgl hierzu Pkt. 5 dieser Arbeit), und deutete dies als Hinweis auf die von Biermann (1951/52) festgestellte Pseudodebilität dieser Kinder. Daneben konnte Kühnen (1973) gehäuft eine Symmetriebetonung und Flächenauf­tei­lung feststellen, die sie als Versuch der Kinder wertete, die Unordnung, das Schmutzige beherrschen zu können, um somit ihre Triebhaftigkeit zu unterdrücken.

 

Krolewski (1984) war vorerst der Letzte, der der sich im Rahmen einer Dissertation mit den Sceno-Testgestaltungen der Enkopretiker befaßte. Augenscheinlich legte Krolewski (1984) dabei die gleichen Auswertungskriterien wie Engler (1972) an[77], der sich mit dem Sceno-Testspiel von Enuretikern befaßte. Die letzte Arbeit ist in der Literatur allerdings nicht kri­tik­los aufgenommen worden, schreibt doch Altmann-Herz (1990), daß diese Un­tersuchung ein Beispiel dafür sei, „wie man empirische Daten so theoretisch verzerrt dar­stellen kann, daß die Relevanz nicht mehr beurteilbar ist" (S. 39). Auch Kühnen (1973) beurteilt die ana­log zu Krolewski (1984) von Engler (1972) ausgesuchten Merkmale für Regressionstenden­zen wie Schlaf- und Sitzszenen, Linksausrichtung der Szene, Verwen­dung von Engel, Zwerg und Hund kritisch, da nicht in jedem Fall geklärt sei ob sie das ihnen zugrunde gelegte Merkmal repräsentieren. Vor diesem Hintergrund sind die im fol­genden dargestellten Er­gebnisse dieser Arbeit zunächst einmal kritisch auf­zunehmen und sicherlich durch zusätzliche Untersuchungen zu untermauern.

 

 

1.

Signifikant mehr Essensszenen die als Ausdruck von Oralität gewertet werden

2.

Subtile Hinweise auf eine Verdrängungs- beziehungsweise Verleugnungshaltung gegenüber Darstellungen der analen Thematik

3.

Signifikant weniger - auf eine (kompensierende) Ehrgeizhaltung verweisende - Turmbauten

4.

Symbol "Tafel" wird selten und dann vorwiegend in regressiver Konstellation verwendet

5.

Aggressionszeichen werden gleich häufig gespielt, jedoch setzten Enkopretiker signifikant häufiger das Krokodil und den Fuchs zielgerichtet auf Aggressionsobjekte an

6.

Ein deutlicher Zusammenhang zeigt sich bei der Verwendung von Aggressions-, Angst- und Regressionszeichen - in allen Fällen mit abgegrenzten Szenenteilen mit dargestellter Aggres­sion drückten die Enkopretiker in anderen Szenteilen deutliche Regressionswünsche aus

7.

Der Engel wurde häufiger neben eine Elternfigur plaziert, die gleichzeitig Aggressionsobjekt war

8.

Signifikant mehrere Angsthinweise pro Szene

9.

Signifikante Mehrverwendung von Schlaf- und Sitzszenen

10.

Trend, weniger Szenen mit Puppen zu gestalten

11.

Signifikant häufigere Verwendung von Tierfiguren

12.

Die Kuh wurde kaum innerhalb einer Umgrenzung plaziert, sondern eher uneingegrenzt, wo sie allerdings signifikant häufiger das Ziel aggressiver Angriffe war

13.

Mutterfiguren wurden signifikant häufiger in fürsorglichem Kontakt mit Kindern dargestellt - auf der anderen Seite aber auch signifikant häufiger isoliert

14.

Vaterfiguren wurden weniger häufig als beschützender Vater gespielt

 

 

4. Die Enkopresis im Kindes- und Jugendalter

4.1 Allgemeines

4.1.1 Geschichtlicher Überblick

Das Symptom - dem in der wissenschaftlichen Literatur wenig Beachtung geschenkt wird (vgl. Wolters, 1971, Stegat, 1975) - wurde erstmals von Hennoch im Jahre 1881[78] be­schrie­ben (nach Krisch, 1985). Der erste Klassifikationsversuch geht auf Ostheimer (1905, nach Wille, 1984) zurück. Pototzky (1924, nach Krisch, 1985) führte als erster im Jahre 1924 den Terminus "Enkopresis" in die Literatur ein, bis Weissenberg (1926, nach Krisch, 1985)  den ersten Artikel mit der neuen Bezeichnung veröffentlichte. Nach Krisch (1985) setzte sich in den zwanziger und dreißiger Jahren die Einsicht durch, daß der En­kopresis oftmals eine Obstipation zugrunde liege (vgl. Thorling, 1923, nach Trott et. al, 1994), was schließlich ei­ne Welle an organmedizinischen Behandlungsverfahren[79] nach sich zog. Nach und nach rückten auch die psychischen Ursachen der Enkopresis in den Mittelpunkt der Betrachtung. So berichtete beispielsweise Shirley (1938) anhand seiner 70 Enko­pretiker, daß die Ursachen in einer Kombination verschiedener Faktoren zu su­chen seien, als da wären „make-up, unhappy home environment, interpersonal conflicts, lack of trai­ning, social difficulties, and fears" (S. 373). Beeinflußt von den Ansichten Sigmund Freuds[80] berichtete Lehmann im Jahre 1944 (nach Krisch, 1985) als erster über die psy­choanalytische Therapie der Enkopresis.

 

In den 50er Jahren begann die empirische Erforschung der Enkopresis mit vermehrten sy­stematischen Beobachtungen, Erfahrungen an größeren Patientengruppen und anschlie­ßen­den statistischen Auswertungen (vgl. u.a.  Albrecht & Hoffmann, 1950, Eller, 1960). Kurze Zeit später brach die Ära der lerntheoretisch ausgerichteten Behandlungsverfahren zur En­kopresis mit dem von D.H. Neale (1963) veröfentlichten Artikel "Behaviour the­rapy and en­copresis in children" an, die in den nächsten zwei Jahrzehnten ungebrochen fort­gesetzt wurde (vgl. u.a. Gelber & Meyer, 1965, Young, 1973).

 

In den letzten Jahren wurden wiederum Akzente von den Vertretern der Organmedizin (vgl. Levine & Bakow, 1976, Berg et. al., 1983, Stern et. al., 1988) sowie ebenso von Psychoana­lytikern (vgl. Edgcumbe, 1978, Binét, 1979) gesetzt. Aber auch die Anhänger eklektisch-in­tegrativer Behandlungsmodelle (vgl. Artner & Castell, 1981, Trott et. al., 1994) sowie die Protagonisten der Familientherapie (vgl. Dreman, 1977, Andolfi, 1978, Fried, 1980) steuer­ten neue Erkenntnisse zur Enkopresis-Forschung bei. Die Verhaltens­therapeuten entwickel­ten in der neuen Disziplin der Verhaltensmedizin (vgl. Petermann, 1994) eine Verknüpfung operanter Techniken und medizinischer Verfahren.

4.1.2 Definition

Wie eine Durchsicht der einschlägigen Enkopresis-Literatur verdeutlicht, wird der Be­griff Enkopresis nicht einheitlich verwendet[81]. In den einzelnen Definitionsansätzen kommt es zum Teil zu immensen Unstimmigkeiten in Bezug auf folgende Punkte: die Altersgrenze[82], die Unterscheidung von willkürlichem oder unwillkürlichem Einkoten,  die ätiologischen Kriterien (organisch / psychisch), das Vorliegen einer Obstipation, die Subsumption Schwachsinniger unter den Begriff, die Menge und Konsistenz der Ausschei­dungsproduk­te[83] und die Dauer und Häufigkeit der Inkontinenz, von der ab von einer En­kopresis gesprochen werden sollte.

 

Auch die beiden gebräuchlichsten Klassifikationssysteme, das DSM-III-R (1989) sowie die "Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10)" (1991) definieren die En­kopresis leicht unterschiedlich, jedoch enthalten beide Ansätze meines Erachtens alle wichti­gen Punkte einer zeitgemäßen Enkopresis-Definition. Im DSM-III-R (1989) finden sich fol­gende diagnostische Kriterien für das Vorliegen einer funktionellen Enkopresis (307.70) :

 

 

1.

Wiederholte, unwillkürliche oder willkürliche Entleerung von Fäzes an nicht dafür vorgesehe­nen Stellen.

2.

Die Störung muß mindestens einmal monatlich über einen Zeitraum von sechs Monaten auftre­ten.

3.

Das tatsächliche beziehungsweise das Entwicklungsalter des Kindes muß mindestens vier Jahre betragen.

4.

Die Störung ist nicht durch eine körperliche Störung bedingt.

5.

War ein Kind noch nicht länger als ein Jahr sauber, so spricht man von einer primären Enko­presis. Handelt es sich um einen Rückfall bei einem Kind, das schon länger als ein Jahr den Stuhlgang kontrollieren konnte, wird dies mit sekundärer Enkopresis bezeichnet.

6.

Eine zusätzliche Differenzierung kann je nach Vorhandensein einer retentiven beziehungsweise nichtreten­ti­ven Ausgestaltung der Symptomatik erfolgen.

 

 

Die "Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD 10)" (1991) definiert die  En­kopresis (F 98.1) folgendermaßen :

 

Wiederholtes willkürliches oder unwillkürliches Absetzen von Faeces normaler oder fast normaler Konsistenz an Stellen, die im soziokulturellen Milieu des betroffenen Kindes dafür nicht vorgesehen sind. Die Störung kann eine abnorme Verlängerung der normalen infantilen Inkontinenz darstellen oder einen Kontinenzverlust, nachdem eine Darmkon­trolle bereits vorhanden war, oder sie kann das absichtliche Absetzen von Stuhl an dafür nicht vorgesehenen Stellen trotz normaler physiologischer Darmkon­trolle beinhalten. Die Störung kann als monosymptomatische Erkrankung auftreten, oder sie kann Teil einer umfassenderen Störung, besonders einer emotionalen Störung (F93) oder einer Störung des Sozialverhaltens (F91) sein (S. 300).

 

Zudem sollte eine Enkopresis erst dann verschlüsselt werden, wenn sie das dominierende Phänomen darstellt, und nicht, wenn sie weniger als einmal im Monat auftritt. In diesem Klassifikationssystem wird die Enkopresis noch von einem Einkoten infolge einer organi­schen Erkrankung (Q 43.1 & Q 05) sowie von einer Obstipation mit Stuhlblockade und nachfolgendem Überlaufeinkoten flüssigen oder halbflüssigen Stuhls (K 59.0) abgetrennt.

 

Die einzige Unstimmigkeit zwischen beiden Ansätzen betrifft das Vorliegen einer Obsti­pa­tion einerseits und die Angaben zur Konsistenz der Ausscheidungsprodukte anderer­seits. Ich schlage deshalb - analog zu Krisch (1985) - vor, einkotende Kinder, die zudem obstipiert sind, unter den Terminus Enkopresis zu subsumieren, womit gleichzeitig das Problem der Konsi­stenz der Ausscheidungsprodukte gelöst wäre, da diese Kinder mit ei­ner sogenannten "Überlaufenkopresis" (vgl. Granditzsch et. al., 1976) für gewöhnlich weichen, flüssigen Stuhl[84]  in die Hose absetzen.

 

Von einer Enkopresis soll im Rahmen dieser Arbeit gesprochen werden, wenn ein Kind über vier Jahren ohne Vorliegen einer organischen Ursache willkürlich oder unwillkürlich Stuhl an dafür - gemessen an seinen soziokulturellen Gegebenheiten - ungeeigneten Orten depo­niert. Eine Obstipation kann vorliegen oder auch nicht, die Größe, Menge und Konsistenz der Ausscheidungsprodukte spielt dabei keine Rolle. Es soll zudem erst dann von einer En­kopresis die Rede sein, wenn die Störung mindestens einmal monatlich über einen Zeitraum von sechs Monaten aufgetreten ist.

4.1.3 Epidemiologie

Zur Verbreitung der Enkopresis im Kindes- und Jugendalter liegen nur ungenaue Anga­ben vor, da epidemiologische Studien selten sind. Darüberhinaus sind sie mit dem Pro­blem behaftet, daß einerseits die Eltern betroffener Kinder das Symptom gerne vertu­schen, sowie andererseits von nicht immer übereinstimmenden Enkopresis-Definitionen[85] (vgl Pkt. 4.1.2) ausgegangen wird.

 

Bellman (1966) stellte 1963 in ihrer Inzidenz-Studie an 8.863 Kindern im Alter von 7 und 8 Jahren eine Häufigkeit von 1,5 % (= 137 Kinder) fest. Andere Autoren (Weissenberg, 1926, Shepherd et. al., 1973 ) kommen auf Werte von 0,4 beziehungsweise 0,8 %, während Largo et. al. (1978) unter 351 Schweizer Kindern zwischen 6 und 18 Jahren eine Häufigkeit von 2 - 4 % bei den Knaben und 1 - 2 % bei den Mädchen ausmachen konnten. Die Angaben zur Häu­figkeit der Enkopresis in klinischen Stichproben sind ebenfalls uneinheitlich und lie­gen in der Regel naturgemäß etwas höher. So ermittelte Shirley (1938)[86] „an incidence of 2,91 per cent or 1 to every 34,36 patients" (S 369), während Olatawura (1975)[87] einen Prozentsatz von 5,7 % ausmachte, Rick & Riedrich (1978)[88] dagegen ermittelten einen Anteil von 7,5 %, Probst et. al. (1980)[89] kamen auf 3,2 %, und Krisch & Jahn (1981)[90] stellten schließlich ei­nen Anteil von 4,5 % fest.

4.1.4 Alters- und Geschlechtsverteilung

Bellman (1966) zeigte „a decline in the incidence of encopresis after the 8th birthday. None oft the children persisted with the symptom after 16 years of age" (S. 122). Ant­hony (1957) hatte unter seinen Patienten eine Altersstreuung von 4 bis 15 Jahren. Meyer­hoff (1967) er­mittelte einen Häufigkeitsgipfel bei 6 Jahren, wobei er das Erkrankungsalter zwischen 4 und 16 Jahren festlegte. Rick & Riedrich (1978) sahen den Häufigkeitsgipfel um das 7. beziehungsweise 8. Lebensjahr sowie einen zweiten um das 11. Lebensjahr. Strunk (1980) wiederum gibt einen Gipfel des Erkrankungsalters zwischen 7 und 9 Jahren an. Aus die­sen Ergebnissen kann letz­lich nur der Schluß gezogen werden, daß die Enkopresis nach dem Abklingen der Pubertät, - abgesehen von einigen Ausnahmefällen (vgl. Levowitz & Goldstein, 1979, Probst et. al, 1980)[91] - fast nicht mehr vorkommt.

 

Bei der Verteilung der Symptomatik auf die Geschlechter sind entgegen der vorgenannten Unstimmigkeiten größere Übereinstimmungen zu berichten. So sieht es Krisch (1985) als zweifellos erwiesen an, „daß es sich bei den Kindern, die einkoten, signifikant häufiger um Knaben als um Mädchen handelt" (S. 52). Bellman (1966) ermittelte ein Verhältnis von 3,4 : 1, Olatawura (1975) berichtet von einem ähnlichen Verhältnis (3,5 : 1). Dagegen sah Keil­bach (1977) ein deutlich höheres Verhältnis von 7 : 1, und auch Strunk (1980) gibt Zahlen von 3 : 1 bis 10 : 1 an. Krisch (1985) mittelte schließlich die in der Literatur ange­gebenen Werte und kam auf eine Jungen/Mädchen Relation von ungefähr 3,5 : 1.

4.1.5 Erscheinungsweisen der Enkopresis

Die Enkopresis tritt in der Regel nur am Tage (Enkopresis diurna) auf. Vereinzelt werden von anderen Autoren (vgl. Vaughan & Cashmore, 1954, Eller, 1960, Bellman, 1966, Wolters, 1974) auch Fälle von nächtlicher Enkopresis (Enkopresis nocturna) berichtet. Krisch (1985) sieht die Ursachen für die Seltenheit des nächtlichen Einkotens vor allem physiologisch begründet, da zum einen die Darmmotilität deutlich herabgesetzt ist, und zum anderen die aktive Bauchpresse kaum während einer Ruhephase angewandt wird. Krisch (1985) stellt daher die Vermutung an, das Symptom könnte „noch vor dem Ein­schlafen oder in etwaigen Wachphasen während der Nacht produziert werden" (S. 55).

 

Über die Unterscheidung zwischen der primären und sekundären Form der Enkopresis liegen unterschiedliche Auffassungen vor. Während Anthony (1957) bei beiden Formen unter­schiedliche Persönlichkeitseigenschaften ausmachte (vgl. Pkt. 4.2.7) und von Hoag et. al. (1971) die durchweg schwierigere Therapierbarkeit der primären Enkopretiker her­vorgeho­ben wurde, konnten diese Ergebnisse in anderen Untersuchungen (vgl. Bellman, 1966, Bem­porad et. al., 1971, Levine & Bakow, 1976) nicht verifiziert werden. Bellman (1966) fand keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Gruppen und behandelte sie dementspre­chend „as a single group in this study" (S. 123). Eine Unterscheidung er­scheint daher nur mit Blick auf die Tatsache angemessen, „daß man bei Kindern mit se­kundärem Einkoten guten Gewissens die Beherrschung aller Komponenten eines ange­messenen Toilette-Verhaltens - wie Hose-Herunterlassen, Klopapier-Benützen usw. - voraussetzen kann, bei Patienten mit primärem Einschmutzen hingegen aber nicht" (Krisch, 1985, S. 64). 

 

Die Frequenz der Enkopresis variiert dagegen inter- und intrapersonell. Nach Bürgin (1993) reicht sie von „mehrmals täglich bis nur einmal monatlich" (S. 218). So verwun­dert es auch nicht, daß bei den verschiedenen Untersuchungen unterschiedliche Angaben über die Häu­figkeit zu finden sind. Bellman (1966) stellt fest, daß „ten of the encopretic children passes faeces into their clothes once or several times a day, 32 once or several ti­mes a week and 33 once or several times a month" (S. 72). Bei Wolters (1974) koteten 12 Kinder dreimal und mehr pro Woche ein, 26 Kinder 1 bis 3 mal am Tag, 5 ein bis dreimal die Woche und 4 ein bis dreimal im Monat.

 

Wie Bürgin (1993) zutreffend feststellt, gestaltet sich die Symptomatik sehr variabel. „So beschmutzen manche Kinder ihre Unterwäsche nur leicht, während andere große Menge geformten Stuhls in die Hosen entleeren" (Bürgin, 1993, S. 218). Graham (1991) erwei­tert diese Palette, indem er feststellt, daß einige Kinder die Ausscheidungsprodukte dazu nutzen, „to smear walls and furniture, others deposit well-formed faeces in places likely to cause maximum distress - in glasses used for drinking, or in the parental bed" (S. 214). Dieses de­monstrative Absetzen von Kot in aggressiv-demonstrativer Form an bevor­zugt sichtbarer Stelle berichten auch andere Autoren (Biermann 1951/52, 1960, Eller, 1960). Nach Auffas­sung von Strunk (1980) und Stein­hausen (1985) ist ein gleichzeitiges Kotschmieren - im Sinne von Be­schmieren von Gegen­ständen etc. - als Indikator für eine schwere emotionale Störung anzusehen. Eine noch ex­tremere Form als das Kotschmieren ist die sogenannte Kopro­phagie, das Kotessen, daß nach Krisch (1985) „zum Glück praktisch nur bei psychoti­schen und obendrein geistig schwer behinderten Patienten" (S. 60) auftritt.

 

Von Jekelius (1936, nach Eller, 1960) wird eine, von ihm als Klosettangst bezeichnete, aus­gesprochene Ängstlichkeit im Zusammenhang mit der Defäkation berichtet, die zur Folge hat, daß die Toilette aus Angst vor dem Hereinfallen, vor Fabelwesen etc. nicht benutzt wird. Dies kann unter Umständen zur Folge haben, daß das Kind eine Obstipation entwickelt, bei der es die Kotmassen willkürlich zurückhalten muß. Weiterhin wird auf das bei einigen Kindern zu beobachtende (vgl. Glanzmann, 1934, Vaughan & Cashmore, 1954, Eller, 1960) Spiel mit der Fäkalsäule und dem damit verbundenen Lustempfinden im Zusammenhang mit der Enkopresis berichtet. Nach Bürgin (1993) ist die Enkopresis in diesen Fällen ein Ausrutscher, sie erfolgt „aktiv und passiv zugleich, da die entspre­chenden Patienten im virtuosen Spiel mit ihren Omnipotenzgefühlen nicht defäzieren wollen, um sich dem autoerotischen Vergnügen mög­lichst lange hingeben zu können" (S. 215).

 

Während des Einkotens zeigen viele dieser Kinder ein typisches Verhaltensmuster. So schreibt Keilbach (1977), daß sich die Kinder beim Einkoten zurückziehen. „Das geschieht entweder buchstäblich vornehmlich in einer Ecke, wo sie dann unbemerkt bleiben, oder aber es kommt zu einem Kontaktabriß" (Keilbach, 1977, S. 126). Unvermittelt bekom­men sie ei­nen leeren Gesichtsausdruck und wirken „mit der insgesamt erschlaffenden Muskulatur (hängende Arme) wie verloren " (Keilbach, 1977, S. 126). Hat ein Kind ein­gekotet, meldet es sich in der Regel nicht. Viele Kinder berichten überaus häufig (vgl. Strunk, 1980, Wurst, 1982, Steinhausen, 1985), daß sie den Stuhldrang nicht wahrneh­men. Dieses Verhalten - dem Symptom quasi gleichgültig gegenüberzustehen (vgl. Schi­mon, 1962, Bemporad et. al. 1971, Keilbach, 1976) - mag auf den ersten Blick unge­wöhnlich erscheinen, bei näherer Be­trachtung jedoch mehrere unterschiedliche Gründe haben. Zum einen ist die Enkopresis ein krasses und peinliches Symptom, so daß hierauf ganz natürlich häufig mit Verleugnung rea­giert wird[92], zum anderen kann es mit einem Lustgefühl (vgl. Wurst, 1982) verbunden sein[93], und schließlich kann es natürlich auch als sekundärer aggressiver Akt gegen die Mutter wir­ken (Keilbach, 1977, Graham, 1991). Häufig ist weiterhin zu beobachten, daß die Kinder die Kleidung, nachdem sie eingekotet haben, - teils aus Angst vor der Entdeckung, teils aus Scham oder Bosheit - an den zum Teil ungewöhnlichsten Orten verstecken, z.B. im Schul­tisch (vgl. Vaughan & Cashmore, 1954).

4.1.6 Begleitsymptome

Das zweifellos häufigste Begleitsymptom der Enkopresis - die nur selten als isolierte Stö­rung vorkommt[94] - ist die Enuresis. Aus den Fallberichten und Untersuchungen ver­schie­de­ner Autoren (vgl. Bellman, 1966, Wolters, 1974, Wille, 1984) muß vermutet wer­den, daß fast jeder zweite Enkopretiker zusätzlich an einer Enuresis - in der Regel primä­rer Natur - leidet. An zusätzlichen gehäuft auftretenden Symptomen bei Enkopreti­kern werden dar­überhinaus Eßprobleme (vgl. Shirley, 1938, Bellman, 1966, Katz, 1972, Keilbach, 1977), Zündeln (vgl. Hoag et. al., 1971, Krisch & Jahn, 1981), Diebstähle (vgl. Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Kettler, 1976, Fisher, 1979), Schlafstörungen (vgl. Wille, 1984, Bender & Branik, 1992), Nägelbeißen (vgl. Wolff, 1969, Bürgin, 1993), Daumenlutschen (vgl. Wol­ters, 1974, Bosch, 1988), Wutanfälle (McTaggart & Scott, 1959, Shane, 1967, Katz, 1972), allgemeine Ängste (vgl. Eller, 1960, Keilbach, 1977, Levine et. al., 1980), Lern- und Lei­stungsstörungen (vgl. Wolters, 1974, Keilbach, 1977, Wille, 1984, Bürgin, 1993) sowie Sprachstörungen (vgl. McTaggart & Scott, 1959, Wolters, 1974, Fisher, 1979) genannt. Insgesamt ist dies nur die Zusammenfassung der am häufigsten genannten Begleitsymptome, wobei die Liste noch um weitere Auffälligkei­ten jederzeit ergänzt werden könnte, bemerkte doch schon Bellman (1966), daß „the number of nervous symptoms per child was greater in the encopretic group" (S. 124). Je­doch, und das muß an dieser Stelle ebenfalls berücksichtigt werden, ist beim der­zeitigen Forschungsstand nicht zu entscheiden, ob die oben genannten Symptome primä­rer - also aufgrund einer Entwicklung von einer gemeinsamen pathogenen Basis - oder sekundärer - als Folgeer­scheinungen der Enkopresis - Natur sind.

4.1.7 Diagnose und Differentialdiagnose

Nach Steinhausen (1985) bereitet die Diagnosestellung der Enkopresis in der Regel keine Schwierigkeiten. „Zur Aufdeckung des pathogenen Hintergrundes bedarf es meist aus­führli­cher Explorationen, die getrennt bei den Eltern durchgeführt werden sollten, um diesen eine unbefangere Stellungnahme zur familiären Situation zu ermöglichen" (Strunk, 1989, S. 257). Daneben ist eine körperliche und neurologische Untersuchung des Kin­des[95] sowie die digita­le Untersuchung des Analringes zur Prüfung des Analreflexes indi­ziert. Während Harbauer (1984) eine digitale Untersuchung des Muskeltonus für nicht ausreichend erachtet und viel­mehr den Ausschluß eines idiopathischen Megakolons oder als Megacolon congenitum mit röntgenologischen Methoden fordert, sehen andere Auto­ren (vgl. Biermann, 1951/52, Stein­hausen, 1985, 1988, Krisch, 1985, Strunk, 1989) diese Notwendigkeit nicht. Insbesondere mit Blick auf die enormen psychischen Belastungen sind Prozeduren wie z.B. der Röntgen­kontrasteinlauf mit anschließenden Defäko­gramm[96] bei dieser Sym­ptomatik nicht angezeigt. Nach Willital et. al. (1977) lassen sich zudem mit den zuletzt genann­ten Verfahren von 90 % aller Funktionsstörungen nur 10 beziehungsweise 12 % manometrisch erfas­sen.

4.2 Zur Ätiologie der Enkopresis

4.2.1 Organische Ursachen

Bellman (1966) war die einzige Autorin, die in ihrer Untersuchung eine familiäre Häu­fung festgestellt hat. Bei den Eltern von 75 Patienten fand sie bei 15 % der Väter und bei 1,3 % der Mütter das Vorliegen einer kindlichen Enkopresis, die Geschwister der Enko­pretiker waren in 8,7 % der Fälle - ausschließlich Jungen - davon betroffen oder betroffen gewesen. Andere Autoren (vgl. McTaggart & Scott, 1959, Niedermeyer & Parnitzke, 1963) konnten diese Ergebnisse nicht bestätigen, und so kann in Übereinstimmung mit mehreren Autoren (vgl. Steinhausen, 1985, 1988, Strunk, 1989) gesagt werden, daß es „derzeit keinerlei Hin­weise auf eine ätiologische Bedeutsamkeit genetischer Faktoren" (Steinhausen, 1988, S. 179) gibt.

 

Von verschiedener Seite (vgl. Bemporad, 1978, Wurst, 1982, Graham, 1991) werden ei­ne allgemeine Retardierung oder neurologische Unreife als mitverursachende Fakto­ren der Enkopresis ins Feld geführt. Nach Auffassung von Bemporad et. al. (1978) zeigen diese Kinder „evidence of an innate neurological defect manifested by language disorders, poor coordination and athletic abilities, and / or soft signs" (S. 473). Besondere Auswir­kungen haben diese Reifungsverzögerungen nach Meinung der vorgenannten Autoren auf das Sau­berkeitstraining, da die individuelle Bereitschaft für diesen Sozialisierungsschritt sich bei die­sen Kindern erst relativ spät einstellt. In Zusammenhang mit einem frühen, ri­giden Sauber­keitstraining, einer bestimmten Familienkonstellation[97] sowie einer durch Passivität, Negati­vismus und Abhängigkeit gekennzeichneten Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist der Weg, eine "chronic neurotic encopresis" (Bemporad et. al., 1978) zu entwickeln, geebnet. Niedermeyer & Parnitzke (1963) stellen fest, daß Enkopretiker hin­sichtlich ihres Längen­wachstums deutlich zurückgeblieben sind, Asperger (1980) weist ebenfalls auf Kinder mit rückständiger körperlicher und geistiger Entwicklung hin, Wille (1984) stellt im Vergleich zu Enuretikern fest, daß Enkopretiker „signifikant häufiger Entwicklungsverzögerungen, Spra­chentwicklungsstörungen und motorische Störungen" (S. 81) aufweisen, und auch Graham (1991) sieht einen Entwicklungsrückstand als einen möglichen  Faktor bei der Entstehung einer Enkopresis an. Gegen diese Auffas­sungen sprechen die Untersu­chungen von Wolters & Wauters (1975) und Krisch & Jahn (1981), die - bezogen auf dieses Kriterium - keinerlei signifikante Unterschiede zu ihren jeweiligen Kontrollgruppen ausma­chen konnten. Auch Largo et. al. (1978) sehen organische Ursachen nur ausnahmsweise als Ursache für die Enkopresis an, und auch für Steinhausen (1988) und Strunk (1989) sind sie von untergeordneter Bedeutung. Largo & Stutzle (1977) kommen in ihrer Untersuchung zur Ent­wick­lung der Blasen- und Darmkontrolle zu dem Schluß, daß eine Entwick­lungs­verzögerung bei vollständiger Blasen­kontrolle nicht vorliegen kann[98]. Hingegen sollte eine Reifungsverzögerung bei allen Kin­dern mit einer primären Enuresis nocturna „in Be­tracht gezogen werden, die spät sauber werden, spät tagsüber trocken werden oder es noch gar nicht sind, und die außerdem eine verzögerte somatische und psychomotorische Ent­wick­lung aufweisen" (Largo et. al., 1978, S. 159).

 

Neben diesen Reifungsverzögerungen werden immer wieder sogenannte minimale cere­brale Dysfunktionen für das Auftreten der Enkopresis mitverantwortlich gemacht. Auf der einen Seite sind die Untersuchungen zu nennen, die auffällige EEG´s[99] bei den Enko­preti­kern ausamachen konnten. Hierzu zählen die Arbeiten von Arajärvi & Huttunen (1971), die bei 12 von 20 Enkopretikern (60 %), hingegen nur bei 7 von 24 Enuretikern (29 %) eine auffälliges EEG ermittelten; Olatawura (1973), der bei 32 Einkotern 6 mit auffälligem EEG fand und dies als eine „high proportion for this clinic" (S. 360) einstufte,  Niedermeyer & Parnitzke (1963), die unter 30 pneumoencephalographischen Befunden von Enkopretikern 23 als abnorm bewerteten und unter insgesamt 42 EEG - Ableitungen 64,3 % mit Verände­rungen in der Enkopretiker-Gruppe - bei nur 3,6 % in der Enuretiker-Gruppe - fanden, sowie Krisch & Jahn (1981), die von 21 Hirnstrombildern 11 (52,4 %) als pathologisch charakteri­sierten[100].

 

Auf der anderen Seite ist die Untersuchung von Bellman (1966) anzuführen, die zu dem Schluß kommt, daß „brain diseases and injuries were not more common than among the controls according to anamnestic data" (S. 79). Eller (1960) konnte nur in drei Fällen (von 30) auf eine Encephalopathie schließen, Meyerhoff (1967) fand bei 37 Enkopreti­kern eben­falls nur drei mit einer Encephalopathie und schließlich Krisch (1979), der fest­stellte, daß ab­norme EEG-Hirnstrombilder nicht häufiger vertreten waren als in der Kon­trollgruppe. Wille (1984) ermittelte sogar deutlich weniger Probanden (rund 10 %) als Bellman (1966) mit auffälligem EEG[101]. So kann abschließend nur konstatiert werden, daß der Stellenwert cere­bra­ler Dysfunktionen für die Entstehung der Enkopresis nach wie vor nicht vollständig ge­klärt ist, da sie zudem „nicht bei allen Kindern mit einer Enkopre­sis vorliegen" (Strunk, 1989, S. 179).

 

Besonders in der pädiatrischen Literatur (vgl. Asperger, 1980, Tinschmann, 1980) wird im­mer wieder darauf hingewiesen, daß rezidivierende oder chronische Darmerkrankun­gen, wie z.B. Diarrhö, Analfissuren etc. „den Darmbereich zu einem bevorzugten Ort der Ent­wicklung nervöser Symptome machen können" (Wille, 1984, S. 23). Auch Biermann (1960) beobachtete bei fünf von vierzehn Enkopretiker eine Symptomfixierung nach vorange­gangener funktionell-organischer Darmerkrankung, und auch Wolters (1974) be­richtet von deren bahnender Wirkung. Daneben verweisen einige Autoren (vgl. Eller, 1960, Granditzsch et. al., 1976)[102] auch noch auf die Bedeutung physiologischer Ab­normitäten. Von Stern et. al. (1988) wird sogar die Auffassung vertreten, die Enkopresis werde in erster Linie durch physische Abnormitäten als durch psychische Störungen verursacht. Liebe (1949) sah einen gesteigerten Parasympathicustonus als pri­märe Ursache der Enkopresis an. Nissen et. al. (1991) stellen die These auf, daß die von ihnen gemachten Untersuchungen vermuten lassen, „daß bei der Enkopresis häufiger als bisher angenommen funktionelle oder organische Sphinkterstörungen (erhöhte oder er­niedrigte Druckwerte, Koordinations- und Perzeptionsstörungen) vorliegen" (S. 173)[103]. Dagegen stehen die Ergebnisse von Bellman (1966), die nur bei den Analfissuren eine leichte Erhö­hung bei den Enkopretikern ausmachen konnte, Olatawura (1973) und auch Wolters & Wauters (1975), die keinerlei Unterschiede ermittelten. So bleibt auch hier nur der Schluß, daß diese Faktoren nur im individuellen Ein­zelfalle bei der Entstehung der Enkopresis eine Rolle spielen, da sie „nicht bei allen Kindern mit einer Enkopresis vorlie­gen" (Steinhausen, 1988, S. 15). 

4.2.2 Intelligenz

Bei einer Vielzahl von Arbeiten wird dem Schwachsinn eine kausale Bedeutung bei der Verursachung der Enkopresis zugeschrieben.

 

Neben Hasselmann (1936) war es insbesondere Shirley (1938), der in seiner Untersu­chungs­reihe feststellte, daß „twenty-six of the 70 encopretic children were feebleminded. Twenty-one had intelligence quotients below 50 (idiots and imbeciles), and 5 had I.Q.´s between 50 and 70 (morons)" (S. 369), und somit diesem Faktor einen entscheidenden Beitrag in der Ätiolo­giediskussion der Enkopresis einräumte. In die gleiche Richtung wei­sen die Ergebnisse von Meyerhoff (1967), Silber (1969), Olatawura (1973), Schwidder (1975) und Wurst (1982). Bierman (1951/52) allerdings führte die von ihm beobachtete - im übrigen mit Pseudoschwachsinn bezeichnete - geistige Stumpfheit der Enkopretiker lediglich auf die oft nachzuweisende chronische Milieuverwahrlosung mit ent­sprechend ungünstigen Voraussetzungen zur Entwicklung der Intelligenzleistungen zu­rück.

 

Eine Reihe von Untersuchungen konnten dagegen in keinster Weise Intelligenzdefizite als einen Faktor für die Entstehung einer Enkopresis ausmachen. Die umfangreichste und methodisch einwandfreieste Untersuchung von Bellman (1966) kommt zu folgendem Schluß : „The investigation thus showed that intelligence is of no specific importance for the genesis of encopresis" (S. 87). Dieses Ergebnis wird von der Mehrzahl der Autoren, die sich mit dem Thema Enkopresis beschäftigt haben, geteilt (vgl. Marfan, 1934 nach Glanzmann, 1934, Eller, 1960, Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Wolff, 1969, Wolters, 1971, Wolters, 1974, Artner & Castell, 1979, Krisch & Jahn, 1981, Tatzer & Schubert, 1983, Castell et. al., 1983, Wille, 1984). Keilbach (1977) beobachtete in ihrer Ab­handlung über acht Enkopretiker sogar ausschließlich überdurchschnittliche Intelligenzleistungen.

 

Den Intelligenzdefiziten somit eine allein bedingende Funktion bei der Entstehung der En­kopresis zuzuweisen, kann nach Darstellung der Befunde nicht aufrechterhalten werden, man sollte allenfalls ihre bahnende Wirkung mitberücksichtigen (vgl. Steinhausen, 1985).

4.2.3 Die Sauberkeitserziehung

Verschiedene Autoren (vgl. Shirley, 1938, Huschka, 1942, Anthony, 1957, Gutezeit, 1983) sind der An­sicht, daß verfehlte Methoden in der Sauberkeitserziehung - insbeson­dere zu frühes und rigi­des Training - eine kausalgenetische Bedeutung für die Enkopresis besit­zen[104]. Vom physiologischen Standpunkt aus betrachtet „wird die Beherrschung der Schließmuskeln hinwiederum möglich, sobald sich die Myelinisierung jener Nervenbah­nen, die die Sphinkteren innervieren, in einem genügenden Maße eingestellt hat" (Krisch, 1985, S. 68). Und dieser Zeitpunkt liegt zwischen 12 und 30 Monaten (vgl. Huschka, 1942, Trombini, 1970, Largo & Stutzle, 1977, Gutezeit, 1983).

 

Als einer der ersten war es Shirley (1938), der nachlässige oder uneffiziente Trai­ningsme­tho­den als einen möglichen Faktor bei der Enkopresisentstehung identifizierte. Ihm folg­ten Huschka (1942)[105] - die das Training in zwanghaft eindringendes Training und patho­logi­sches Zu­rückstellen beziehungsweise Vernachlässigen des Trainings einteilte -  und ins­besonde­re Ant­hony (1957), der zu dem Schluß kam, daß übereilte und repressive Maßnahmen in der weiteren Folge eine sekundäre Enkopresis, ein lasches oder fehlendes Training eine  pri­märe Enkopresis bedin­gen können. Allerdings sah auch Anthony (1957), daß bei der Ent­stehung der Enkopresis mehrere Fakto­ren zusammenspielen müssen, warf er doch selber die Frage auf, warum nicht alle Kinder, die ein abnormes Toilettentraining absolvieren, eine Ausschei­dungsstörung ent­wickeln, beziehungsweise nicht alle Kinder mit einer Ausschei­dungsstörung ein abnor­mes Training ge­nossen haben. Neben den schon berichteten Pro­tagonisten schließen sich noch andere Autoren der These an, daß unan­gemessene Trai­nigsmethoden einen eminent wichtigen Kausalfak­tor für die Entstehung der Enkopresis darstellen (vgl. Vaughan & Cashmore, 1954, McNamara, 1965, Silber, 1969, Hoag et. al., 1971, Bemporad et. al., 1971, Katz, 1972, Bemporad et. al., 1978, Fritz & Arm­brust, 1982, Wurst 1982, Tatzer, 1983, Strunk, 1989).

 

Olatawura (1973), Wolters & Wauters (1975), Keilbach (1977), Artner & Castell (1979), Bosch (1988) und Steinhausen (1989) sahen keinen - oder keinen so deutlichen - Zusam­menhang zwischen Sauberkeitstraining und Enkopresis[106]. Auch Bellman (1966) kommt zu dem Schluß : „There was no difference at all between the two groups concerning the onset of pot training" (S. 97). Allerdings stellte sie einen signifikanten Unterschied (Niveau von 0,1 %) in Bezug auf zwanghafte Maßnahmen im Vergleich zur Kontroll­gruppe fest.

 

Insgesamt gesehen ist meiner Meinung nach  - sowie nach sorgfältigem Abwägen der Unter­suchungsergebnisse - ein zwanghaftes Toilettentraining ein möglicher, aber nicht in jedem Einzelfall nachweisbarer Faktor für die Entstehung der Enkopresis.

4.2.4 Psychoanalytische Vorstellungen

Nach der Theorie Sigmund Freuds (1972, 1980, 1989) tritt das Kind in seinem zweiten Le­bens­jahr in die anale Phase ein, in der die Exkretionsvorgänge im Mittelpunkt seines In­teres­ses stehen. Der Ort der Erregung liegt im Anus und in den Bewegungen der Aus­scheidungen im Darm. „Das Ausstoßen der Ausscheidungen soll die Spannung verringern und durch die Stimulierung der Schleimhäute Lust erzeugen" (Pervin, 1987, S. 108). Die­ser Lustgewinn ist mit insgesamt drei Konflikten für das Kind verbunden:

 

 

1.

Triebkonflikt zwischen Herauslassen und Behalten

2.

Konflikt zwischen triebhaftem Vergnügen der Erleichterung und den Versuchen des Ich, kon­trollie­rend einzugreifen

3.

Konflikt zwischen Wunsch nach freudiger Entleerung und der Forderung der Außenwelt, diesen aufzuschieben

 

 

An dieser Stelle setzen nun die Erziehungsmaßnahmen ein, die zum Ziel haben, das Kind an das kulturell vorgeschriebene Ausscheidungsverhalten zu gewöhnen. Es ist die erste Trieb­einschränkung, „die das Kind, wenn auch auf äußeren Anlaß hin, selbständig ausfüh­ren muß" (Binét, 1979, S. 1122). Im weiteren Verlauf der normalen Entwicklung[107] ver­rin­gert sich das Interesse des Kindes an seinen Ausscheidungsvollzügen, und durch die Aus­formung soge­nannter Reaktionsbildungen wird die frühere Lust durch Scham und Ekel ersetzt. Durch die zunehmende Differenzierung zwischen Körper und Psyche ist das Kind zudem mehr und mehr in der Lage, seine Gefühle auch über andere als körperliche Aus­dr­ucksformen - wie z.B. die Sprache - mitzuteilen (vgl. Nissen, 1980).

 

Der Enkopretiker konnte dagegen „diesen Kom­promiß zwischen Triebre­gungen und Anforderungen der Umwelt nicht finden" (Bürgin, 1993, S. 217) oder ist, wie Edgcumbe (1978), schreibt auf diese frühe Entwicklungsstufe regrediert :

 

Regression may be a reaction to external stresses (such as seperation from the mother, illness or hospitalization, birth of a sibling); or it my occur because at higher levels of de­velopment the child finds himself caught in conflicts which he cannot solve, and as a re­sult retreats from the insoluble conflicts by reverting to functioning at a lower deve­lopmental level (S. 59).

 

In der psychoanalytischen Theorie werden insbesondere die aggressiven Anteile der Sym­ptomatik hervorgehoben. Burns (1941) sieht wie Biermann (1951/52) in der Enko­presis „an unconsious reaction, both of aggression and fear" (S. 768). Keilbach (1976, 1977) weist auf den aggressiven Charakter des Kotes als Projektil hin, eine Auffassung, die auch von Erikson (1984) geteilt wird.

 

Daneben finden sich aber auch Vertreter, die die Enkopresis als Ausdruck einer schwer­wie­genden Angstproblematik  (vgl. Glanzmann, 1934, Eller, 1960, Bürgin, 1993) sehen, sowie diejenigen, die in der Symptomatik den Wunsch nach kleinkindhaften Versorgstsein (vgl. Keilbach, 1977, Edgcumbe, 1978, Wagerer, 1978) erblicken. Von Spitz & Wolf (1949) so­wie von A. Freud (1966, 1968) kommt die psychologische Erklärung, daß das Versagen des Schließmuskels als eine kindliche Reaktion auf einen Objektverlust zu ver­stehen ist[108]. Dührs­sen (1974) und Schwidder (1975) sehen dagegen im Symptom eine Besitzproblematik. Nach Dührssen (1974) erhalten die Ausscheidungsvollzüge "Besitztönung", während Schwi­dder (1975) darin „die karikierte Erfüllung des Gebotes, herzugeben und nicht retentiv zu sein, mit heftigem Protest und verwahrlosender Über­schreitung anderer Gebote" (S..311) sieht. In wieder anderen Darstellung hat der Kot Phallusbedeutung (vgl. Berger, 1974), oder das Kind drückt in seinem Symptom Verach­tung für den geizigen Vater aus, während es der Mutter das gibt, was es vom Vater gemäß der Gleichung Kot = Geld nicht bekommt (vgl. Prath, 1951). Glanzmann (1934) schließ­lich sieht die Enkopresis in Zusammenhang mit der Analse­xualität als autoerotische Be­friedigungsform, als Angstneurose (s.o.) sowie im Zu­sammen­hang mit Sexualangst[109] als ambivalentes Geschehen zwischen lustvollen Elementen während des sexuellen Traumas und der Furcht vor Wiederholung des Geschehens.

 

Insgesamt muß gesagt werden, daß die psychoanalytischen Vorstellungen über die En­ko­presis ein unscharfes und zugleich komplexes Bild an möglichen Deutungen abgeben. Diese Erklärungen müssen vor diesem Hintergrund - insbesondere mit Blick auf deren wissen­schaftlich nicht nachzuprüfenden Gehalt - als Denkmöglichkeiten aufgefaßt wer­den, die im Einzelfall auf  ihre Gültigkeit hin überprüft werden müssen.

4.2.5 Lerntheoretische Vorstellungen

Nach Auffassung dieser Theorie handelt es sich bei der Enkopresis „um das Produkt un­ge­nügender, fehlerhafter oder unangemessener Lernerfahrungen im Zusammenhang mit der Stuhlexkretion" (Krisch, 1985, S. 181).

 

Gelangen mit Hilfe der Darmmuskulatur Stuhlmengen in das leere Rektum, verschieben un­auffällige Kinder die Entleerung, bis sich eine geeignete Situation bietet. Durch zuneh­menden Druck des gefüllten Rektums kommt es zu einer Dehnung und über die Reizung der Deh­nungsrezeptoren zum Stuhldrang. Neale (1963) nimmt ein Adaptationsprozeß an, dergestalt, daß das Bedürfnis zur Defäkation mangelhaft bewußt wird, wenn über einen längeren Zeit­raum hinweg die Meldung des gefüllten Rektums nicht zur Defäkation führt. „In fact, the encopretic child fails to respond to rectal cues, and either hoards feces until they lack or re­leases them in an inappropriate place" (Fisher, 1979, S. 565). Nach lerntheoretischer Ansicht besteht die Gefahr darin, daß sich dieses unangemessene Ver­haltensmuster einschleift und über unterschiedliche Verstärker aufrechterhalten wird wenn das Symptom auf­tritt (soziale Verstärker wie Zuwendung etc.).

4.2.6 Die Familie des enkopretischen Kindes

4.2.6.1 Die Mutter

Da der gestörten emotionalen Mutter-Kind-Beziehung naturgemäß eine große Bedeu­tung für die Ge­nese kindlicher Verhaltensstörungen zugewiesen wird (vgl. Berger, 1977), verwundert es nicht, daß auch im Falle des Symptoms Enkopresis versucht wurde, be­stimmte Persönlich­keitseigenschaf­ten oder Verhaltensmerkmale der Mutter herauszu­ar­beiten. Nachfolgend möchte ich versuchen, eine kurze Übersicht über die Beschreibungen der Persönlichkeit beziehungsweise des Verhaltens der Mutter in der Literatur zu geben.

 

Die zwanghafte, pedantische, rigide und hohe Ansprüche setzende Enkopretiker-Mutter wird von mehreren Autoren (vgl. Anthony, 1957, McTaggart & Scott, 1959, Vaughan, 1961, Gelber & Meyer, 1965, Hoag et. al., 1971, Berger, 1974, Fisher, 1979, Strunk, 1980) beschrieben. Strunk (1980) kommt zu der Auffasung, daß die extremen Sauber­keitsbedürf­nisse dieser Mütter - sowie deren Beunruhigung durch Schmutz & Kot (vgl. Berger, 1974) - es nahe legen, „darin eine Abwehr eigener analerotischer Bedürfnisse zu vermuten" (S. 194). Aus dieser Ablehnung heraus ist auch nachvollziehbar, daß diese Mütter die Sauberkeitser­ziehung möglichst schnell abgeschlossen haben wollen. Anthony (1957) streicht noch ein weiteres Charakteristikum heraus : „They are prone to dichot­mise their concepts, and the world for them is sharpely divided into categories of good and bad, clean and dirty; the good beeing clean and the bad dirty" (S. 158).

 

Shirley (1938), Wolff (1969), Keilbach (1977), Edgcumbe (1978) sowie Artner & Castell (1979) beschreiben Enkopretiker-Mütter als überängstlich und überbehütend. Verbun­den mit dieser Überfürsorge ist die Unfähigkeit, sich auf die spontanen Bedürfnisse und das spontane Verhalten des Kindes einzustellen. Nach Artner & Castell (1979) liegt die­sem Ver­halten eine gestörte emotionale Beziehung zugrunde, „die dann in Schuldgefüh­len und Be­ziehungsambivalenz erlebt wird" (S. 121).

 

Die nach außen hin dominante Mutter ist nach Ansicht von Bemporad et. al. (1971) zu­dem übermäßig in die Geschehnisse des Kindes involviert. Ein schon fast gewalttätiges Einmi­schen in die Belange des Kindes stellt in diesem Zusammenhang Binét (1979) fest. Nach Bemporad et. al. (1971) ist für diese Mütter ein ambivalentes Verhalten „between an over­bearing intrusion into the life of the child and a rejecting excluding type of beha­vior" (S. 274) charakteristisch. Gleichfalls sind sie unglücklich mit ihrer Identität und Rolle als Frau und/oder Mutter[110]. Typisch für diese Mütter scheint weiterhin deren Igno­ranz der Probleme des Kindes, die fehlende Empathie und das Einfühlungsvermögen so­wie „a tendency to talk about things in front of the child which were totally embarassing to him" (Bemporad et. al., 1971, S. 274) zu sein. Bemporad et. al. (1971) konnten zudem eine Häufung von Depressionen bei dieser Gruppe feststellen. Eine psychische Störung, auf die auch von McTaggart & Scott (1959) , Shane (1967) und Arajärvi & Huttunen (1971) hingewiesen wird.

 

Aus Untersuchungen mit Kontrollgruppen konnte Bellman (1966) ermitteln, daß die En­ko­pretiker-Mütter ängstlicher, emotional instabiler und nachgiebiger als Mütter der Kon­troll­gruppe waren. Darüberhinaus waren sie depressiver und/oder gewalttätiger sowie überbe­hü­tender als die Kontrollgruppe. Bellman (1966) konnte weiterhin zeigen, daß sie - im Ge­gensatz zur Kontrollgruppe - die Tendenz aufweisen, auf Mißgeschicke mit Bestra­fungen etc. zu reagieren. Wolters (1978) machte eine übernachgiebige Erziehungshal­tung aus, die jedoch auch in seiner Kontrollgruppe zu verzeichnen war. Wille (1984) schließ­lich kommt zu dem Schluß, daß Enkopretiker-Mütter häufig eine Erziehungshal­tung zei­gen, „die geprägt ist von Autorität, Ablehnung und Perfektionismus" (S. 75). Desweite­ren leiden sie häufiger an Infantilismus. Bellman (1966), Olatawura (1973) und Wolters (1978) konnten in Bezug auf die Häufigkeit nervöser Symptome, Persönlich­keitsstörun­gen  und/oder psychi­scher Erkran­kungen keine Unterschiede ausmachen. Le­diglich Wille (1984) sah eine Tendenz in diese Richtung.

 

Abschließend muß damit wieder einmal gesagt werden, daß ein typisches Persönlich­keitsbild oder Verhaltensmuster von Enkopretiker-Müttern nicht ausgemacht werden konnte. Zu­dem können die beschriebenen Charakteristika natürlich auch sekundä­rer Na­tur - also durch die Symptomatik der Kinder bedingt - sein.

4.2.6.2 Der Vater

„Über die Väter schweigt meines Wissens die Literatur" (Wagerer, 1978, S. 25). Zwar kann dieser Satz zum heutigen Stand der Forschung nicht mehr aufrechterhalten werden, er zeigt jedoch die marginale Bedeutung der Väter in der Forschung zur Enkopresis an. So sind auch die ersten Beschreibungen zur Persönlichkeit beziehungsweise zum Verhalten der Väter meist nur Rand­notizen im Zusammenhang mit Falldarstellungen (vgl. Schimon, 1962, Gelber & Meyer, 1965, Shane, 1967, Keilbach, 1977). Die übrigen Berichte sind wenig einheitlich. McTaggart & Scott (1959) beschreiben ihn als „an easygoing nonchalent in­dividual" (S. 767), Nieder­meyer & Parnitzke (1963) heben besonders seine Aggressivität hervor, Wolff (1969) sah ge­häufte Alkoholismusprobleme, Hoag et. al. (1971) sehen ihn als kritischen, rigiden, strengen, sarkastischen Menschen mit vielen passiven Eigenschaften und Bemporad et. al. (1971) als eine von einer dominanten Frau geführte Person mit Nei­gung zu Depressionen. In einer Ka­tamnesestudie konnten Probst et. al. (1980) feststellen, daß der väterliche Erziehungsstil von den Kindern „überwiegend desinteressiert, wenig akzeptierend und überfordernd" (S. 145) beschrieben wurde.

 

In der Zusammenschau der einzelnen Publikationen zieht sich dennoch ein gemeinsames Merkmal wie ein roter Faden durch fast sämtliche Artikel. Insbesondere in neueren Publi­ka­tionen (vgl. Bürgin, 1993) wird die schon von Bemporad et. al. (1971) gemachte Be­obach­tung, daß „these individuals had no idea of how to participate in family activities and were completely unaware of their lack of involvement" (S. 273), weiter gestützt.  Der "flüchtende" Vater (vgl. Bender & Branik, 1992) wird fast durchgängig beschrieben (vgl. Newson & Newson, 1965 nach Benady, 1967, Hoag et. al., 1971, Wolters, 1974, Berger, 1974, Keil­bach, 1977, Wolters, 1978, Bempo­rad et. al., 1978, Fisher, 1979, Wille, 1984, Bürgin, 1993). Neben Schaengold (1977) be­richteten insbesonde­re Bemporad et. al. (1971), daß in vielen Fällen die Enkopresis si­stierte, wenn der Vater eine größere Verant­wortung innerhalb der Familie übernahm. Je­doch wird hierbei weniger seine Wirkung als Identifikationsfigur herausgestrichen, son­dern vielmehr die durch seine Rück­kehr verbes­serte Mutter-Kind-Be­ziehung, da die Än­derung der Symptomatik zu rasch er­folg­te, „to be a result of the more lei­surely process of identification" (Bemporad et. al., 1971, S. 291).

 

In den Untersuchungen mit Kontrollgruppen fand Bellman (1966), daß Enkopretiker-Väter häufiger über nervöse und somatische Beschwerden klagten, tendenziell in den er­sten vier Jahren wenig mit der Erziehung der Kinder zu tun hatten, strengere Erzie­hungsmaßnah­men anwendeten und eine größerer Disziplin von ihren Kindern forderten als Väter der Kon­tr­ollgruppe. Wolters (1978) Ergebnisse zeigen, daß Enkopretiker-Väter keinen positiven Er­ziehungsbeitrag beisteuerten. Sie waren wenig involviert, abwesend oder traten in der Rolle des ernsten, bestrafenden Vaters auf. Dies traf zwar auch auf die Kontrollgruppen-Väter zu, jedoch war dort die positive Wirkung in der Familie deutlich besser. Wille (1984) konnte zeigen, daß Enkopretiker-Väter häufiger durch psychische Störungen[111] belastet waren. In Bezug auf die Erziehungshaltung wurden sie prozentual häufiger als gleichgültig, autoritär und ablehnend beurteilt. Der von Wille (1984) berech­nete Gesamtscore, der angibt, wie häufig auffälliges Erziehungsver­halten in den einzelnen Patientengruppen vorkommt, war bei Vätern von Enkopretikern si­gnifikant höher als in den Kontrollgruppen.

 

Als durchgängigstes Merkmal von Enkopretiker-Vätern läßt sich die physische und/oder psychische Abwesenheit in der Familie, insbesondere für die Erziehung, ausmachen, so daß dieses Merkmal unter Umständen ein Faktor bei der Entstehung der Enkopresis sein kann. Allerdings zeigen die klinische Praxis und die o.g. Untersuchungen natürlich auch eine Reihe von Fällen, in denen Kinder mit häufig abwesendem Vater keine Ausschei­dungsstörung ent­wickeln, beziehungsweise Fälle, in denen Kinder trotz physischer oder psychischer Anwesenheit des Vaters eine Enkopresis entwickeln.

4.2.6.3 Die familiäre Situation

Standen in den vorangegangenen Gliederungspunkten die Eltern im Einzelnen im Mittel­punkt, so möchte ich nun die familiäre Situation im Ganzen sowie die Rolle des Enkopreti­kers in der Familie beleuchten.

 

Auffallend scheint dabei zu sein, daß Enkopretiker häufig schon vor der Geburt von den El­tern abgelehnt wurden. Hoag et. al (1971) stellten dies bei 9 von 10 Enkopretikern fest, Wille (1984) spricht in seiner Untersuchung von fast einem Viertel. Ein möglicher Grund dafür mag die in einigen Untersuchungen festgestellte uneheliche Geburt - diese lag bei Nider­meyer & Parnitzke (1963) bei 10 %, bei Krisch & Jahn (1981) bei zwei Fünfteln so­wie bei Wille (1984) bei 11 % - dieser späteren Enkopretiker sein. Dieses belastete Klima drückt sich auch in der Beobachtung von Hoag et. al. (1971) aus, bei denen das enkopre­tische Kind in keiner der Familien das beliebteste Kind war, dagegen aber 9 von 10 am wenigsten be­liebt beurteilt wurden. Eine bestimmte Stellung in der Geschwisterreihe konnten Hoag et. al. (1971) - erstgeborene Söhne waren überrepräsentiert - und Krisch & Jahn (1981) - Älteste und Einzelkinder - ausmachen. Andere Autoren (vgl. Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Bell­man, 1966, Bemporad et. al., 1971, Wille, 1984) konnten dage­gen keine signifikanten Unter­schiede beobachten. 

 

Neben diesen ungünstigen Startbedingungen wird in der Literatur weiterhin auf das ge­häufte Auftreten psychosozialer Probleme unterschiedlichster Art, z.B. Verwahrlosungs­züge (vgl. Eller, 1960, Schwidder, 1975, Wille, 1984), soziale Isolation der Familien (vgl. Wagerer, 1976, Keilbach, 1976, 1977), Armut und niedrige soziale Schichtzugehörigkeit (vgl. Has­selmann, 1936, Olatawura, 1973, Wolters, 1974), sowie die Unvollständigkeit der Familien beziehungsweise zerrüttete Eheverhältnisse[112] (vgl. Albrecht & Hoffmann, 1950, Eller, 1960, Nieder­meyer & Parnitzke, 1963, Bellman, 1966, Meyerhoff, 1967, Wolff, 1969, Bemporad et. al., 1971, Olatawura, 1973, Fried, 1980, Probst et. al., 1980, Krisch & Jahn, 1981, Tatzer & Schubert, 1983, Wille, 1984) aufmerksam gemacht. Daß Enkopreti­ker häufiger ganz ohne Vater und Mutter aufwachsen müssen, konnte von Krisch & Jahn (1981) gezeigt werden, bei denen „bloß in etwa der Hälfte der Fälle Vater und / oder Mutter als erziehungsberech­tigte Personen genannt worden sind" (S. 23). Auch Meyer­hoff (1967), Wolff (1969), Probst et. al. (1980) sowie Wille (1984) sahen Enkopretiker, die häufig bei Pflegeeltern oder im Heim untergebracht waren.

 

Eine unterschiedli­che Erziehungsauffassung konnte Bellman (1966) signifikant häufiger als in der Kontroll­gruppe feststellen, ein Ergebnis, das gut zu der von Hennig (1977) si­gnifikant häufiger be­obachteten Pendelerziehung paßt. Newson & Newson (1965, nach Benady, 1967) berichten, daß strafende Erziehungsmaßnahmen der Eltern häufiger bei Enkopretikern zu finden waren. Eine Beobachtung, die auch von Wille (1984) gemacht wurde. Keilbach (1977) machte eine schwelende Geld- und Leistungspro­blematik in den Familien aus (vgl. Dührssen, 1974, Strunk, 1980). Auf Al­koholismuspro­bleme der El­tern sowie durch psychische Stö­rungen der Eltern belastete Familien weisen di­verse Au­toren hin (vgl. Shirley, 1938, Nie­dermeyer & Parnitzke, 1963, Kettler, 1976, Krisch, 1980, Probst et. al., 1980, Krisch & Jahn, 1981, Wurst, 1982, Wille, 1984). Bellman (1966) konnte diese Ergebnisse nicht bestä­tigen, fand aber - aller­dings nur unter gemein­sa­mer Betrachtung von Vater und Mutter - in Bezug auf psychi­sche Störungen einen si­gnifi­kant höheren Anteil bei den Enkopretiker-El­tern.  

 

Bellman (1966) und Wille (1984) konnten signifikant häufiger als in der Kontrollgruppe schwere Konflikte mit den Geschwistern ermitteln, die zudem negativ auf das Symptom reagierten (vgl. Meyerhoff, 1967, Herzka, 1978, Wagerer, 1978, Wolters, 1978, Artner & Castell, 1979, Probst et. al., 1980). Eine Sündenbockrolle wird von Anthony (1957), Schi­mon (1962), Baird (1974), Wolters (1978) und Graham (1991) berichtet, während Hoag et. al. (1971) ergänzend feststellen, daß Enkopretiker-Mütter die an ihrem Partner oder einer anderen Person (vgl. Easson, 1960) abgelehnten Charaktereigenschaften auf das Kind proji­zieren, so daß dieses in der Quintes­senz die negati­ven Eigenschaften ihrer Väter personifizier­te.

 

Obwohl zu den oben angesprochenen psychosozialen Problemen auch gegenteilige Er­geb­nisse vorliegen - Vaughan & Cashmore (1954) sehen keinen Zusammenhang mit dem sozio­kulturellen Level, Keilbach (1977) fand die akademischen Berufe der Eltern in ihrer Unter­suchung überrepräsentiert, Artner & Castell (1979) konnte kein Kind aus einer ge­schiedenen Ehe beziehungsweise aus ärmlichen Verhältnissen ausmachen -, spricht meines Erachtens doch einiges dafür, daß sich die Enkopretiker aus einem relativ stark gestörten familiären und sozialen Umfeld rekrutieren.

4.2.7 Systemtheoretische Überlegungen

Die systemtheoretisch ausgerichteten Ansätze zur Erforschung der Enkopresis beschrän­ken sich zur Zeit noch auf einige wenige Arbeiten. Grundlegend anders an diesen Ansät­zen ist die Auffassung, daß das Symptom nun nicht mehr als Ausdruck einer gestörten in­neren Dy­namik des Patienten gesehen wird, sondern als Resultat einer dysfunktionalen Beziehung. Nicht das Kind ist krank, „sondern das Beziehungsgefüge, in dem es lebt, ist krank, und in der Enkopresis drückt sich lediglich als locus minioris resistentiae das kran­ke Gefüge der Beziehungen zwischen z.B. Mutter-Vater-Kind-Mutter aus, das auf diese Weise für die Dia­gnose sichtbar wird" (Vogl, 1983, S. 33).

 


Baird (1974) fand in Familien mit einem enkopretischen Kind vier immer wieder zu beob­ach­tende Interaktionsmuster :

 

 

 

Interaktionsmuster

beim Kind:

bei den Eltern:

1.

Zurückhaltung

Stuhl wird bewußt /unbewußt zurückgehal­ten

Halten wichtige Dinge wie Lob, Informationen etc. zurück

2.

Infantilisierung

Regression / Fixierung auf infanti­les Verhalten

Einmischung in physiologische Angelegenhei­ten des Kindes; Behinderung der Entwicklung durch Aufzwingen ihres Willen

3.

Unvermögen, mit Är­ger umzugehen

Ausdruck in vesteckter Form durch Symptom

Ausdruck durch Bestrafung etc., die anderer­seits geleugnet wird

4.

Gestörte Kommunika­tion

Symptom als symboli­sche Darstel­lung der Störung

Bedürfnisse werden mißverstan­den

 

 

Neben Dreman (1977), der die Auffassung vertritt, daß das enkopretische Kind „may so­me­times be the scapegoat and symptom bearer of a troubled family with a severly distur­bed communication network" (S. 172), sieht auch Andolfi (1978) das Symptom „as a sign of family dysfunction and of stress consequent to the parents seperation" (S. 25). Für Fried (1980) sind die Ursachen der Enkopresis - neben der Sauberkeitserziehung - eben­falls in ei­ner charakteristischen Familiendynamik zu suchen. Die Beobach­tung, daß in sei­nem Klientel häufig ein Familienmitglied einen Tod vollführt, gedroht oder gelitten hat und dies Ereignis verheimlicht wurde, bringt ihn zu der Überzeugung, daß das enkopreti­sche Kind mit diesem identifiziert wird. Die Enkopresis ist somit „eine Art Kompromiß zwischen der vollkommenen Kontrolle derer das Kind nicht fähig ist, und den tödlichen Angriffen auf Familienmitglieder, die es doch vermeiden will" (S. 79). Sie ist zwar ein Entblößen „von ge­heimem Dreck, aber doch kein Verrat der Familiengeheimnis­se" (Fried, 1980, S. 79).

 

Die empirische Absicherung systemtheoretischer Ansätze in der Enkopresisforschung ist noch nicht so weit gediehen, als das ein abschließendes Urteil über die Richtigkeit der Annahmen gemacht werden kann. Meines Erachtens ist es ein wertvoller Theorieansatz, der insbesondere das kommunikative Umfeld einbezieht und somit nicht nur den Symptom­träger für die psychische Störung verantwortlich macht.

4.2.8 Persönlichkeit und Verhalten des Kindes

Betrachtet man die zahlreichen Charakterisierungen enkopretischer Kinder in der Litera­tur, ergibt sich - wie schon Krisch (1985) feststellt - tatsächlich ein verwirrendes Bild unter­schiedlichster Beschreibungen zur Persönlichkeit beziehungsweise zum Verhalten dieser Kinder. Be­rücksichtigt werden muß dabei selbstverständlich, daß sich viele dieser Versuche allein auf klinische Eindrücke zumeist kleiner Enkopretiker-Gruppen beziehen und wie so oft kaum Kontrollgruppenvergleiche vorgenommen wurden. Nachfolgend möchte ich daher zunächst auf die Untersu­chungen eingehen, die diesen methodischen Mangel von vorn­herein ausgeräumt haben.

 

Bellman (1966) ermittelte in ihrer Klientenstudie von 75 Enkopretikern im Vergleich zu 75 unauffälligen Kindern folgende signifikante Unterschiede : ein geringeres Maß an Selbstbe­hauptung, eine geringere Frustrationstoleranz, ein geringeres Maß an Selbstbe­hauptung, eine Neigung zu Ängstlichkeit sowie größere Probleme bei der adäquaten Handhabung ihrer Aggressionen, die einerseits exzessiv kon­trolliert, anderer­seits völlig unkontrolliert ausgelebt werden[113]. Weiterhin ha­ben sie ein ab­hängigeres Verhältnis zu ihrer Mutter, haben häufiger keine Trotzphase durchlaufen, zeigen eine größere Passivität und größere Schwierigkeiten sich durchzuset­zen. Arajärvi & Huttu­nen (1971) verglichen 20 Enkopretiker mit 24 Enuretikern und ka­men zu dem Ergebnis, daß der Grad der De­pression bei den Enkopretikern höher war als bei den Enuretikern. Wolters (1974) ver­glich 50 Enkopretiker mit 33 Psychosomatikern und 17 Hämodialysepatienten und stellte fest, daß Enkopretiker eigensinniger, unordent­licher und unharmonischer sind sowie mehr ambivalente Beziehungen zu Vater und Mutter aufwei­sen. Darüberhinaus waren die Dif­ferenzen gering, tendenziell gehäuft traten folgende Verhaltensauffälligkeiten auf : Steh­len, Wutausbrüche und aggressiv-destruktive Verhaltensweisen, Sprachprobleme, Nä­gel­kauen, Eßprobleme und Daumenlutschen. Le­vine et. al. (1980) konnten nachweisen, daß ihre 47 Enkopretiker im Vergleich zu 98 un­auffälligen Kindern signifikant mehr Verhal­tens­muster wie "ist oft traurig", "weint leicht", "hat viele Ängste" aufweisen und sozial viel zu­rückgezogener, isolierter, weniger oft mit anderen Kindern zusammen und einzel­gängeri­scher waren als die Vergleichsgruppe. Al­lerdings konnten die Autoren in Bezug auf antiso­zial-aggressive Verhaltensweisen keinen Unterschied ausmachen. Krisch (1980)2 verglich 10 Enkopretiker mit jeweils 10 Enureti­kern und aggressiven Kindern. Dabei stellte sich heraus, daß die Enkopretiker offen ag­gressiver waren als die Enuretiker. Die aggressiven Kinder waren allerdings in ihrem Profil beiden Gruppen gegenüber eher unähnlich. Krisch (1980)2 kommt zu der Auffassung daß es sich bei den Enkopretikern um kein besonders schwer geschädigtes Kollektiv handele, da die Verhaltensmerkmale „noch im Bereich des sozial Erwünschten oder wenigstens des Ak­zeptierten zu liegen scheinen" (S. 45). Im Gegensatz zu dieser Auf­fassung stehen die Er­gebnisse von Wille (1984), der in den Enkopretikern eine Patienten­gruppe sieht, „die in ihrer sozialen, emo­tionellen und sexuellen Entwicklung schwer behin­dert" (S. 80) und „eine psychopatholo­gisch schwer gestörte Patientengruppe sind" (ebd.). Sie wurden fast zur Hälfte als ängst­lich, kontaktgestört und depressiv be­schrieben. Dabei sind neu­rotische Störungen[114] und erzieherische, affektive oder früh­kindliche Ver­wahr­losung si­gnifikant häufiger als in den Vergleichsgruppen anzutreffen. Am häufigsten fand Wille (1984) - allerdings ohne signi­fikanten Unterschied - bei den Enkopretikern Äng­ste und Depressionen.

 

Um neben den Ergebnissen mit Kontrollgruppenvergleichen eine Übersicht über die Charakterisierungen von Enkopretikern in der Literatur zu erhalten, möchte ich an dieser Stelle auf die klinischen Fallbeschreibungen ohne Kontrollgruppen eingehen.

 

Auf das passive, mit Attributen wie weich und verträumt, wehleidig, bedrückt, schüchtern und scheu be­legte Verhalten wird von vielen Autoren hingewiesen (vgl. Shirley, 1938, Albrecht & Hoffmann, 1950, McTaggart & Scott, 1959, Eller, 1960, Wolff, 1969, Hoag et. al., 1971, Collier, 1974, Schaengold, 1977, Bemporad et. al., 1978, Strunk, 1980, Artner & Castell, 1981, Wurst, 1982, Fritz & Arm­brust, 1982, Wille, 1984, Reinhard, 1985, Bosch, 1988, Graham, 1991).

 

Gleichzeitig wird von der - überwiegend gehemmten - Aggressivität dieser Symptom­gruppe (auch permanente reizbare Empfindsamkeit) berichtet, beziehungsweise auf die erhöhten Schwierigkei­ten im Um­gang damit - zum Teil exzessive Wutausbrüche bei nichtigen Anlässen - hingewiesen (vgl. Shir­ley, 1938, Burns, 1941, Biermann, 1951/52, McTaggart & Scott, 1959, Biermann, 1960, Eller, 1960, Wolff, 1969, Hoag et. al., 1971, Bemporad et. al., 1971, Hennig et. al., 1972, Katz, 1972, Collier, 1974, Keilbach, 1977, Harbauer, 1978, Bempo­rad et. al., 1978, Strunk, 1980, Artner & Castell, 1981, Fritz & Armbrust, 1982, Wurst, 1982, Bosch, 1988, Graham, 1991). Dabei scheint ein Großteil dieser aggressiv gehemm­ten Patienten die Um­welt als fordernd übermächtig zu erleben, um darauf „aus einem Unterlegenheits­gefühl mit Passivität oder einem gelegentlich demonstrativen, überange­paßten Verhalten zu reagieren" (Strunk, 1980, S. 193). Diese Sichtweise wird auch von Eller (1960) gestützt, der feststellt, daß die in einem nicht unerheblichen Maße vorhan­dene Aggressivität „meist nur spo­radisch bei sonst eher passiver Grundhaltung auftritt" (S. 417). Ähnliche Berichte finden sich auch bei an­deren Autoren (vgl. Bier­mann, 1951/52, McTaggart & Scott, 1959, Wolff, 1969, Bempo­rad et. al., 1971, Collier, 1974, Wurst, 1982, Bosch, 1988).

 

Desweiteren sind Darstellungen von depressiven Störungen (vgl. Wolff, 1969, Arajärvi & Huttunen, 1971, Levine & Bakow, 1976, Schaengold, 1977, Bemporad et. al., 1978, Strunk, 1980, Levine et. al., 1980, Wille, 1984, Kratzky-Dunitz & Scheer, 1988, Graham, 1991), einer erhöhten Ängstlichkeit ( vgl. Hasselmann, 1936, Shirley, 1938, Albrecht & Hoffmann, 1950, Eller, 1960, Niedermeyer & Parnitzke, 1963, Wolff, 1969, Hoag et. al., 1971, Ola­tawura, 1973, Levine et. al., 1980, Artner & Castell, 1981, Wille, 1984, Geissler, 1985, Bosch, 1988, Ben­der & Branik, 1992) sowie regressi­ven Tendenzen (Tagträumereien, Be­vorzugung wesentlich jüngerer Spielkameraden) und Wünschen nach kleinkindhaftem Um­sorgtsein (vgl. Biermann, 1951/52, Biermann, 1960, Shane, 1967, Wolff, 1969, Granditzsch et. al., 1976, Wagerer, 1978, Artner & Castell, 1981, Kratzky-Dunitz & Scheer, 1988) bei Enkopretikern ebenfalls häufig anzutreffen.

 

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch angeführt, daß die von einigen Auto­ren (vgl. Nie­der­meyer & Parnitzke 1963, Asperger, 1968 nach Krisch, 1985, Bosch, 1988) vorgenommen Ein­tei­lungen in bestimmte Enkopretiker-Typen der klinischen Viel­falt der Verhaltensmerkma­le nicht gerecht werden (vgl. Strunk, 1980, Krisch, 1985). Auch der Versuch von Anthony (1957), den primären beziehungsweise se­kundären Enkopretikern bestimmte Charaktereigenschaften zuzuordnen, konnte in späte­ren - metho­disch fundier­teren - Untersuchungen nicht bestätigt werden (vgl. Bellman, 1966, Wille, 1984).

4.2.9 Auslösende Faktoren

Nach Bellman (1966) waren die häufigsten auslösenden Situationen für den Beginn einer se­kundären Enkopresis Schuleintritt, Geburt eines Geschwisterkindes, Scheidung beziehungsweise be­vorstehende Scheidung der Eltern sowie Trennung von der Mutter (vgl. Shane, 1967, Wolff, 1969, Bemporad et. al., 1971, Keilbach, 1977, Strunk, 1980, Süssenbacher, 1986). Keilbach (1977) spricht von einem einschneidend erlebten Liebesverlust beziehungsweise - allgemeiner ausgedrückt - von einer Veränderung, die „eine Verdünnung der Beziehung zu den engsten Personen, vorrangig zu der Mutter" (S. 118) bedeutet. Kratzky-Dunitz & Scheer (1988) fassen die Auslöser allgemein als subjektiv vom Kind erlebten Streß zu­sammen, während Vaughan & Cashmore (1954) auf die Schwere dieser Erlebnisse hin­weisen. Wolff (1969) ist der Meinung, daß die in der Literatur (vgl. Bellman, 1966, Bemporad et. al., 1970, Bellman, 1971, Collier, 1974, Bemporad et. al., 1978, Binét, 1979, Fried, 1980, Krisch & Jahn, 1981, Wille, 1984, Steinhausen, 1985) geschilderten Ergebnisse die Hypo­these nahelegen, in der häufig festgestellten Trennung des Kindes von der Mutter während der ersten vier Lebensjahre einen möglichen Kausalfaktor für die Entstehung der Enkopresis zu sehen. Daneben sollte im Einzelfall auch der Möglichkeit einer sexuellen Mißbrauchs­the­matik nachgegangen werden, da schon Glanzmann (1936) und Krisch (1982)[115] entsprechende, seinerzeit allerdings noch als atypisch angesehene, Fälle referierten. Insbe­sondere in der neueren Literatur zum sexuellen Mißbrauch wird von Enders & Stumpf (1990) sowie in der Broschüre des Ministeriums für Arbeit, Ge­sundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (1991) auf das Symptom "Einkoten" als Folgeerscheinung sexueller Mißbrauchserfahrungen hingewiesen.

4.2.10 Zusammenfassung

Betrachtet man zusammenfassend die Ausführungen zur Ätiologie der Enkopresis, so muß gesagt werden, daß von verschiedener Seite unterschiedliche Kausalfaktoren für die Ent­stehung der Enkopresis ins Feld geführt werden. Das Spektrum reicht dabei von konsti­tutionellen Faktoren über eine strenge und rigide Sauberkeitserziehung, unange­messene Lernerfahrungen, Angst- und Aggressionstheorien, gestörte Mutter-Kind Beziehungen, physisch und/oder psychisch abwesende Väter, erhöhte Probleme im sozia­len und familiä­ren Umfeld, gestörte familiäre Interaktionen bis hin zu persönlichkeits­spezifischen Ei­genarten des einkotenden Kindes. Einschränkend muß zu diesen Faktoren allerdings fest­gehalten werden, daß jeweils auch unterschiedliche, widersprüchliche Untersuchungser­gebnisse vorliegen. Mit Blick hierauf sowie die vorgestellte Vielfalt möglicher Entste­hungsfaktoren kann mit Bellman (1966) gesagt werden, „that the sym­ptom is not usually caused by a single, well-defined factor" (S. 132). Eine Feststellung, die auch die im näch­sten Gliederungspunkt vorgestellten Therapieansätze in nicht unerhebli­cher Weise beein­flußt, da diese meiner Ansicht nach ebenfalls multikausal ausgerichtet sein müssen, um der Fülle möglicher Problembereiche adäquat begegnen zu können.

4.3 Die Therapie der Enkopresis

Im Folgenden soll auf die derzeit gebräuchlichsten Verfahren zur Therapie der Enkopresis eingegangen werden. Da sie im Rahmen dieser Arbeit nur von marginaler Bedeutung sind, sollen sie nur gerafft und ohne den Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit darge­stellt wer­den.

4.3.1 Organmedizinische Behandlungsverfahren

Die in den zwanziger Jahren gewonnene Erkenntnis, daß der Enkopresis oftmals eine Obstipation zugrunde liegt, bildet auch heute noch die Basis der entsprechenden Behand­lungsverfahren.

 

Den ersten Schritt bildet die Entfernung aller Kotreste aus dem Rektum (vgl. Baum, 1979, Wurst, 1982), wobei unterschiedliche Vorgehensweisen gewählt werden : Einläufe, Darmspülun­gen, abfüh­rende Suppostorien oder manuelle Ausräumung unter Vollnarkose. Im zweiten Behand­lungsschritt wird versucht, eine neuerliche Obstipation mittels unter­schiedlicher Verfahren, z.B. bewußt herbeigeführtes Defäzieren nach der Mahlzeit in Kombi­nation mit erhöhter Flüs­sigkeitsaufnahme, diätetischen Maßnahmen, Mineral-Öl-Behand­lungen (vgl. Davidson et. al., 1963) oder auf physikali­schem Wege[116] (z.B. Bauchmassa­ge, Bewegung) zu verhindern.

 

Nach Krisch (1985) gibt es zur Zeit nur wenige Medikamente[117], die zur Behandlung der En­kopresis verwendet werden, über die zudem noch Wirksamkeitsbestätigungen feh­len[118]. Auch die operativen Verfahren - Sphinkterdehnung, Durchtrennung des Schließ­muskels - sind eher von untergeordneter Bedeutung, da diese mit Blick auf die mit ihnen verbunde­ne, relativ großen Risiken (vgl. Krisch, 1985), erst nach Ausschöpfung al­ler konser­vativen Mög­lichkeiten, eingesetzt werden sollten.

 

Mit Krisch (1985) kann gesagt werden, daß der somatisch orientierte Therapeut die mit den oben kurz angesprochenen Verfahren verbundenen psychischen Effekte - aversiver Charak­ter von Einläufen etc. - mitberücksichtigen und einer durch den Patienten selbst erreichten Symptomfreiheit den höchsten Stellenwert beimessen sollte, bei der die ver­wendeten The­rapieformen nur als Hilfsmittel fungieren.

4.3.2 Tiefenpsychologische Behandlungsverfahren

Eine Darstellung konkreter Inhalte dieser Behandlungsverfahren ist kaum möglich, da diese aufgrund unterschiedlicher Einflußgrößen - Biographie, Neurosengenese, Persön­lichkeit, etc. - individuell jeweils unterschiedlich verlaufen. In den Fallberichten (vgl. Shane, 1967, Kettler, 1976, Keilbach, 1976, 1977, Wagerer, 1977, Schimon, 1982) wird immer wieder auf die Phänomene der Übertragung, Regression und dem Ausagieren von Kon­flikten hingewiesen.

 

Dabei kommt dem Spiel mit Sand, Lehm, Farbe, dem Modellieren mit Ton, dem Malen und Schmieren besondere Bedeutung zu. McTaggart & Scott (1959) wiesen z.B. einen Patienten an, „to act out his feelings in play therapy, clay modeling and finger painting" (S. 766). Ins­besondere Biermann (1960) weist auf die Bedeutung des Malens für Dia­gnostik und Therapie der Enkopresis hin, wobei diese „dem einkotenden Kind ein Nach­ho­len des frühkindlich gestörten anal-aggressiven Antriebslebens, insbesondere des Schmierbedürfnisses, gestatten und ihm gleichzeitig den bislang verwehrten Eintritt und die Behauptung in der Gemeinschaft ermöglichen" (S. 37) soll[119]. Die Darstellung und das Ausagieren von Aggressionen (z.B. Wurf und Wettkampfspiele) „soll dem Kind ein gewis­ses Ausleben als auch vor allem ein Sub­limieren analerotischer Strebungen ermöglichen" (Bürgin, 1993, S. 225). Ähnliche Ansätze finden sich auch bei Schimon (1962), Shane (1967) und Wagerer (1977). Coché & Freed­man (1975) behandelten dagegen einen Fall von Enkopresis mittels Phantasie-Therapie, „ein Training, bei dem Kinder Phantasien an ihre Probleme anknüpfen und sie innerhalb einer Therapie-Gruppe zusammen mit anderen Kindern spielerisch ausdrücken" (S. 26).

 

Eine abschließende Beurteilung dieser Verfahren ist aufgrund der wissenschaftlich bislang nicht untersuchten Effizienz bei dieser Symptomgruppe kaum möglich. Kritisch anzumer­ken bleibt allenfalls der relativ hohe Zeitaufwand dieser Methoden - bei Schimon (1962) waren es über 100 Std., bei Keilbach (1976) 180 Std. -, der angesichts des für alle Betei­ligten äu­ßerst unangenehmen Symptoms kaum tolerierbar erscheint.

4.3.3 Verhaltenstherapeutische Ansätze

Die verhaltenstherapeutische Behandlung der Enkopresis konzentriert sich auf die Verän­de­rung jener Faktoren, die für das Weiterbestehen der Störung verantwortlich erscheinen. Dabei wird vorwiegend auf die Prinzipien des operanten Konditionierens zurückgegriffen.

 

An Behandlungsansätzen stehen das einfache auf-die-Toilette-schicken, die Belohnung jeder dortigen De­fäzierung über soziale und/oder materielle Vestärker (vgl. Neale, 1963, Ayllon et. al., 1975, Wright & Bunch, 1977) sowie die Extinktion, wenn z.B. das Sym­ptom durch vermehrte Zuwendung der Eltern aufrechterhalten wird - ein Verfahren das in der Praxis nicht ganz unproblematisch durchzuführen scheint  (vgl. Balson, 1973) - , zur Verfügung. Weiterhin wird das Sauber­bleiben über eine gewisse Zeit hinweg ver­stärkt (vgl. Amsterdam, 1979) -, ein Vorgehen, welches leicht zu einer Obstipation führen kann, sofern der Enkopreti­ker mit Blick auf die Gefahr, seine Verstärker zu verlieren, den Stuhl bewußt zurückhält (vgl. Gelber & Meyer, 1965). Auch das Selbstauswaschen der einge­schmutzten Unterwäsche (vgl. Krisch, 1985) ist eine weitere verhaltenstherapeu­tische Methode.

 

Im Rahmen komplexer Therapieprogramme werden mehrere dieser Methoden miteinan­der kombiniert (vgl. Scott 1977, Schaefer, 1978, Krisch, 19801, Bätzel, 1981). Viele sol­cher Programme integrie­ren auch noch Informationen über die Physiologie und Patho­physiologie der Aus­scheidung (vgl. Krisch, 1981) oder bestimmte Techniken - Desen­sibilisierung, an­ge­nehme Bedingun­gen während der Defäkation (vgl. Neale, 1963, Artner & Castell, 1979) -  bei individuellen Problemen im Zusammenhang mit der Defäkation, z.B. bei einer Toilettenphobie (vgl. Ashkenazi, 1975). Die in mehreren Abhandlun­gen (vgl. Engel et. al., 1974, Ross, 1982, Enck et. al., 1988, Nissen et. al., 1991) angeführte Biofeedback-Behandlung[120] erbringt ihren Haupt­nutzen - auch aus Sicht ihrer Protagoni­sten -  allerdings in erster Linie bei organisch be­dingten Ausscheidungsstö­rungen. In neuerer Zeit erfolgte eine Koppelung somatisch ori­entierter Behandlungsansätze mit opreanten Techniken unter dem Begriff der "Verhaltensmedizin" (vgl. Trott et. al., 1994, Petermann, 1994). Die unter Pkt. 4.3.1 an­gesprochene Kritik an diesen Methoden gilt natürlich auch bei ihrem Einsatz im Rahmen dieser Programme. Allerdings wird über die Nachteile in der aktuellen Literatur nicht reflektiert (vgl. Petermann, 1994).

 

Auf Bestrafungsverfahren wie die von Edelman (1971) vorgeschlagenen „periods of iso­la­tion as a punishment for fecal soiling" (S. 71) sowie die fragwürdigen Methoden der In­spek­tion der Unterwäsche (vgl. Edelman, 1971, Doleys et. al., 1977) und der Überkor­rektur (overcorrection) durch Wiederherstellung und positive Praxis[121] (vgl. Butler, 1977, Crowley & Armstrong, 1977) - die man selbst in verhaltenstherapeuti­schen Krei­sen nicht rechtferti­gen kann (vgl. Krisch, 1985) - soll nicht näher eingegangen wer­den.

 

Insgesamt haben sich die verhaltenstherapeutischen Techniken gut bewährt, jedoch wird nicht nur von Erfolgen auf der ganzen Linie berichtet (vgl. Krisch, 19801). So berichtet bei­spielsweise Beck (1979) in seinem Therapiebericht über einen enkopretischen Jungen, daß „neben den reaktiven Effekten der Aufzeichnung und dem operanten Programm die erhöhte Zuwendung der Eltern einen nicht zu übersehenden Einfluß auf das Problemver­halten gehabt haben" (S. 96) muß. Es scheint daher an­ge­bracht - von Beck (1979) als Breitbandansatz be­zeichnet -, neben einer gewissenhaften Auswahl[122] der zur Verfügung stehenden Techniken diese auf jeden Fall mit einer individuumszentrierten Behandlungs­form - z.B. Spielthera­pie - sowie einem familientherapeutisch ausgelegten Ansatz unter Einbeziehung der Eltern beziehungsweise der er­ziehungsberechtigten Personen zu kombinieren. Ein Vorschlag, der von einigen Auto­ren als Mittel der Wahl angesehen wird (vgl. Steinhausen, 1985, Bürgin, 1993).

4.3.4 Familientherapeutische Ansätze

Die Literatur über systemisch ausgerichtete Behandlungsansätze auf dem Gebiet der En­ko­presis ist noch recht dünn gesät und rekrutiert sich zudem lediglich aus Fallberichten, so daß leider kaum konkrete Inhalte dargestellt werden können.

 

Im Zentrum der Behandlung steht - wie unter Pkt. 4.2.6 - erörtert nicht das Kind als Patient, sondern das kranke Beziehungsgefüge, wobei davon ausgegangen wird, daß eine Heilung „nur unter Einbeziehung (und Mitarbeit) aller in diesem Gefüge involvierten Bezugsper­sonen (Eltern und Kind)" (Vogl, 1983, S. 33) erfolgen kann. Insbesondere Gairdner (1963) ver­weist darauf, daß „psychotherapy is usually more appropriately directed in the first place to the parents than to the child, as their attitude will often have become one of hopelessness and barely suppressed hostility towards him" (S. 93).

 

Neben Dreman (1977), der seinen An­satz noch mit einigen verhaltenstherapeutischen Metho­den verknüpfte und in seinem Fallbericht be­schreibt, wie er die durch Infantilisie­rung und Verheimlichung gekenn­zeichnete Familien­atmosphäre (vgl. hierzu Baird, 1974) aufzulösen versuchte, legten auch Andolfi (1978) - der sich auf die Wie­derherstel­lung eines ausgewogenen Verhältnisses zwi­schen den Ge­schwistern einer­seits und die Auflösung der Schwierigkeiten des elterlichen Subsystems andererseits kon­zentrierte -, Vogl (1983) - die die Paarbeziehung und die Eltern-Kind Beziehung in den Fokus ihrer Be­handlung rückte -, und Hürter & Piske-Keyser (1989) - die im Rahmen ei­ner stationä­ren Behandlung das gemeinsame Muster verschiedener Lösungsan­sät­ze auf Basis der Theorie von Watzla­wick et. al. (1990) erörterten - weitere Fallberichte vor.

4.4 Katamnestische Untersuchungen

Neben einer kurzen katamnestischen Untersuchung von Bellman (1966) beschäftigten sich seitdem nur noch Meyerhoff (1967) - dessen Ergebnisse allerdings aufgrund der ge­ringen Zahl auswertbarer PatientInnen (nur 14 von 37) kaum interpretierbar sind -, Hennig et. al. (1972), Probst et. al. (1980), Castell et. al. (1983), Wille (1984) und Steinmüller & Stein­hausen (1990) mit diesem Thema.

 

Bellman (1966) stellte lediglich fest, daß von 75 Patienten nach rd. 22 bis 23 Monaten 56 Prozent symptomfrei waren. Diese Patienten hatten das Symptom jeweils nach einer Phase ge­rin­ger Frequenz verloren, woraus nicht der Schluß gezogen werden darf, daß jeweils danach eine Symptomfreiheit folgt. Hennig et. al. (1972), deren Ergebnisse bei nur 14 Pati­en­ten - wie bei Meyerhoff (1967) - kaum interpretierbar sind, stellte 4 Monate nach Ent­lassung fest, daß nur noch ein Patient einkotete, jedoch sieben weitere nach Entlas­sung für einen kurzen Zeitraum - ohne Vorliegen akuter Konflikte - wieder eingekotet hatten. Von acht Patienten wurden Verhaltensänderungen in Bezug auf zunehmende Leb­haftig­keit und Ag­gressivität nach dem Abklingen der Symptome berichtet. Probst et. al. (1980) untersuchten 30 Patienten rd. 18 Jahre nach deren Erstvorstellung. Ein Patient klagte auch im Erwachse­nenalter noch über eine Enkopresis, bei 40 % lag eine psychische Beeinträchtiguung vor (Depressionen, soziale Ängste, Alkohol, etc.). In der Persönlic­h­keitsstruktur[123] zeigte sich eine überdurchschnittliche Extraversion bei gleich­zeitiger Ag­gressionsgehemmtheit. Zudem konnte bei den Patienten ein negatives Selbstbild, eine Tendenz zur sozialen Abwärtsmobili­tät, soziale Isolation und berufliche Unzufriedenheit festgestellt werden. Castell et. al. (1983) konnten bei 20 nachuntersuch­ten Enkopretikern rund 4 Jahre nach Entlassung nur zehn symptomfreie registrieren. Von neun als geheilt Entlassenen koteten drei wieder ein.

 

Wille (1984) führte rd. 7 Jahre (mittlere Katamnesedauer) nach Abklärung mit 37 Patien­ten eine Nachuntersuchung durch. Alle waren symptomfrei geworden, bei ¾ hatten sich die Be­gleitsymptome gebessert beziehungsweise waren verschwunden, bei ¼ waren sie gleich stark geblieben. Die Lern- und Leistungs- sowie die Kontaktstörungen waren am seltensten verschwunden. Bei 60 % der Patienten traten neue depressive Symptome auf, bei 61 % neue aggressive Symptome. Es konnten keine Zusammenhänge zwischen Obstipation, Häufigkeit und Stärke des Einkotens und dem aktuellen Zustand ausgemacht werden. Auch Wille (1984) sah eine größere soziale Abwärtsmobiltät der Patienten. Patienten, die eine therapeutische Behand­lung erhalten hatten, waren zum Zeitpunkt der Nachuntersu­chung deutlich weniger oft stark gestört als Patienten ohne Behandlung. In der zunächst letzten Studie untersuchten Steinmüller & Stein­hausen (1990) 41 Probanden (mittlere Katamnesedauer von 3,6 Jahren) nach und konnten bei 31 Probanden eine Symptomfrei­heit - davon 19 spontan und 12 nach Thera­pie - feststellen. In den Bereichen Hyperaktivi­tät und Emotionalität beschrieben die Eltern die Kinder deutlich weniger auffällig. Dies konnte für dissoziale Störungen allerdings nicht festgestellt werden.

4.5 Zur Prognose der Enkopresis

Strunk (1980) kann lediglich darauf verweisen, daß das Symptom im Erwachsenenalter - mit einigen wenigen Ausnahmen (vgl. Bellman, 1966, Probst et. al., 1980) - praktisch nicht mehr beobachtet wird. Harbauer (1984) ergänzt diese Ausführungen noch, indem er hinzu­fügt, daß aufgrund dieser Tatsache die Prognose sogar als gut anzusehen ist. Das Enkopreti­ker trotzdem - Gründe für das Sistieren in der Adoleszenz werden im Aufholen von Entwick­lungsrückständen beziehungsweise in peer pressure (vgl. Bosch, 1988) gesucht - mit ei­ner schwerwie­genden Erkrankung belastet sind, stellt schon Wurst (1982) fest, der an­merkt, daß mit der Symptomfreiheit keineswegs die charakterlichen Schwierigkeiten be­hoben sind und - ohne Behandlung - schwere Schäden „auf dem Gebiet des Lernens und für die künftige soziale Position des Patienten" (S. 200) zu erwarten sind. Nach Geißler (1985) weisen 60 % der ehema­ligen Enkopretiker eine beeinträchtigte Sozialbewäh­rung auf. Dabei hatten ausgeprägte Störungen des kindlichen Sozialverhaltens (z.B. Ag­gres­sivität, hohe Ängstlichkeit, Dieb­stähle, Lügen, Schulschwänzen etc.) die schlechteste Prognose auf die spätere Entwicklung, ebenfalls negativ wirkten sich abnorme psychoso­ziale Umstände im Kindesalter (z.B. Disharmonie in der Familie, abnorme familiären Be­ziehungen etc.) aus.

         

Bellman (1966) ermittelte aus dem Vergleich der zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung be­reits sauber gewordenen Kinder mit denen, die noch immer einkoteten, vier Prognosekri­te­rien. Diese waren: 1. Ängstlichkeit im Kind, 2. Anzahl nervöser Symptome, 3. gestörter Kontakt zur Mutter und 4. wenig gemeinsame Interessen mit der Mutter. In der Untersu­chung von Wille (1984) erwiesen sich das Vorliegen von Struktur in der Familie (im Ge­gen­satz zu Verwahrlosung), eine sekundäre Enkopresis, ein höherer Sozialstatus, eine Nicht-Heimplazierung, durchgeführte Therapien, Elternberatung und Einzeltherapien als Prädikto­ren, die den späteren Zustand des Patienten positiv beeinflußten. Tendenziell ver­schlechtern dagegen eine primäre Enuresis, Eheprobleme, ein infantiles psychoorgani­sches Syndrom sowie ein IQ 110 das spätere Zustandsbild des Enkopretikers. Im Ge­gensatz zu Steinmül­ler & Steinhausen (1990) erwiesen sich eine diagnostizierte Obstipa­tion ebensowenig wie das männliche Geschlecht  als die spätere Entwicklung be­einflu­ssende Faktoren. Steinmüller & Steinhausen (1990) konnten als positive Prognosekriterien die niedrigfrequente Enkopresis und das männliche Geschlecht ausma­chen. Tendenziell wir­ken sich nach Steinhausen & Steinhausen (1990) eine höhere Intelligenz der Kinder, eine niedrige psychosoziale Belastung, eine sekundäre Enkopresis sowie das Nicht-Vor­liegen einer Obstipation eher günstig auf die weitere Entwicklung und die Remis­sion aus.

5. Aufstellung der Arbeitshypothesen

Nach ausführlicher Darstellung des Symptomkomplexes Enkopresis möchte ich an dieser Stelle die Eingangs formulierte Zielsetzung dieser Arbeit wieder aufgreifen und  nach­zuprü­fen versuchen, ob sich mit Hilfe des Sceno-Testes von Gerdhild von Staabs be­stimmte Spielmuster bei Kindern mit diesem Symptom gehäuft nachweisen lassen. Bei der Aufstel­lung der unter Pkt. 6 zu überprüfenden Hypothesen habe ich mich an die unter Pkt. 4 referierten Problembereiche orientiert und nur die­jenigen ausge­wählt, die mit Blick auf die diagnostischen Möglichkeiten des Sceno-Test nachprüfbar sind. Bevor ich meine dafür zur Verfügung stehende Stichprobe näher be­schreibe und die zugrun­deliegende Methodik der Auswertung näher erläutere, möchte ich zunächst versuchen, die im nächsten Gliederungspunkt zu falsifizierenden oder zu verifi­zierenden Hypothesen aufzustel­len.

 

1. Bei der Erforschung organischer Ursachen für die Entstehung einer Enkopresis wird auf das Vorliegen einer minimalen cerebralen Dysfunktion - vgl. Pkt. 4.2.1 - als ein mit­verursachender Faktor hingewiesen. Ebenfalls haben eine Reihe von Autoren - vgl. Pkt. 4.2.2 - Intelligenzdefizite als bedeutsamen ätiologischen Faktor für die Entstehung der Enkopresis ausgemacht. Allerdings muß hierzu gesagt werden, daß - mit Blick auf die Mehrzahl anderslautender Untersuchungen - allenfalls die von Biermann (1951/52) iden­tifizierte chronische Milieuverwahrlosung für die von ihm mit Pseudoschwachsinn be­zeichnete Intelligenzschwäche verantwortlich gemacht werden kann.

 

Selbstredend handelt es sich bei dem in dieser Untersuchung verwendeten Sceno-Test nicht um einen klinischen Test, und natürlich kann ebensowenig eine entsprechende cer­ebrale Schädigung aus einem Testergebnis heraus diagnostiziert wer­den. Den­noch fand Kühnen (1973), daß von Enkopretikern „häufig Spielkriterien für das or­ganische Syn­drom, wie wir es im Spiel hirnorganisch geschädigter Kinder fan­den, gespielt werden" (S. 36). Das Vorkommen dieser Spielmerkmale deutete sie als einen Hinweis auf die von Biermann (1951/52) festgestellte Pseudodebilität dieser Kinder. Mit Blick auf die ge­machten Ausführungen müßten die dieses Spielmerkmal verkörpern­den Einzelmerk­male wie "Reihungen", "gesamte Spielfläche", "gesamt/formlos", "Rahmensprengung", "formlos" und "minimale bis spärliche Materialverwendung" in den Sceno-Testgestaltungen gehäuft zu finden sein[124].

 

2. Unter dem Gliederungspunkt 4.2.3 konnte gezeigt werden, daß eine strenge und rigide Sauberkeitserziehung einen möglichen Kausalfaktor für die Ätiologie der Enkopresis dar­stellt.

 

Unter dem Sceno-Testmaterial gibt es zwei Spielelemente, bei denen direkte Rückschlüsse auf die Art und Weise, wie das Kind die Reinlichkeitserziehung erlebt und welche Haltun­gen es daraus entwickelt hat, gezogen werden können : der Nachttopf und der Klo-Stuhl. Mit Blick auf die Mutter-Kind-Beziehung, in der die Mütter oftmals pedantisch auf die Sauberkeit des Kindes bedacht sind - vgl. Pkt. 4.2.5.1 -, beziehungsweise aus eigenen Sauberkeitsanforderungen des Kindes (vgl. Berger, 1974), können mit Hilfe des sich ebenfalls im Scenomaterial enthaltenen Waschbottichs Reinlichkeitstendenzen zum Aus­druck gebracht werden. Ebenso kann seine Verwendung symbolisch für die gefor­derte Reinlichkeitserziehung stehen. Schweine stehen im allgemeinen insbesondere für Dreck (vgl. auch Brem-Gräser, 1986), so daß sich mit Blick auf die von mir untersuchte Sym­ptomgruppe und ihre Probleme im Bereich der Sauberkeit eine besondere Verwendung der im Sceno-Testmaterial befindlichen Schweine offenbaren könnte. Neben der quantitati­ven Auswertung der Spielmaterialien werde ich zudem den Kontext, in dem sie Verwen­dung finden näher untersuchen (z.B. abseits oder außerhalb der Spielfläche gestelltes Klo etc.).

 

3. Im Rahmen der psychoanalytischen Theorie zu diesem Symptomkomplex - vgl. Pkt. 4.2.4 - wird insbesondere auf die aggressiven Anteile der Symptomatik verwiesen.

 

Als Symbole für Aggressionen dienen im Scenomaterial insbesondere das Krokodil, der Ganter sowie der Fuchs. Aber auch im Zusammenstoß von Autos, in der beton­ten Dar­stellung von Unfallszenen, sowie in der Verwendung des Teppichklopfers in sei­ner ag­gressiven Form können sich diese Tendenzen im Sceno-Testspiel zeigen. Natürlich kön­nen sich Ag­gressionen auch direkt zwischen den Puppen abspielen, allerdings scheint dies nach von Staabs (1951) eher die Ausnahme zu sein. Sie beobach­tete, daß die Aggressio­nen eher unter Zuhilfenahme des Zusatzmaterials zum tragen kommen, wäh­rend bei den Puppen in der Regel die positive Beziehung im Vordergrund steht. Neben der quantitati­ven Auswertung einzelner Spielmaterialien beziehungsweise Spielmerkmale steht natür­lich wieder die qualitative Auswertung im Mittelpunkt meiner Analyse (z.B. gegen wen die Aggressionen gerichtet sind etc.).

 

4. Von psychoanalytischer Seite - vgl. Pkt. 4.2.4 - sowie im Rahmen von Untersuchun­gen beziehungsweise klinischen Fallbeschreibungen zur Persönlichkeit und dem Verhalten des einkotenden Kindes wird auf das Vorliegen einer erhöhten Ängstlichkeit hin­gewie­sen.

 

Im formalen Aufbau des Sceno-Testspieles gelten die Spiel­merkmale "peripher", "Eckenbetonung im Zusammenhang mit peripher", "gesamte Spiel­flä­che", "Symmetriebetonung" und "Umgrenzungen" als Hinweise für die Ängstlichkeit eines Spielers. Zudem kann sich in der Verwendung von Elementen der Warnung und Kon­trolle sowie in Festungs- oder Schutzbauten die Ängstlichkeit eines Probanden sym­bo­lisch darstellen. Zur Be­stätigung der Hypothese, daß Enkopretiker unter einer erhöhten Ängstlichkeit leiden, müßten die vorbezeichneten Spielmerkmale in der Sceno-Testauswer­tung gehäuft zu finden sein.

 

5. Aus psychoanalytischer Sicht - vgl. Pkt. 4.2.4 -, von sy­stemt­heoretischer Seite sowie im Rahmen klinischer Fallbeschreibun­gen zur Persönlichkeit des Enkopretikers - vgl. Pkt. 4.2.7 - wird auf regressive Tendenzen und den Wunsch nach kleinkindhaftem Umsorgt­sein im Verhalten des Enkopretikers hingewiesen.

 

Die formalen Spielmerkmale im Sceno-Test, die diese Tendenzen verkörpern, sind "peripher", "subjektnahes Spiel", "Flächenaufteilung mit Linksbetonung", "Reihungen" und "formloses Spiel". Darüber hinaus können von den vorhandenen Spielmaterialien ins­besondere das Baby im Steckkissen, die Prinzessin, das Fell, der weiche Hund (insbesondere als Kamerad einer Figur), der Storch sowie die Nuckelfla­sche diese Stre­bungen symbolisieren. Nach Knehr (1961) enthält insbesondere die Wahl der Figur, die in den Mittelpunkt der Szene gerückt ist, weitere Aufschlüsse über regressive Tendenzen, z.B. wenn es sich dabei um das Baby oder die Prinzessin handelt. Weiteren Indizien sind allgemeine Hinweise auf Zärtlich­keit (z.B. Darstellung von Mutter/Kind Situationen), die Bevorzugung von Figuren, die eine frühere Entwicklungsstufe repräsentieren, aber auch das Auftreten des Zwerges, der in einem Haus ohne Türen und Fenster wohnt.

 

Bei der Auswertung der Sceno-Testspiele werde ich zunächst die quantitative Erfassung der formalen Spielmerkmale sowie der aufgeführten Spielmaterialien und sodann ei­ne qualitative Auswertung der jeweiligen Szenen auf das Vorliegen von Regressionszei­chen vornehmen.

 

6. Als ein fast durchgängig nachgewiesenes Charakteristikum von Enkopretiker-Familien, kann die physische und psychische Abwesenheit des Vaters - verbunden mit einem gerin­gen positi­ven Beitrag zur Erziehung - gelten (vgl. Pkt. 4.2.5.2). Sind sie dennoch in fami­liäre Angelegenheiten involviert, treten sie überwiegend als strenge, Disziplin fordernde Personen in Erscheinung.

 

Bei der  Auswertung der Sceno-Testspiele der Enkopretiker werde ich mich vor diesem Hinter­grund ausschließlich mit der quantitativen und qualitativen (Kontext, in dem die Vaterfiguren verwendet werden, z.B. Aggressionen gegen eine Vaterfigur etc.) Verwen­dung der Vaterfiguren beschäftigen.

 

7. Wie sich aus den unter Pkt. 4.2.5.3 referierten Untersuchungsergebnissen entnehmen läßt, rekrutiert sich die Gruppe der Enkopretiker häufig aus einem relativ stark gestörten familiären und sozialen Umfeld. Im Folgenden möchte ich jeweils diejenigen Problembe­reiche her­ausgreifen, bei denen eine symbolische Umsetzung im Sceno-Testspiel vorstellbar ist.

 

a.) Wie beschrieben wird das Kind oftmals schon vor der Geburt durch die Eltern abge­lehnt. Zudem vereint es oftmals die Charakterisierung als das "am wenig­sten beliebte Kind" in der Familie auf sich, welches zudem häufig die Sündenbockrolle für die familiä­ren Probleme "übertragen" bekommen hat.

 

Es liegt nahe, daß sich das Kind innerhalb seiner Familie isoliert fühlt. Diese Tendenzen können sich im Sceno-Testspiel durch das Auftreten nur einer Figur beziehungsweise mehrere Figu­ren, die ausdrücklich als Einzelgänger beschrieben werden, die Verwendung des Hundes als Kamerad des Kindes sowie durch das formale Spielmerkmal "Insel /Gruppe alleine" ausdrücken. Weitere Hinweise geben Spielsituationen, in denen z.B. ein Kind ab­seits oder von einer spielenden Gruppe isoliert aufgestellt wird, ebenso wie die - als Kompensati­onsversuch zu wertende - Wahl einer bevorzugten Puppe (z.B. Prinzessin) als Identifika­tionsfigur.

b.) Innerhalb dieses Problemkomplexes wird bei Enkopretiker-Familien auf das Vorliegen von Verwahrlosungszü­gen hingewiesen.

 

Diese Tendenz deutet sich im Sceno-Testspiel durch die Verwendung des formalen Spiel­merkmals "achtlose Rahmensprengung" als Ausdruck asozialen, über gesetzte Grenzen hin­ausgehenden Verhaltens an.

 

c.) Sofern Enkopretiker über Geschwister verfügen, wird häufig auf schwere Konflikte mit diesen aufmerksam gemacht, zumal diese fast durchgängig negativ auf das Symptom reagieren. In diesem Zusammenhang muß auch auf das häufige Einsetzen einer sekundären Enkopresis nach einer Geschwisterge­burt hingewie­sen werden (vgl. Pkt. 4.2.8), so daß häufig schon von Beginn an eine be­lastete Atmosphäre existiert.

 

Eine Geschwisterproblematik kann sich im Sceno-Test andeuten, wenn z.B. das mit dem Geschwisterkind identifizierte Baby abseits gelegt, in den Rachen des Krokodils ge­steckt oder sonstwie der Vernichtung preisgegeben wird. Natürlich können auch die rest­li­chen Kinderfiguren in dieser Rolle auftreten. Für die Auswertung werde ich somit neben dem quantitativen - Bevorzugung / Vernachlässigung bestimmter Puppen - auch den qualitati­ven Aspekt - sprich den Kontext, in dem die verwendeten Kinderfiguren auftreten -  mit­berücksichtigen.

 

8. Wie aus den unter Pkt. 4.2.7 referierten Untersuchungen zu ersehen ist, wird die Gruppe der Enkopretiker häufig als kontaktgestört beschrieben.

 

Im Sceno-Testspiel kann sich eine Kontaktstörung durch folgende formale Spielmerkmale symbolisch offenbaren: "Insel- / Gruppe allein", "Umgrenzungen", "nur Bausteine", "Extreme in der Puppenverwendung"[125] beziehungsweise "keine Puppen" (vgl. Weber, 1952, 1966), häufige Verwendung von "viel Gegenständen" und "beziehungsloses Ne­beneinander der Puppen".

 

9. Im Rahmen der unter Pkt. 4.2.7 referierten Untersuchungsergebnisse wurde darauf hingewiesen, daß Enkopretiker tendenziell gehäuft zu depressiven Ver­stimmungen nei­gen.

 

Eine depressive Verstimmung kann sich im Sceno-Testspiel allgemein durch Bilder der Pas­sivi­tät, wenn z.B. eine kranke Person im Liegestuhl plaziert wird und um sie herum nur kranke und müde Menschen auftreten, symbolisch darstellen. Nach von Staabs (1951) kann auch mit Hilfe des Stadtautos sowie der Eisenbahn eine Tendenz zur Passivi­tät - im Sinne von gefahren werden wollen - ausgedrückt werden. Von Salis & Preisig (1978) fanden bei depres­siven Kindern die häufigere Verwendung archaischer Geborgen­heitssymbole wie Kuh, Hund, Ge­flügel, die Anordnung der Figuren auf der rechten Hälfte vor allem im rechten oberen Qua­dranten, die häufigere Auswahl des Fuchses als Aggres­sionssymbol sowie des Zwerges bei den mythologischen Figuren und die Tendenz, deut­lich seltener vertikal aufzu­türmen. Neben der Auswertung quantitativer Aspekte wird es ein Hauptanliegen sein, die oben beschriebenen Bilder der Passivität in den Sceno-Testspie­len zu identifizieren.

 

10. Im Zusammenhang mit der zusammenfassenden Betrachtung möglicher Auslöser für die Entstehung einer Enkopresis (vgl. Pkt 4.2.8) muß auf die häufige Trennung des späte­ren Enkopretikers von der Mutter innerhalb der ersten vier Lebensjahre hingewiesen wer­den. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der unter Pkt. 4.2.5.1 beschriebenen Erzie­hungshaltung der Enkopretiker-Mütter, die in erster Linie durch Ablehnung, Autorität und Perfektionismus ge­kennzeichnet ist, sowie der - wenn auch nicht durchgän­gig - beschrie­benen Charakterisie­run­gen der Mütter mit Attributen wie fehlende Empathie und Igno­ranz gegenüber den Problemen des Kindes kann die Hypothese aufgestellt werden, daß die frühe Kindheit der späteren Enkopretiker durch Deprivationserlebnisse und mangelnde orale Befriedigung gekennzeichnet war. Die von einigen Autoren (vgl. Pkt. 4.1.6) beob­achteten Eßprobleme könnten ebenfalls mit die­sen frühkindlichen Erfahrungen in Zu­sammenhang stehen.

 

Orale Tendenzen können sich im Sceno-Test durch die Verwendung der vorhandenen Haus­tiere ausdrücken, sofern der Vorgang des Fütterns besonders betont oder die Grup­pe im Zentrum der Szene angeordnet wird. Darüberhinaus symbolisieren auch die vor­handenen Früchte sowie die Becher, der Krug und die Schüssel - ggf. unter Verwen­dung eines gebau­ten Tisches mit Tischdecke - diese oralen Tendenzen, sofern mit dem be­schriebenen Material Essensszenen zur Darstellung gelangen. Von Staabs (1951) sah in der Verwendung der Bäume unter anderem ein Merkmal der Fruchtbarkeit. Vor diesem Hintergrund kann die signifikant häufigere Verwendung des Obstbaumes ein zusätzlicher Hinweis auf symbolisch ausgedrückte orale Strebungen sein. Neben der quantitativen Auszählung der einzelnen Spielmaterialien wird auch eine qualitative Analyse der Sceno-Testspiele im Hinblick auf orale Tendenzen erfolgen. Desweiteren sind zu diesem The­menkomplex sämtliche Sceno-Testgestaltungen zu zählen, die in irgendeiner Weise zum Ausdruck bringen, daß das Kind die Beziehung zur Mutter als gestört emp­findet. Beispiele hierfür sind Aggressionen gegen Mutterfiguren, die Plazierung der Mut­terfigur im thronartigen Sessel oder ähnliche Konstellationen, die im Einzelnen unter quali­tativen Aspekten näher zu bestimmen sind. Dargestellte Wunschszenen, wie z.B. Mutter-Kind-Situationen und Spielmerkmale, die regressive Tendenzen verkörpern, sind dagegen in diesem Zusammenhang als Kompensationsversuch zu werten.

 

11. Zu den beim einkotenden Kind häufig anzutreffenden Begleitsymptomen (vgl. Pkt. 4.1.6) gehören auch Lern- und Leistungsstörungen. Nach Bründel (1991) - der diese Schwierigkeiten als sekundär bedingt betrachtet - kann eine Enkopresis einerseits zu einer Leistungsschwäche oder -verweigerung sowie andererseits zu einem ex­tremen Lei­stungsstreben führen.

 

Im Sceno-Testspiel stellt sich eine Leistungshemmung durch die gehäufte Verwendung von wenig Gegenständen symbolisch dar. Die vertikale Spieltendenz wird da­gegen als Kompen­sation von Leistungsstörungen oder Minderwertigkeitsgefühlen beziehungsweise als Aus­druck einer Ehrgeizhaltung verstanden, insbesondere dann, wenn diesen Bauten das sichere Fundament fehlt. Das Spielmaterial im Sceno-Test, welches diese Be­reiche symboli­siert, ist die Schultafel. In ihrer bevorzugten Verwendung im Mittelpunkt der Szene können Hin­weise auf die große Belastung durch Schul- und Leistungsprobleme enthalten sein.

 

Nach der Phase der Hypothesengenerierung werde ich die Stichprobe meiner eigenen Un­tersuchung vorstellen, das methodische Vor­gehen er­läutern und sodann die oben auf­gestell­ten Hypothesen an Hand der Auswer­tungsergebnisse überprüfen.

6. Darstellung der eigenen Untersuchung

6.1 Problemstellung, Methodik

In den vorangegangenen Abschnitten dieser Arbeit habe ich den Sceno-Test von Gerdhild von Staabs eingehend vorgestellt und die bislang in der wissenschaftlichen Literatur identifi­zierten Spielmerkmale sowie deren symbolische und diagnostische Bedeutung her­ausgearbeitet. Anschlie­ßend habe ich den Symptomkomplex der Enkopresis ausführlich behandelt und dabei insbesondere die zum Teil divergierenden Standpunkte zu dieser Störung erörtert. Vor dem Hintergrund des damit aufgebauten Wissenstandes über den Sceno-Test und den Symptomkomplex Enkopresis habe ich sodann all diejenigen Berei­che der Störung herausgearbeitet, die sich - anhand von bestimmten Spielmerkmalen - mit Hilfe dieses Testverfahrens bei Enkopretikern gehäuft nachweisen lassen müß­ten. Dabei wurden ganz bewußt auch sich gegebenenfalls gegenseitig aus­schließende ätiologi­sche Konzepte beziehungsweise Erscheinungsweisen der Störung in den Hypothesenkatalog aufgenommen, um somit bei der Auswertung der Sceno-Testschlußbilder meiner Untersu­chungsgruppe mögliche Bestätigungen für die eine oder andere Sichtweise erhalten zu kön­nen.

 

Für diese Untersuchung standen mir insgesamt 28 Sceno-Testschlußbilder von 28 Enkopretiker zur Verfügung, von denen vier mit mir als Versuchsleiter erstellt wur­den. Die restlichen 24 Sceno-Testschlußbilder rekrutieren sich aus mir zur Verfügung ge­stellten Sceno-Test-Bildern - zumeist Polaroidfotos - abgeschlossener Fälle aus regional ansässigen Erzie­hungsberatungsstellen, von niedergelassenen Kinder- und Jugendthera­peuten sowie aus einem Kinderkrankenhaus. Zu diesen Bildern wurde mir das jewei­lige Sceno-Testprotokoll übergeben[126], welches allerdings nur zum Teil durch zusätzliche anamnestische Daten des jeweiligen Klien­ten beziehungsweise durch Angaben zur familiä­ren Situation ergänzt wurde[127]. Die als Anlage B zu dieser Arbeit abgebildeten Sceno-Test­spiele habe ich in der Regel[128] auf der Grundlage der mir zur Verfügung ge­stellten Po­laroid-Fotos nachgebaut und bildlich festgehalten.

 

Bei der Auswertung der Sceno-Testschlußbilder habe ich mich auf die in wissenschaftli­chen Abhandlungen (s.h. Pkt. 3.4) bislang identifizierten Spielmerkmale, beziehungsweise die in der Basisliteratur (in erster Linie von Staabs, 1951 und Knehr, 1961) bereits referierten Symbolge­halte einzelner Materialien beschränkt, um somit der Gefahr vorzubeugen, auch dort etwas zu interpretieren, wo ein entsprechender Sinnzusammenhang noch nicht ausrei­chend abgesichert wurde. Die de­taillierte Beschreibung einzelner Spielmerkmale bezie­hungsweise Symbolbedeutungen können unter dem Gliederungspunkt 3.4 nochmals ver­tiefend nachgelesen werden.

 

Leider war es mir im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, eine entsprechende Ver­gleichsstichprobe zu erheben, was den Aussagewert der Untersuchung erheblich eingeschränkt hätte. Um diesem Manko von vorn­herein entgegen­zuwirken habe ich einen Vergleich mit den bei Kühnen (1973), von Salis (1975) und Krolewski (1984) verwendeten Kontrollgruppen vorgenommen. Hinsichtlich der Zu­sam­mensetzung dieser Gruppen verweise ich auf Pkt. 6.3 dieser Arbeit. Allerdings muß hier­zu angemerkt werden, daß die vorgenannten Autoren naturgemäß nicht sämtliche von mir aufgestellten Spielmerkmale untersucht haben, so daß ein statistischer Vergleich nur bei völlig identischen Spielmerkmalen durchgeführt werden konnte. Vor dem Hintergrund des relativ kleinen Stichprobenumfanges von nur 28 Probanden und der Tatsache, daß die vorgenannten Autoren nur selten eine Aufschlüsselung in einzelne Alters- beziehungswei­se Geschlechtergruppen vorgenommen haben, werde ich auf einen statistischen Vergleich dieser Merkmale verzichten. Als statistisches Prüfver­fahren habe ich den Chi-Quadrat-Vierfeldertest sowie Kullbacks 2 î-Test für die Auswer­tung jener Spielmerkmale, in denen die Erwartungswerte < 5 waren, angewandt (Berechnungsbeispiele s.h. Anlage C). Zur Un­terscheidung werden die Chi-Quadrat-Ergebnisse auf Basis des Vierfelder-Testes mit Chi-Quadrat-1, die auf Basis des Kullbacks 2 î-Testes mit Chi-Quadrat-2 bezeichnet. Für die restlichen - ohne statistischen Vergleich - ermittelten Ergebnisse können hinsichtlich ihrer Bedeutung nur Annahmen formuliert werden, die in weiteren Untersuchungen mit Hilfe von Vergleichsgruppen zu untermauern sind. Die entsprechenden Auswertungsprotokolle sind als Anlage B dieser Arbeit beigefügt.      

6.2 Die Daten der 28 Enkopretiker

 

Pb.Nr.

Alter

Geschlecht

Primäre / Sekundä­re Enkopresis

Beginn

Dauer

Geschwister

[129]

Begleit-

symptome

[130]

Eltern

getrennt

ja / nein

1

7;6

männlich

sek. Enk..

mit 5 J.

2 ½ J.

4 - jüngstes

Aggres­sionen

Obstipation

nein

2

10

männlich

sek. Enk.

mit 8 J.

2 J.

3 - jüngstes

Enuresis nocturna

Obstipation

Lernstö­rungen

nein

3

9;11

männlich

prim. Enk.

     --

   --

2 - jüngstes

Obstipation

ja

4

10;6

weiblich

k. A.

k. A.

k. A.

3 - mittleres

Enuresis

nein

5

9;6

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

Obstipation

nein

6

4;2

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

Einzelkind

Aggres­sionen

ja

7

7;6

männlich

sek. Enk.

k. A.

k. A.

2 - ältestes

Hyperak­tivität,

Tierquäle­reien

ja

8

8;3

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

nein

9

7;10

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

10

10

männlich

sek. Enk.

mit 8 J.

2 J.

k. A.

k. A.

k. A.

11

9

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

12

14

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

13

7

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

14

8;7

männlich

prim. Enk.

   --

   --

2 - jüngstes

k. A.

nein

15

12

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

16

10;3

männlich

sek. Enk.

mit 9 J.

2 Mon.

Einzelkind

Kontaktpro-bleme,

Schullei­stungs-störungen

ja

Anmerkung: k.A. = keine Angabe

 

 


 

 

Pb.Nr.

Alter

Geschlecht

Primäre / Sekundä­re Enkopresis

Beginn

Dauer

Geschwister

[131]

Begleit-

symptome

[132]

Eltern

getrennt

ja / nein

17

5;10

weiblich

prim. Enk.

   -- 

   --

2 - Zwillinge

k. A.

nein

18

7;1

weiblich

sek. Enk.

mit 4 J.

ca. 2 J.

3 - mittleres

Enuresis diur­na

nein

19

5;4

männlich

prim. Enk.

   --

   --

2 - ältestes

Enuresis nocturna

ja

20

6;2

weiblich

sek. Enk.

mit 4 J.

ca. 2 J.

5 - zweitälte­ste

Enuresis nocturna

nein

21

7

männlich

sek. Enk.

k. A.

k. A.

2 - jüngster

k. A.

nein

22

6

weiblich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

23

5;7

weiblich

k.A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

24

6;10

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

25

7;9

männlich

prim. Enk.

   --

   --

2 - ältester

Obstipation

ja

26

7;4

männlich

prim. Enk.

   --

   --

k. A.

k. A.

k. A.

27

7;3

männlich

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

28

6;1

weiblich

prim. Enk.

   --

   --

5 - zweit-

älteste

Enuresis,

Obstipation

nein

Anmerkung: k.A. = keine Angabe

 

 

Auf eine detaillierte Darstellung einzelner Aspekte der vorgenannten Daten meiner Stich­probe möchte ich angesichts des eingeschränkten Aussagewertes aufgrund der mir in vielen Fällen nicht zur Verfügung stehenden Angaben verzichten. Im Folgenden werde ich nur die mir zu jedem Fall vorliegenden Alters- und Geschlechtsangaben mit den in der Literatur berich­teten Zahlen vergleichen. 


6.2.1 Alters- und Geschlechtsverteilung

Nach Alter und Geschlecht aufgeschlüsselt stellen sich die ausgewerteten Sceno-Testspiele der Untersuchungsgruppe wie folgt dar.

 

 

Altersgruppe

Jungen

Mädchen

Gesamt

3 - 5 Jahre

2

2

4

6 - 8 Jahre

11

4

15

9 - 11 Jahre

6

1

7

12 - 17 Jahre

2

-

2

Summe

21 ( 75 % )

7 ( 25 % )

28

 

 

Das Alter meiner Stichprobe streut zwischen 4 ½ Jahren und 14 Jahren, wobei die größte Häufigkeit zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr festzustellen ist. Diese Befunde stimmen gut mit den in der Literatur berichteten Ergebnissen (vgl. Bellman, 1966, Probst et. al., 1980, Wille, 1984) überein. Das Altersmittel aller Enkopretiker liegt bei 8,0 Jahren und ist somit analog zu dem von Krisch & Jahn (1981) ermittelten Wert von 8,08 Jahren.

 

Die Geschlechtsverteilung von 3,0 Jungen auf 1 Mädchen entspricht ebenfalls den in der Li­teratur veröffentlichten Angaben, die bei Bellman (1966) mit einer Verteilung von 3,4 zu 1 beziehungsweise von Krisch (1985) mit 3,5 zu 1 beziffert werden. 

6.3 Die Daten der Vergleichsgruppen

Als Vergleichsgruppe für das Formale im Sceno-Test wählte ich die Gruppe der Stotterer bei Kühnen (1973) aus, da sie in der Alters- und Geschlechtszusammensetzung prozen­tual in etwa mit meiner Enkopretiker-Stichprobe vergleichbar ist. Diese Gruppe stellt sich wie folgt dar.

 

 

 

 

Altersgruppe

Jungen

Mädchen

Gesamt

3 - 5 Jahre

5

0

5

6 - 8 Jahre

26

9

35

9 - 11 Jahre

25

5

30

12 - 17 Jahre

11

2

13

Summe

67 ( 80,7 % )

16 ( 19,3 % )

83

 

 

Von Salis (1975) nahm anhand von insgesamt 298 Sceno-Test-Schlußbildern eine formale Analyse des Sceno-Test-Schluß­bildes vor. Die Gruppe setzte sich dabei aus 126 Probanden (Klinische Gruppe) im Alter von 4 bis 18 Jahren - die Geschlechtsverteilung betrug 87 Knaben : 39 Mädchen - sowie aus 172 Kontrollprobanden mit dem gleichen Altersspek­trum - davon 83 Kna­ben und 89 Mädchen - zusammen.

 

In der folgenden Tabelle habe ich nochmals die Altersverteilung beider Gruppen detailliert aufgeführt.

 

 

Altersgruppe

Klinische Gruppe

Kontrollgruppe

4 - 8 Jahre

36

46

9 - 11 Jahre

40

60

12 - 14 Jahre

29

50

15 - 18 Jahre

21

16

Summe

126

172

 

 

Krolewski (1984) wählte seine Kontrollgruppe im Rahmen seiner Sceno-Test-Untersu­chungen an 60 Enkopretikern aus dem Gesamtklientel einer Erziehungsberatungsstelle "Kinder mit Schul- und Konzentrations­schwierigkeiten" aus, die „in einer Art modifiziertem matched-pairing in Altersgruppen- und Geschlechtszusammensetzung an die Enkopreti­ker-Gruppe" (S. 22) angeglichen wurden. Da Krolewski (1984) keine Altersgruppen so­wie keine Geschlechtsverteilung für die Vergleichsgruppe publiziert hat, bin ich da­von ausgegangen, daß die Kontrollgruppe analog der Enkopretiker-Gruppe verteilt ist. Diese stellt sich somit wie folgt dar.

 

 

 

 

Altersgruppe

Jungen

Mädchen

Gesamt

2 - 5 Jahre

5

2

7

6 - 8 Jahre

26

4

30

9 - 11 Jahre

14

3

17

über 12 Jahre

5

1

6

Gesamt

50 ( 83,3 % )

10 ( 16,7 % )

60

 

 

Graphisch dargestellt präsentiert sich die Altersverteilung der Kontrollgruppen - mit Aus­nahme derjenigen von v. Salis (1975) - im Vergleich zu meiner Stichprobe wie folgt.

 

 

 

 


Die Geschlechtszusammensetzung der Kontrollgruppen im Vergleich zu meiner Stich­probe ist in der folgenden Grafik bildlich dargestellt.

 

 

 

 

Nach Darstellung der für meine Untersuchung verwendeten Kontrollgruppen möchte ich im folgenden Gliederungspunkt die von mir unter Pkt. 5 aufgestellten Hypothe­sen anhand der Sceno-Testauswertungen der Reihenfolge nach überprüfen. Da der theoretische Hin­tergrund bereits ausführlich unter Pkt. 5 erörtert wurde, beschränke ich mich im Fol­gen­den darauf, diesen zur besseren Orientierung nur noch fragmentarisch im Rahmen der Auswertung einzufügen.

6.4 Überprüfung der aufgestellten Hypothesen

6.4.1 Cerebrale Dysfunk­tion

Im Sceno-Testspiel enkopretischer Kinder müßten sich gehäuft die Spielmerkmale des or­ganischen Syndroms - im einzelnen aus den Spielmerkmalen "Reihungen", "gesamte Spielfläche", "gesamt/formlos", "Rahmensprengung", "formlos" und "minimale bis spärli­che Materialverwendung" bestehend - nachweisen lassen. In den von mir untersuchten Sceno-Testbil­dern von 28 Enkopretiker stellen sich die Ergebnisse wie folgt dar. Als Vergleichs­gruppe diente mir die Gruppe der Stotterer aus der Untersuchung von Kühnen (1973).

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Reihungen

 

 

 

 

 

gespielt

2

5

7

 

nicht gespielt

26

78

104

 

 

 

 

 

 

Summe

28

83

111

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

gesamte Spielfläche

 

 

 

 

 

gespielt

5

24

29

 

nicht gespielt

23

59

82

 

 

 

 

 

 

Summe

28

83

111

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

gesamt / formlos

 

 

 

 

 

gespielt

2

2

4

 

nicht gespielt

26

81

107

 

 

 

 

 

 

Summe

28

83

111

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Rahmen­sprengung

 

 

 

 

 

gespielt

2

10

12

 

nicht gespielt

26

73

99

 

 

 

 

 

 

Summe

28

83

111

 

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Minimale und spärliche Materialver­wendung

 

 

 

 

 

gespielt

4

11

15

 

nicht gespielt

24

72

96

 

 

 

 

 

 

Summe

28

83

111

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

formlos

 

 

 

 

 

gespielt

4

8

12

 

nicht gespielt

24

75

99

 

 

 

 

 

 

Summe

28

83

111

 

 

Darstellung der Ergebnisse:

 

Es konnten bei keinem der untersuchten sechs Spielmerkmale signifikante Unterschiede im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt werden. Die Signifikanzprüfungen erbrach­ten folgende Ergebnisse: "Reihungen" (Chi-Quadrat-2 = 0,04; df = 1), "gesamte Spielflä­che" (Chi-Quadrat-1 = 1,32; df = 1), "gesamt/formlos" (Chi-Quadrat-2 = 1,17; df = 1), "Rahmensprengung" (Chi-Quadrat-2 = 0,56; df = 1), "minimale und spärliche Material­verwendung" (Chi-Quadrat-2 = 0,01; df = 1) und "formlos" (Chi-Quadrat-2 = 0,44; df = 1).

 

6.4.2 Strenge, rigide Sauberkeitserziehung

Insbesondere aus der Verwendung des Nachttopfes sowie des Klo-Stuhls können direkte Rückschlüsse auf die Art und Weise, wie das Kind seine Rein­lichkeitserziehung erlebt hat, und auf die sich daraus entwickelten Haltungen gezogen wer­den. Ebenfalls können durch die Verwendung des Waschbottichs Reinlichkeitstendenzen zum Ausdruck gebracht wer­den. Die Verwendung der im Scenomaterial befindlichen Schweine kann unter Umstän­den ebenfalls zusätzliche Hinweise auf die erlebte Sauberkeitserziehung gestatten. In der folgenden tabellarischen Übersicht habe ich zunächst die quantitative Verwendung der vorgenannten Spielmaterialien untersucht. Als Vergleichsgruppe diente mir die von Krolewski (1984) ver­wendete Kontrollgruppe.

 

 

Spielmaterial

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Nachttopf

 

 

 

 

 

gespielt

-

2

2

 

nicht gespielt

28

58

86

 

 

 

 

 

 

Summe

28

60

88

 

 

 

Spielmaterial

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Klo-Stuhl

 

 

 

 

 

gespielt

9

21

30

 

nicht gespielt

19

39

58

 

 

 

 

 

 

Summe

28

60

88

 

 

Weitere Aufschlüsse erhoffte ich mir von der Auswertung, ob der Klo-Stuhl überzufällig häufig oder wenig bestimmten Personen oder Personengruppen (z.B. Kinder / Erwach­sene) zugeordnet, oder ob er alleine in der Szene verwendet wurde. Als Ver­gleichsgruppe diente mir wieder die Kontrollgruppe aus der Untersuchung von Krolewski (1984). Für die Überprüfung auf statistisch signifikante Unterschiede wurden die Ergeb­nisse jeweils in Beziehung zur Gesamtzahl der Szenen, in denen der Klo-Stuhl verwendet wurde, gesetzt.

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Klo-Stuhl alleine

 

 

 

 

 

gespielt

6

14

20

 

nicht gespielt

3

7

10

 

 

 

 

 

 

Summe

9

21

30

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Klo-Stuhl mit Vaterfigur

 

 

 

 

 

gespielt

2

-

2

 

nicht gespielt

7

21

28

 

 

 

 

 

 

Summe

9

21

30

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Klo-Stuhl mit Mutterfigur

 

 

 

 

 

gespielt

1

2

3

 

nicht gespielt

8

19

27

 

 

 

 

 

 

Summe

9

21

30

 

 

 

Spielmerkmal

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Klo-Stuhl mit Kinderfigur

 

 

 

 

 

gespielt

-

5

5

 

nicht gespielt

9

16

25

 

 

 

 

 

 

Summe

9

21

30

 

 

Ergänzend sei an dieser Stelle angemerkt, daß der Klo-Stuhl in einer Sceno-Testgestal­tung außerhalb der Spielfläche (mit Vaterfigur- s.o.) plaziert wurde. Dies kann nach Knehr (1961) als ein zusätzlicher Hinweis auf Konflikte im Bereich von Sauberkeit und Ordnung verstanden werden (vgl. Pkt. 3.4.7).

 

Wie unter Pkt. 5 ausgeführt können durch die Verwendung des Waschbottichs Rein­lich­keitstendenzen, eigene Sauberkeitsanforderungen des Kindes sowie symbolisch die gefor­derte Reinlichkeitserziehung zum Ausdruck gebracht werden. Als Kontrollgruppe ver­wendete ich die von Krolewski (1984) verwendete Vergleichsgruppe.

 

 

Spielmaterial

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Waschbottich

 

 

 

 

 

gespielt

1

24

25

 

nicht gespielt

27

36

63

 

 

 

 

 

 

Summe

28

60

88

 

 

In dieser Szene dekorierte er zusammen mit dem Melkeimer, der Kanne, der Schüssel sowie den vier Bechern einen Turmbau[133] (vgl. Auswertungsprotokoll zu Vp. 5 im An­hang B).

 

In der folgenden Tabelle habe ich die quantitative Verwendung der Schweine im Ver­gleich zur Kontrollgruppe von Krolewski (1984) dargestellt. Dabei beziehen sich die Er­gebnisse auf die Szenen, in denen ein und/oder beide Schweine verwendet wurden.

 

 

Spielmaterial

gespielt /

nicht gespielt

Enkopretiker

Vergleichsgruppe

Summe

Schweine

 

 

 

 

 

gespielt

8

30

38

 

nicht gespielt

20

30

50

 

 

 

 

 

 

Summe

28

60

88

 

 

Darstellung der Ergebnisse:

 

Bei Betrachtung der quantitativen Verwendung des Nachttopfes (Chi-Quadrat-2 = 1,55; df = 1) und des Klo-Stuhls (Chi-Quadrat-1 = 0,06; df = 1) können keinerlei signifikante Unterschiede zur Kontrollgruppe ausgemacht werden. Bei der qualitativen Analyse zeigt sich dagegen folgendes Bild: Die Spielmerkmale "Klo-Stuhl alleine" (Chi-Quadrat-2 = 0; df = 1) und "Klo-Stuhl mit Mutterfigur" (Chi-Quadrat-2 = 0,01; df = 1) weisen gegenüber der Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede in der Verwendungshäufigkeit auf. Dagegen erbrachte der Kontrollgruppenvergleich für das Spielmerkmal "Klo-Stuhl mit Vaterfigur" mit einem Chi-Quadrat-2 Wert von 5,16 (df = 1) eine auf dem 5 % Niveau signifikant häufigere Verwendung in der Gruppe der Enkopretiker. Das Spielmerkmal "Klo-Stuhl mit Kinderfigur" wird bei einem Chi-Quadrat-2 Wert von 3,98 (5 %-iges Si­gnifikanzniveau; df = 1) überzufällig weniger häufig durch die Gruppe der Enkopretiker gespielt. Der Waschbottich wird von der Gruppe der Enkopretiker sogar hochsignifikant seltener (Chi-Quadrat-2 Wert von 15,64, df = 1, Signifikanzniveau von 0,1 %) in den Sceno-Testspielen verwendet als von der Kontrollgruppe. Die quantitative Verwendung der Schweine ergab dagegen keinen signi­fikant bedeutsamen Unterschied. Mit einem Chi-Quadrat-1 Wert von 3,57 (df = 1), der den kritischen Chi-Quadrat Wert von 3,84 auf dem 5 %-igen Signifikanzniveau nur knapp verfehlt, deutet sich aber eine deutliche Ten­denz zur geringeren Verwendung durch die Enkopretiker an. 

 

Weiter



[1]Frank  (1948) versteht darunter „ Methoden, welche die Persönlichkeit dadurch untersuchen, daß sie die Vp. einer Situation gegenüberstellen, auf welche die Vp. entsprechend der Bedeutung reagiert, die diese Situation für sie besitzt ... Das Wesen eines projektiven Verfahrens liegt darin, daß es etwas hervorruft, was - auf verschiedene Art - Ausdruck der Eigenwelt, des Persönlichkeitsprozesses der Vp. ist" (zit. nach Hörmann, 1964, S. 73)

[2]Allen voran die Protagonisten Rorschach und Murray.

[3]Höhn (1964) stellt fest, daß bei der Entwicklung des Sceno - Tests durch Gerdhild von Staabs dagegen „keine eng dogmatische Bindung an die Psychoanalyse" (S. 687) bestand. Viele Teile des Spielmaterials wurden von ihr nur aufgrund des Symbolgehaltes ausgewählt.

[4]1973 wurde an 272 zentral verzeichnete Dienststellen jeweils ein Fragebogen an den maßgeblichen Psy­chologen (z.B. dienstältester, ranghöchster etc. ) verschickt - 179 (66%) sandten ihren Fragebogen zu­rück. Zwischen Lebensalter und Geschlecht der Beantworter bestand kein signifikanter Zusammenhang.

[5]Beim Vergleich der Rangplätze (Bekanntheit, Anwendungshäufigkeit, Brauchbarkeit) schnitten Sceno - Test, TAT, Rorschach und Familie in Tieren am besten ab.

[6]Dies impliziere aber auch „eine abweichende Sicht der Validitätsproblematik gegenüber psychometri­schen Tests und die Notwendigkeit der Bewährung aus der klinischen Kasuistik" (Allesch, 1991, S. 93). 

[7]Koch (1955) unternahm den umgekehrten Versuch und zeigte die Brauchbarkeit von Spieltests (insbesodere dem Sceno-Test) anhand der Tatsache, daß er aus den Ergebnisse die Kretschmerschen Konstitutionstypen unmittelbar ablesen konnte.

[8]Auch Höhn (1964) sieht wie Allesch (1991) die Beweiskraft der Spielverfahren mehr in ihrer prakti­schen Bewährung, „als daß sie durch exakte Testkontrollen gesichert wäre" (S. 696).

[9]12 Sceno-Tests von unauffälligen Kindern im Alter zwischen 6 und 11 Jahren.

[10]M. Klein (1932, nach Höhn, 1964) verwendete winzige Gegenstände und Figuren, von denen das Kind angeregt wurde, in dieser Miniaturwelt bestimmte Dinge zu vollziehen. Die Auswertung erfolgte nach sexualpsychologischen Gesichtspunkten Freuds.

[11]Hierbei gibt nur das Kind selbst Deutungen des Gebauten ab. Lowenfeld (1939, nach Höhn, 1964) be­streitet, daß das im Welt-Spiel in Erscheinung tretende Unbewußtes im strengen Sinne ist.

[12]1940 wurde der Test erstmals in ihrem Aufsatz "Spieltherapie" erwähnt. Die Drucklegung erfolgte aufgrund des Krieges 1943.

[13]Auch Körholz (1951) sieht den Wert des Sceno-Tests in erster Linie in der Vertiefung der Anamnese.

[14]Von Poten (1953) hat sogar den zweifelhaften Versuch unternommen, mit Hilfe des Sceno-Tests eine Beurteilung von Fähigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten und Defekten zweier "Defektpersönlichkeiten" vorzunehmen.

[15]Zur kritischen Betrachtung dieser Aufgabe s.h. Pkt. 2.1.2

[16]Nach Kemper (1955) ermöglicht das Material dem Kind, vor allem problematisch Erlebtes darzustel­len, und erleichtert somit, die frühkindliche Erlebniswelt zu erschließen. 

[17]Eine Hoffnung, die sich leider nicht erfüllen ließ, da die Ausführungen einzelner Spielmaterialien über die Jahre hinweg bestimmten Änderungen - z.B. Kleidung, Ausdruck, etc. - unterworfen waren.

[18]Während der Untersuchung sollte der Untersucher auf die im Beobachtungsbogen von v. Staabs (1951) angegebenen Inhalte achten - der Beobachtungsbogen ist als Anlage A dieser Arbeit beigefügt.

[19]Von Staabs (1969) hält dagegen eine Frage zur Identifikation des Probanden für kontrainduziert.

[20]Die Wahl eines Tieres als Identifikationsfigur ist nach Knehr (1961) besonders aufschlußreich, „weil Kinder eine aggressive, feindliche oder sonstwie als negativ empfundene Haltung als Folge ihrer Schuld­gefühle lieber in die mehr neutrale Gestalt eines Tieres projizieren" (S. 21).

[21]Erhalten die Figuren dabei Namen von Personen aus der Umgebung des Kindes, können sich daraus ggf. Hinweise auf bestimmte Charakterisierungen ableiten lassen.

[22]Diesem Ansatz sind insbesondere die Ausführungen zum Scenodrama von Zierl (1959), zum Schul-Sceno Rollenspiel von Moosmann (1977) sowie zum Gemeinsamen Sceno nach Zimmermann & Degen (1978) verpflichtet.

[23]Neben von Staabs (1951) sind insbesondere Berger & Rennert (1956), Knehr (1961), Biermann (1958, 1962),  Weber (1966), Engler (1972), Melamed-Hoppe (1969), Kächele-Seegers (1969) und Kühnen (1973) Vertreter dieser Richtung.

[24]Von Harnack & Wallis (1954) vertreten in diesem Zusammenhang die Meinung, daß ein sich an den Symbolbedeutungen orientierendes Vorgehen nicht statthaft sei, da die Szene Unterschiedliches ausdrüc­ken kann, selbst wenn die Bedeutung der Figuren für das Kind bekannt ist.

[25]Nach von Staabs (1951) gebrauchen Kleinkinder das Material als Funktionsspiel; sie haben die Ten­denz, gleichartige Gegenstände zu reihen, und bauen eindimensional. Die Darstellung von Beziehungen gelingt - wenn überhaupt - nur in Bezug auf  zwei oder drei Einzelteile.

[26]Anhand einer Serie von 99 psychisch unauffälligen Kindern im Alter von 3 bis 15 Jahren (52 Knaben, 47 Mädchen).

[27]Anhand von 48 Kindern im Alter von 6 bis 8 Jahren sowie 38 Kindern im Alter von 8 und 10 Jahren.

[28]Anhand von 40 Kindern im Alter von 13 und 16 Jahren.

[29]Leider keine Angaben über Anzahl der Kinder, Alters- und Geschlechtsverteilung sowie Auswertungs­gesichtspunkte. Bei der tabellarischen Übersicht verzichte ich auf die Ergebnisse der Altersgruppe von 2 bis 3 Jahren, da der Test nach von Staabs (1951) erst ab dem 3. Lebensjahr eingesetzt werden sollte.

[30]Im Rahmen eines Kurzreferates über die Dissertation von Engels (1957) an 36 VolksschülerInnen im Alter von 6 - 13 J. (je 18 Knaben und Mädchen);

[31]VL = Vulgärlösung; Signifikanzniveau von 0,01 %

[32]Angabe des Signifikanzniveaus in Klammern hinter dem Spielmerkmal (zur Bedeutung der Spiel­merkmale vgl. Pkt. 3.4.6).

[33]Ermert et. al. (1991) konnten dieses Merkmal ebenfalls signifikant häufiger bei jüngeren Kindern fest­stellen.

[34]Die von Höhn (1951) häufiger festgestellte "überfüllte Szene" kommt eher in den jüngeren Gruppen vor.

[35]Spielmerkmale, die auf ein ordnendes und planvolles Vorgehen schließen lassen, nehmen zu.

[36]Keine Signifikanzangabe

36Keine Signifikanzangabe.

[37]Zur Bedeutung der einzelnen Vulgärlösungen (VL) vgl. Pkt. 3.4.6

[38]Signifikant auf dem 1 % - Niveau

38Signifikant auf dem 1 % - Niveau

[39]Den Antriebstarken ist Temperament und eine gewisse Fülle von Antrieb eigen; die Nüchternen zeigen in allen Ausdrucksformen eine gewisse Nüchternheit und Blässe (vgl. Engels, 1957)

[40]Nach von Staabs (1955) lassen sich durch die damit mögliche Darstellung von Gesten und Haltungen Affekte ausdrücken, „die auf das zurückgehen, was die Versuchsperson innerlich selbst bewegt" (S. 686).

[41]Mann im weißen Kittel.

[42]Von Staabs (1951) bezeichnet damit die beiden Frauen im Haus- bzw. Straßenkleid.

[43]Bei gleicher Kleidung ist die männliche Figur in "typischem" blau, die weibliche in "typischem" rosa gekleidet.

[44]Knehr (1961) zählt dagegen den Ganter zu den Haustieren, die gefüttert werden.

[45]Das einzige Tier des Testmaterials, welches nicht aus Holz gefertigt, sondern mit einem Fell versehen wurde.

[46]Eine solche Differenzierung erscheint mir in der Praxis schwierig, da in den von mir beschriebenen Sceno-Testspielen häufig ähnlich wirkende Fahrzeuge - ggf. wurden diese im Laufe der Zeit ausge­tauscht - zum Inventar gehörten.

[47]Biermann (1958) fand bei jugendlichen Dieben die Spielszene "Verkehrsunfall" als ein charakteristi­sches Spielmerkmal (vgl. auch Fußnoten 48 und 58).

[48]Biermann (1958) fand den Karfunkelstein in dieser Bedeutung als ein Charakteristikum in Spielen ju­gendlicher Diebe.

[49]Eine Beobachtung, die gut zum sachlich-planenden beziehungsweise spielerischen Verhaltenstypus nach Engels (1957) - vgl. Pkt. 3.4.5 - passen würde.

[50]An dieser Stelle sei noch auf die Dissertation von Sieberer-Kefer (1979) verwiesen, die allein aus der bevorzugten Verwendung bzw. Anrdnung bestimmter Farben Aufschlüsse über bestimmte Regressions­tendenzen ermitteln wollte; allein aus der Tatsache, daß Sieberer-Kefer (1979) einen Sceno-Test mit doppeltem Bausteinsatz verwendete und auch durch diesen Handgriff m.E. nicht in der Lage war, eine nahezu gleiche Verteilung an Farben und Formen zu erreichen, halte ich die Ergebnisse vor diesem Hin­tergrund für nicht berücksichtigungswürdig. 

[51]Einteilung in Psychopathen, Psychoreaktive, Organiker und Schizophrene.

[52]Aufgrund von je 4 Spielen pro Gruppe stellte Dunkell (1954) z.B. das sogenannte "Staabs-Profil" auf - in der graphischen Darstellung ordnete er den einzelnen Diagnosegruppen die beobachteten Spielmerk­male zu und ermittelte einen Linkstyp (Psychopathen, Psychoreaktive), Rechtstyp (Organiker) und einen Mitteltyp (Schizophrene).

[53]Ein Vergleich der Ergebnisse Dunkells (1954) an 4 Organikern mit denen von Kühnen (1973) - 97 Patienten - erbrachte keine Übereinstimmung.

[54]Da dieses Spielmerkmal häufig mit anderen Spielmerkmalen auftritt, untersuchte Kühnen folgende Paare: "peripher/zentral", peripher/Ecken" und "peripher/Umgrenzung"; mit "peripher/insgesamt" wur­den die Spiele erfaßt, in denen das Merkmal "peripher" in irgendeiner Form vorkam.

[55]Nach von Salis (1975) ist dieses Spielmerkmal erfüllt, wenn über zwei Drittel der Gegenstände in einer Hälfte plaziert war. Bei depressiven Kindern fanden von Salis & Preisig (1978) eine Häufung von Figu­ren auf der rechten Hälfte und interpretierten dies als das starke Wunschdenken dieser Kinder und ihre relative Unfähigkeit, diese zu realisieren.

[56]Kühnen (1973) untersuchte zusätzlich die Kombinationen der Spielmerkmale "gesamte Spielflä­che/allein"und "gesamte Spielfläche/formlos". Mit "gesamte Spielfläche/gesamt" wurden alle Spiele er­faßt, in denen das Spielmerkmal "gesamte Spielfläche" enthalten war.

[57]Horror vacui = Scheu vor dem Leeren; typisch für das Sceno-Testspiel Schizophrener (vgl. Biermann & Biermann, 1962).

[58]Biermann (1958) fand dieses Spielmerkmal als ein Charakteristikum für die Sceno-Testspiele jugendli­cher Diebe.

[59]Z.B. ein außerhalb plaziertes Krokodil als Zeichen für verdrängte Aggressionen oder das im Außen­raum plazierte Klo bei Konflikten im Bereich von Sauberkeit und Ordnung.

[60]Höher als eine erwachsene Puppenfigur.

[61]Ebenso können Festungsbauten Ausdruck von Ängstlichkeit sein.

[62]Die überfüllten oder totalen Spiele der Schizophrenen lassen meist noch eine erkennbare Ordnung vermuten (chaotische Scheinordnung) - sie deutet bei noch erhaltener äußerer Ordnung den Persönlich­keitszerfall an (vgl. Weber, 1952, Biermann & Biermann, 1962).

[63]Zusätzlich nannten Biermann & Biermann (1962) noch das "beziehungslose Nebeneinander von Kleinszenen", die "verkürzte Spieldauer" sowie das "kontaktgestörte Spielverhalten" als Elemente des organischen Syndroms.

[64]Nach von Staabs (1958).

[65]Die Spielmerkmale 16, 17 sind der Auswertung von von Salis (1975) entnommen, das Spielmerkmal 18 stammt von Graf Witgenstein (nach von Staabs, 1958), die Spielmerkmale 19 und 20 von Biermann & Biermann (1962).

[66]Nach von Salis & Preisig (1978) auch Darstellung von Geborgenheit.

[67]Nach von Staabs (1951) und Harnack & Wallis (1954) ist es aber kaum in einem Falle möglich, „bei blinder Auswertung des Sceno-Tests Rückschlüsse auf die psychologische Situation des Kindes und seinen Konflikt zu ziehen" (S. 507).

[68]Mindestens zwei Drittel aller Puppen oder Tiere mit Gesicht oder Schnauze auf einen Punkt gerichtet; bzw. die Puppen schauen in eine Richtung (nach Ermert, 1994)

[69]Höher als der Kopf, wenn Tier oder Mensch stehen würden (vgl. Ermert, 1994).

[70]Weber (1952, 1966) deutet das Merkmal "keine Puppen" ebenfalls als Ausdruck einer Kontaktstörung. 

[71]Nach von Staabs (1953) ein Hinweis auf Kontaktgestörtheit, Isoliertheit und den Mangel, die Vielfalt der Welt in sich aufzunehmen und produktiv zu verarbeiten. .

[72]Biermann (1970) ist der Auffassung, daß bei gut einem Drittel im initialen Sceno-Test mit einer Schlüsselsituation zu rechnen ist.

[73]An dieser Stelle wurde bewußt auf die Darstellung typischer Gestaltungen bei verschiedenen Dia­gnosegruppen verzichtet, da diese für die vorliegende Arbeit nicht von Bedeutung sind.

[74]Die einzelnen Verfahren wurden in den Abhandlungen nicht genannt. Ebenfalls wurden keinerlei Auswertungsschemata etc. zu den Testergebnissen veröffentlicht.

[75]Die Bedeutungsinhalte der einzelnen Vulgärlösungen sind unter Pkt. 3.5.6 aufgeführt.

[76]Enuresis, Psychosomatische Erkrankungen, Asthma, Adipositas, Stottern, Schul-und Erziehungs­schwierigkeiten, Seelische Fehlhaltungen und hirnorganische Schädigungen.

[77]Krolewski (1984) konnte zu jedem Spielmerkmal einen Vergleich mit der Enuretiker-Gruppe von Engler (1972) durchführen.

[78]Allerdings noch unter der Bezeichnung "Incontinenz der Fäces".

[79]Insbesondere mit Hilfe von Klistieren und Abführmitteln, die jedoch nicht immer von Erfolg gekrönt waren (vgl. Ochsenius, 1925, zit. nach Krisch, 1985).

[80]Freud begründete die psychodynamische Sichtweise dieses Syndroms anfang des 20 Jahrhunderts mit seinen Schriften "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie" (1972) und "Charakter und Analerotik" (1973).

[81]Wolters (1971) sieht Enkopresis als "a problem of toilet training" (S. 266), Silber (1969) schreibt "encopresis is restricted to fecal incontinence associated with constipation" (S 225), und Dührssen (1974) streicht heraus, daß es „sich vielmehr um den unbemerkten und unwillkürlichen Kotabgang" (S. 301) handelt.

[82]Z.B. stuft Glanzmann (1934) das Einschmutzen schon ab dem ersten Lebensjahr als pathologisch ein.

[83]Fitzherald (1975) "fordert" bei einer Enkopresis eine normale Menge Stuhl, während er mit "soiling" das Absetzen flüssigen Stuhls in Verbindung mit einer Obstipation bezeichnet.

[84]Das Rectum ist bei diesen Kindern prall mit Stuhl gefüllt bei gleichzeitiger Insuffizienz des Dichtungs­apparates und zusätzlicher verminderter Diskriminationsfähigkeit. „Der Endeffekt ist das Austreten flüssigen Stuhls, der den genannten Bolus umfließt, oder durch die Reizung abgesonderten Schleims" (Granditsch et. al. , 1976, S. 263).

[85]Insbesondere mit Blick auf die geforderte Dauer der Symptomatik.

[86]An einer Gesamtstichprobe von 2406 Kindern unter 15 Jahren.

[87]An 583 Kindern.

[88]761 Kinder.

[89]2.304 PatientInnen.

[90]Anhand von 800 durchgesehenen Krankengeschichten.

[91]Levowitz & Goldstein (1979) berichteten von einem 17 Jahre alten Patienten, während Probst et. al. (1980) in ihrer Katamnestudie zur psychosozialen Integration noch einen 22-jährigen Enkopretiker aus­machen konnten.

[92]Wolters (1974) konnte zeigen, daß die Einstellung der Kinder zu ihrem Symptom am häufigsten durch die Kombination "Verleugnung und Scham" charakterisiert wurde.

[93]Keilbach (1977) berichtet, daß die Kinder den Hautkontakt mit dem Kot eher angenehm, als „warm, weich und schön" (S. 126) empfinden.

[94]Krisch (1985) errechnete, „daß im Mittel nur jeder elfte oder zwölfte der erfaßten Enkopretiker frei von zusätzlichen Beschwerden war" (S. 119).

[95]Steinhausen (1988) weist nochmals darauf hin, daß während der Untersuchung insbesondere dem Vorliegen einer Obstipation nachgegangen werden muß, da eine unter Umständen gegebene Chronifizierung mit „einer bisweilen exzessiven Erweiterung des Enddarms einhergeht" (S. 15).

[96]Problematisch erscheint insbesondere die nicht unerhebliche Strahlenbelastung der Genitalregion (vgl. Coekin & Gairdner, 1960).

[97]Abwesender Vater und eine dominante, empathielose, emotional stumpfe Mutter.

[98]Aufgrund dieser zeitlich nach der Darmkontrolle erfolgenden Beherrschung.

[99]EEG = Elektoencephalogramm (die mit Hilfe eines Meßgerätes über Vielfachverstärker aufgezeichnete Kurve der Aktionsströme des Gehirns).

[100]Allerdings war dieses Ergebnis gegenüber der Enuretiker-Kontrollgruppe nicht signifikant.

[101]Dagegen stellte Wille (1984) aber fest, daß Enkopretiker signifikant häufiger als die Vergleichsgrup­pen (Enuretiker und Psychotiker) ein infantiles psychoorganisches Syndrom perinataler Genese aufwei­sen.

[102]Eller (1960) sah einen erhöhten Parasympathicustonus, Granditzsch et. al. (1976) eine Hyperkonti­nenz mit einer Insuffizienz des Dichtungsapparates als verursachende Faktoren.

[103]Allerdings ließen die Autoren offen, ob es sich dabei um sekundäre Folgeerscheinungen oder um pri­märe Faktoren handelt.

[104]Einschränkend muß gesagt werden, daß die relevanten Daten in den entsprechenden Untersuchungen naturgemäß nur retrospektiv erhoben werden konnten, was natürlich ihre Beweiskraft einschränkt, sowie eine Vielzahl von Personen nur unzureichende oder gar keine Angaben dazu machen wollten bzw. konn­ten. 

[105]Huschka (1942) stellte Kriterien für den Beginn des Trainings auf: frühes = unter 8 Monate, normales = zwischen 8 und 23 Monaten und spätes = ab 2 Jahren.

[106]Woodmansey (1967) vertritt in seiner extremen Position die Auffassung, daß ein Toilettentraining überhaupt unnötig sei.

[107]Kommt es dagegen zu Störungen in dieser Entwicklungsphase, kann sich der sogenannte anale Cha­rakter (vgl. Freud, 1908), der vor allem durch drei Eigenschaften repräsentiert wird (anale Triade) - Or­dentlichkeit und Reinlichkeit, Sparsamkeit und Geiz sowie Eigensinn -, entwickeln (vgl. auch Jones, 1919, Abraham, 1961/62).

[108]I.d.R. ist es die Mutter, die durch das Symptom repräsentiert wird; Kadinsky (1969) sah in der Enko­presis allerdings eine Handlung,  „die den Vater herbeibringen soll" (S. 963).

[109]Glanzmann (1934) berichtet den Fall eines 12-jährigen Mädchens, welches von ihrem Vetter sexuell mißbraucht wurde.

[110]Bemporad et. al. (1971) sind der Ansicht, daß die Mehrzahl aufgrund der in ihrer eigenen Kindheit durch den Vater erfahrenen Zurückstoßungen noch immer eine idealisierte Vaterfigur als Partner suchen. Auf der einen Seite besteht ein Abhängigkeitsbedürfnis, auf der anderen Seite „they had formed a fassade of a dominating and castrating individual" (Bemporad et. al., 1971, S. 275).

[111]Vor allem neurotische Störungen, Alkoholismus, Charakteranomalien, Infantilismus und Kriminali­tät.

[112]Nach Olatawura (1973) war der Unterschied zur Kontrollgruppe in Bezug auf das Merkmal "broken home" signifikant; Wille (1984) konnte zeigen, daß Enkopretiker am seltensten eine eigene, vollständige Familie aufweisen und den größten Anteil an unharmonischen Ehen auf sich vereinigen. 

[113]Bellman (1966) kommt zu dem Schluß : „Both of these ways of handling aggressions suggest childishness and immaturity" (S. 124).

[114]Neurotische Züge, Reaktionen oder Persönlichkeitsentwicklungen.

[115]Glanzmann (1936) berichtet den Fall eines 6-jährigen Mädchens, welches von ihrem 14-jährigen Vet­ter, Krisch (1982) die Geschichte eines 12 Jahre alten Jungen, der von einem 40-jährigen Mann sexuell mißbraucht wurde.

[116]Gött (1959) teilte seine Beobachtung mit, daß Enkopretiker seiner Meinung nach eine falsche Konti­nenz-Technik praktizierten. So lernten sie bei ihm, Glutaei und Sphinkter getrennt zu innervieren. Nach Krisch (1985) übrsah Gött (1959) allerdings, daß die angeblich falsche Technik doch zur Kontinenz bei­tragen kann, womit zudem bewiesen wäre, daß die neue Technik in erster Linie durch den Suggestivef­fekt gewirkt haben muß.

[117]Rhizinusöl und oder Glaubersalz sind nach Krisch (1985) eindeutig kontrainduziert.

[118]Abrahams (1962/63) berichtet beispielsweise über eine erfolgreiche Behandlung mit Imipramin an ei­nem 9 Jahre alten Mädchen.

[119]Nach Biermann (1960) bevorzugt der Enkopretiker elektiv die braune Farbe (vgl. Berger, 1974, Herzka, 1978).

[120]In der Regel wird ein mit Flüssigkeit gefüllter Ballonkatheter, der mit einem Druckmesser verbunden ist, in das Rektum eingeführt, wodurch der Patient eine externe Rückmeldung über seine Schließmuskel­aktivitäten erhält.

[121]Überkorrektur = Patient muß sein "Malheur" selbst beheben und seine Umgebung in einen besseren Zustand versetzen als vor dem unzulässigen Verhalten; positive Praxis = durch massierte Wiederholung­en werden Verhaltensweisen, die physisch mit den unerwünschten unvereinbar sind, eingeübt.

[122]Krisch & Erhard (1978) weisen darauf hin, daß Kindertherapeuten nicht nur über ein großes methodi­sches Wissen verfügen müssen, sondern dieses auch immer wieder ethisch hinterfragen sollten. Dabei müssen ihre ethischen Grundsätze allerdings aus Quellen außerhalb des Bereichs der Verhaltenstherapie kommen.

[123]Ermittelt mit der FPI-Kurzform.

[124]Die von Kühnen (1973) bei der Gruppe der Enkopretiker ausgewerteten Spielmerkmale decken sich nicht mit den von Biermann & Biermann (1962) identifizierten Merkmalen. Kühnen (1973) verzichtete auf die Spielmerkmale "Reihungen" und "spärliche bis minimale Materialverwendung". Eine Erklärung für dieses unverständliche Vorgehen blieb sie schuldig.

[125]Von v. Salis (1975) wird darauf hingewiesen, daß diese Beobachtung nur in der Altersgruppe der 9 bis 11 jährigen Knaben signifikant war.

[126]Mit Ausnahme der Vp. 11, 12, 13 und sofern erstellt.

[127]Aus datenschutzrechtlichen Gründen.

[128]Mit Ausnahme der Fälle 1, 2, 3, 28, die in meinem Beisein erstellt wurden, beziehungsweise Nr. 25, bei dem ich die Gelegenheit hatte, die gespielte Szene direkt im Anschluß an die Untersuchung aufzu­nehmen.

[129]Vordere Zahl = Anzahl der Kinder in der Familie; dahinter Angabe der Stellung in der Geschwister­reihe.

[130]Soweit von den Eltern angegeben und mir mitgeteilt.

[131]Vordere Zahl = Anzahl der Kinder in der Familie; dahinter Angabe der Stellung in der Geschwister­reihe.

[132]Soweit von den Eltern angegeben und mir mitgeteilt.

[133]In dieser Szene wurden keine menschlichen Figuren verwendet.